Am meisten nervte mich in dieser 14-monatigen Beziehung, dass ich letztlich immer die Blöde war. Damals hatte ich die manipulativen Kommunikationstechniken noch nicht recht gekannt, dafür habe ich sie dann selbst erfahren dürfen.
Ich liege neben ihm im Bett und fühlte mich wohl, aber auch ein wenig traurig und deprimiert, weil mir nach den ersten Monaten klar war, dass ich in dieser Beziehung am ausgestreckten Arm verhungere. Hunger nach seiner Zuwendung, seiner Bestätigung, seiner Liebe, der nie richtig gestillt wurde. Er steckt seine Nase in eine Zeitschrift, ich lieg daneben und möchte meine Traurigkeit vertreiben.
Ich fasse Mut und sage: ich würde gerne mal über ein Wochenende oder so mit Dir wegfahren. Das zu sagen kostete mich tatsächlich Überwindung weil ich eine Heidenangst vor Ablehnung hatte, die dann auch kam, wenn auch durch die Blume.
Zunächst Schweigen, dann grummelnd mit einer Grabesstimme ohne jede Emotion: Hmpppfff, können wir schon mal machen!
Über mir schlägt eine noch größere Welle von Traurigkeit zusammen. Eigentlich habe ich es ja gewusst, dass er da abwiegeln, ausweichen oder ablehnen würde, aber ich hatte ungefähr ein Prozent Hoffnung, dass vielleicht ...
Ich zieh mich in mich zurück und sagte scheinbar lässig:
Na, die Begeisterung ist ja riesig, Dann eben nicht.
Er sagt nichts und liest weiter. Später steht er auf und holt Semmeln. Als er zurück kommt, liege ich immer noch im Bett und gebe mich meiner Enttäuschung hin.
Er merkt sogar, dass ich sehr traurig schaue und erkundigt sich, warum das so sei. Ein kleiner Trost, er nimmt wenigstens wahr, wie es mir geht.
Ich sage nichts. Er: Du musst mir schon sagen, wenn etwas ist. Denn ich kann das doch nicht wissen.
Ich erwidere: Sag mal, ist Dir eigentlich klar, was Du eben gesagt hast? Du hast mich mit meiner Frage nach einer kleinen Reise auflaufen lassen.
Er tut nun auf Schönwetter und sagt: Ja, ich sagte doch, das können wir schon mal machen. Aber damit wertest Du unsere Beziehung ab!
Hä, ich? Wieso denn?
Indem Du sagst, dass Dir es Dir nicht reicht, wenn wir uns am WE sehen, sagst Du mir, dass das ungenügend für Dich ist. Damit wertest Du unsere WE ab.
Ja, klar. Ich musste das erst mal sacken lassen. Denn so hatte ich das noch gar nicht betrachtet. Indem ich einen Wunsch äußere, der mich seit Wochen beschäftigte, was er aber auch nicht wusste, werte ich das Gegenwärtige ab. Ich weiß nicht mehr, was ich daraufhin sagte.
Das ist eine manipulative Kommunikation, die Klein-Doofi also mir bei der Äußerung eines Wunsches die Schuld zuweist, weil ich die gegenwärtige Situation nicht genügend würdige. Ergo: meine Wünsche sind überzogen. Und was jetzt ist, genügt mir nicht.
Botschaft angekommen, Klein-Doofi beschließt, der Sache nicht viel Bedeutung beizumessen und den Tag nicht zu verderben mit überzogenen Ansprüchen und gezeigter Traurigkeit, die seine Stimmungslage beeinträchtigen könnte.
Die nächsten Monate fragte ich nicht mehr nach einer kleinen Reise zu zweit. Einige Monate später, als ich seine Kommunikaitonstechniken in -und auswendig kannte und gerade dabei war, mich aus meiner verzweifelten und untergeordneten Position hochzuarbeiten und mir einbildete, wir seien nun auf einem guten Weg, fragte ich ihn nochmals nach einer WE-Reise. Sinnigerweise am Telefon.
Er weicht aus und fragt: Jaaaaaa, ähh, wo würdest Du denn gerne hinfahren?
Ah ja, das war beliebt. Statt einer Antwort erfolgt eine Gegenfrage. Beliebte Technik, wenn man ausweichen will.
Ich: Das ist mir egal. Ob an den Bodensee oder in den Harz oder nach Wanne-Eickel. Ich stelle es mir einfach schön vor, mal zwei Tage mit Dir wegzufahren.
Das war mein Todesurteil. Er reagiert ausweichend und wir beschließen, am Montag nochmals darüber zu reden. Es war Freitag, als ich diese Frage stellte und wir würden uns dieses WE nicht sehen.
Am Samstag rief ich ihn an, wollte seine Stimme hören. Am Festnetz hebt keiner ab. Ans Handy geht er nicht. Er schickt auch keine SMS. Nichts, er ist einfach weg, 150 km entfernt. Ich versuche es nach Stunden wieder: Am anderen Ende keine Reaktion.
Am Sonntag probierte ich es erneut. Stillschweigen. Abgetaucht. Sorgen kommen auf: Wo steckt er? Vieleicht bei dieser S., mit der er sich auf dem Kongress angefreundet hatte und mit der er hinter meinem Rücken ein Treffen ausmachen wollte, der Drecksack!
Ich sehe ihn Händchen haltend mit ihr spazieren gehen oder Schlimmeres.
Vielleicht war diese S doch wichtiger als er gesagt hatte?
Eifersucht, dann Sorge. Vielleicht liegt er krank in seiner Wohnung? Vielleicht hatte er einen Schlaganfall und kann sich nicht melden? Vielleicht hatte er einen Unfall mit dem Auto und ist verletzt? Vielleicht hat er sein Handy verloren?
Verzweiflung macht sich in mir breit. Stunden später, das Handy gibt ein Signal. Er meldet sich schriftlich: Bin mit den Meirers unterwegs. Kann nicht reden.
Wenigstens war er nciht krank ... Aber so eine knappe Kommunikation! Kein Gruß, keine Anrede, das war nicht üblich. Ich beschließe, die Sache am Montag mit ihm zu besprechen.
Einen Tag später machte er Schluss, per Mail und weinte gefühlt ein paar Krodilstränen über sein erneutes Unvermögen, eine Beziehung zu haben. In Wirklichkeit war er erleichtert, mich endlich los zu haben. Der Bürde, meinen ausgesprochenen und unausgesprochenen Wünschen nach einer richtigen Beziehung zu entfliehen. Die Next wartete schon, aber das wusste ich damals noch nicht. Er wollte freie Bahn haben, sich mit ihr treffen, schöne Ding mit mir unternehmen, von denen ich meist nur träumte.
Ich war so blöd. Ich ließ mich von ihm klein machen, mich degradieren und Antworten auf brennenden Fragen gab es allenfalls halbherzig. Gegenfragen, Abwiegeln, Gegendarstellungen ließen mich an mir selbst zweifeln. Ich hatte ja schon als Kind gelernt, dass ich im Zweifelsfall Schuld bin. Und außerdem: Liebe muss man sich schon verdienen. Sie kommt nicht einfach so, nein, man muss sich mächtig ins Zeug legen um sie zu bekommen. Auch das tat ich bis zum Exzess.
Warum nur war ich so verblödet und verblendet? Das erschüttert mich heute noch.
Das hast Du falsch verstanden. Das habe ich doch nie gesagt. Das hast Du falsch aufgefasst. Das habe ich nie gemeint. Die Palette an verschwurbelten Äußerungen war groß und hatten immer nur den Zweck, mich ins Abseits zu stellen und seine Machtposition zu festigen. Das wiederum festigte auch meine Position zu seinen Füßen.
Ich fragte mich ständig selbst: Bist Du nun daran Schuld? Hat er vielleicht doch irgendwie Recht? Bin ich zu kleinlich, hypersensibel, eifersüchtig auf sein Leben, seine Autarkheit?
Ja, das wird es wohl sein. Ich war hypersensibel, total verletzich und fühlte mich oft ausgeliefert. Knetmasse in seinen Händen, wenn er mal wieder lieb war und immer auf der Suche nach Zuspruch und Anerkennung.
Das war ich, damals 47 Jahre alt und heute schäme ich mich dafür, das ich mit das und vieles andere habe gefallen lassen und im Zweifelsfall die Schuld bei mir suchte. Ich müsste so und so sein, dann ...
Nein, das hätte nichts geändert. Er brauchte Frauen wie mich, die sich unterordnen und die er klein halten konnte. Eine Partnerin auf Augenhöhe hätte er nicht ausgehalten.
12.02.2021 16:50 •
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