Weißt du, was mich so verletzt hat, dass ich den Kontakt vollständig abgebrochen habe?
Nicht, dass ihr alle nicht zu meinem Geburtstag 2020 gekommen seid, weil im Dezember halt grundsätzlich eine andere mediale Panik herrscht, als im Februar.
Auch nicht mal, dass ich dann nur kommen durfte, frisch getestet, obwohl ihr (nie getestet) irgendwie für mich „gefährlicher“ wart, als ich das für euch hätte sein können.
Ich musste das täglich, um überhaupt arbeiten gehen zu „dürfen“.
Täglich…
Das hat mich nicht so sehr verletzt.
Auch nicht, dass ich monatelang nicht wusste, wie das mit meiner Arbeit weitergeht.
Und ob überhaupt.
Nicht die monatelange Kurzarbeit, das habe ich ja kompensieren können, indem ich dann in diesem Startup angefangen habe und da auch noch irgendwann die Buchhaltung gemacht habe, 500 Tacken mehr im Monat und das hat das etwas kompensiert, der Mehrbetrag auf meinem Konto…
Das haben so Leute wie du mir finanziert…
Ich an deiner Stelle… lassen wir das…
Wie viel Geld man mit so einem Quatsch machen kann, wenn man an der richtigen Stelle ins Geschäft kommt… das zu sehen.
Ich fand das halt erst lustig, immerhin konnte ich das finanziell zu meinem Vorteil nutzen.
Und auch danach, naja, da konnte ich dann ja hoch pokern.
Als ich wieder „gebraucht“ wurde.
Zu niedrig gepokert, so empfand ich das aber im Nachhinein, dafür, was ich mir gefallen und sagen lassen musste.
„Du bist aber jetzt die Leitung, du musst aber dafür sorgen…“
Jeden Tag, einfach nur für Blödsinn, sollte ich die Mitarbeiter schikanieren, drangsalieren, drängeln.
Jeden Tag diese Diskussionen, die ich vor mir selbst ja nicht mal rechtfertigen konnte.
Bis ich davor kapituliert habe und irgendwann mal komplett ausgerastet und explodiert bin.
“Mir persönlich ist das sowas von sch….egal, ob du das machst oder nicht, ich GLAUBE da nicht dran, es KANN doch aber nicht so schwierig sein, sich das jeden Tag einmal von IRGENDWEM unterschreiben zu lassen!
Nicht ICH will das und ich HASSE, dass man das will!
Und ich HASSE, dass man von mir will, dass ich das von DIR wollen soll, weil es MIR persönlich einfach sowas von sch…egal ist, raff das doch mal.“
Dann ging‘s aber.
Danach waren halt die notwendigen Unterschriften immer da.
Keine Diskussionen mehr.
Danach waren auch die Fronten geklärt.
Die ja nicht mal welche waren…
Die Kundin, die so herum gedruckst hat und ich erst nicht mal so freundlich war, bis sie geweint hat und gesagt, dass sie aber nicht geimpft ist.
So als müsste sie mit ihrem schlimmsten Feind verhandeln.
Das hat mir so leid getan.
Oder die Frau, die mich vor der Tür angepfiffen hat, dass sie ja nur was fragen wolle, aber sie ja nicht mal das mehr dürfe.
Oder das Paar in dem Testzentrum, was mich angegrinst hat, als es gesehen und gehört hat, dass ich laut aufgestöhnt und die Augen verdreht habe, als ich in dem 40 qm grossen Raum auf der falschen, auf dem Fußboden aufgemalten Zahl, stand, was ja ein sooo krass schlimmes Vergehen ist, dass man sich dafür anbrüllen lassen muss.
Das war der beste Satz, den ich dazu gehört habe:
“Sie müssen sich das alles als Komödie vorstellen, stellen Sie sich das alles einfach als eine Komödie vor! Dann geht‘s!“
Und in der Tat.
Dann war das auszuhalten, eine Zeit lang.
Aber du musst dir auch mal überlegen, wie krank das (aus meiner Sicht) irgendwann wurde:
Ok, anfangs im Park getroffen zum trainieren, normale Konstellation, 4-5 Leute, draußen.
Dann wurde sowas verfolgt, also, es wurde kontrolliert und bestraft.
Leute, die im Park, an der frischen Luft, zusammen Sport machen.
Bösartig. Strafwürdig.
Und ich war dann diejenige, die das auf, ich weiß nicht mal.. ich glaube zwei… Haushalte reduziert hat.
Durch meine Anwesenheit!
Nicht mal, weil mein Uppercut besser sitzt, als bei den Jungs, sondern nur, weil ich (täglich getestet!) DA war.
Anwesend. Vorhanden.
Nur durch die Tatsache, dass es mich gibt.
Das habe ich als äußerst, naja, seltsam empfunden, den Sinn habe ich auch nicht verstanden.
Bis heute nicht…
Naja, dann halt Flüsterfitnesstudio auf dem Dachboden eingerichtet, Flüsterkneipe, Flüstertrainigsraum hatten wir unter einem Parkdeck (und das fand ich dann echt strange, improvisiert, im Untergrund, neben Heizungsrohren!), ähm, naja, gut…
Flüsterrestaurants, Flüsterfriseure...
Und keiner fand das irgendwie komisch!
So, als wäre das nicht total komisch, verrückt, irrational.
Alles geht so weiter, die Leute machen ihre Arbeit halt, aber
müssen das heimlich und versteckt machen.
Da habe ich das sogar auch noch als Komödie sehen können.
Schon ziemlich krank, sich so doppelte Ausgänge für die Flucht zu überlegen, falls man mal „gepackt wird“, weil man nur arbeitet oder Sport macht, wie man das immer gemacht hat, aber ok.
Einen Anteil Komik konnte man darin ja schon noch finden, wenn man wollte.
Was mich aber bei unserem letzten Gespräch so verletzt hat, war… naja, das war diese Bedeutungslosigkeit, die du diesen Vorgängen zumisst.
Der Satz: „Du bist selbst Schuld, du hättest dich ja impfen lassen können…“
Der war das nicht mal.
Es war dieser Satz: „Und? Wir können doch aber verschiedene Meinungen haben und trotzdem noch Kontakt haben!?“
Da erst ist mir aufgefallen, dass du das Ausmaß überhaupt nie begriffen hast.
Ganz unbedarft hast du gefragt, ob wir mit hier hin und oder dort hin kommen.
Auf dieses Konzert oder in jene Kneipe.
Und als wir bitter aufgelacht haben, und gesagt: „Klar, du kannst ja dann reingehen und nach einem Napf für uns fragen, für draußen, vor der Tür.“, da hast du mitgelacht, mit uns.
Ohne darüber traurig zu sein oder das unfair zu finden, hast du einfach darüber gelacht.
So, als ob das ein blöder Witz gewesen wäre.
Als wäre das in Wirklichkeit nur ein Witz und natürlich dürften wir rein.
Und heftigst verletzt hat mich auch, dass du gesagt hast: „Ich habe dich immer verteidigt!“
Ich weiß, was du meinst…
Weil ich eh eine Autoimmunerkrankung habe und damit eine Art Rechtfertigung hatte..
Meintest du…
Aber wie meinst du das denn genau?
Vor WEM hast du MICH denn „verteidigen“ müssen?
Mich muss man nicht verteidigen und das weißt du zu gut…
Mir reicht das völlig, wenn ich meinen Standpunkt selbst erklären darf.
Dass du das nicht bedenkst und du dich offensichtlich für mich in Erklärungsnot befunden hast, das verletzt mich zutiefst.
Das musst du nicht. Solltest du auch nicht.
Du solltest dich ja nicht für mich schämen müssen, das ist auch nicht mein Anspruch an mich selbst.
Und das war der Grund, warum ich einen Cut gemacht habe.
Damit kann ich nicht umgehen.
Dass du dich vor anderen Leuten für mich entschuldigst, ohne mir das zu sagen, bloß, weil ich mich nicht habe impfen lassen.
Dass du dich wegen sowas überhaupt für mich schämst…
Als wäre das überhaupt eine Entschuldigung wert.
Als wäre das mehr zu entschuldigen, als Menschen Näpfe vor die Tür stellen zu wollen..
Nein.
Tut mir leid, da hilft aber auch kein dahingerotztes „Fix it“ von Coldplay.
Zumal du die Idee geschickt bekommen hast, das ist gar nicht deine Art von Musik, die du magst.
Hat dir Amy geschickt, als so eine Art, Ich weiß nicht, vielleicht als nett gemeinte Art der Versöhnung.
Als wüsste ich das nicht…
Als würde ich nicht mal deinen Musikgeschmack kennen…
Es tut mir leid und es tut mir weh, aber ich kann mich nicht mal mehr mit dir an einen Tisch setzen und dir in die Augen gucken.
Ich weiß nicht, wie…