Liebe Traurige,
ich drücke dich auch mal in tröstender Absicht Die Selbstmordgedanken kommen und gehen und meistens nehme ich sie auch nicht ernst. Mein Arzt sagte wörtlich Das ist es doch nicht wert!
Meine Freunde sind auch zur Zeit ungeheuer hilfreich. Ich kann so oft anrufen, wie mir danach ist. Einer schaut regelmäßig nach mir und die Familie sorgt sich schon auch. Ist es nicht schlimm, das man mit dem Verstand so gar nichts ausrichten kann, wenn es richtig nach unten geht? Nachts bin ich tatsächlich mal von meinen eigenen Schrei aufgewacht und habe einen total schlimmen Heulkrampf gekriegt. In der Öffentlichkeit passiert das nicht, aber beim Arzt gingen heute dann kurzzeitig alle Schleusen auf. Er kannte sich mit diesem Kram natürlich gut aus und sagte, es sei inwischen ein weit breitetes Phänomen, dass besonders Frauen (!) stärker zu so solchen abrupten Trennungen neigten. Mag ja sein, aber was tröstet mich das? Eigentlich will ich sie nur wieder. Das mit dem Abfinden fällt mir total schwer, aber sie gibt uns keine Chance. Dabei hatten wir trotz vieler Schwierigkeiten, die uns von außen (beide geschieden) auferlegt wurden, eine wirklich gute Beziehung mit vielen vielen Gemeinsamkeiten und gerade in den letzten Wochen hatte ich den Eindruck, dass wir nun endlich mal mit einer schönen Zukunft rechnen können würden. Dann also das Aus ohne Vorwarnung, keine Heimlichkeiten, nur die plötzliche unmittelbar umhauende neue Liebe, die eben jetzt Vorrang vor allem anderen hat. Wir können uns ja später in anderer Weise wiede begegnen, meint sie. Na, schauen wir mal, ob das dann möglich sein wird. Auf jeden Fall kann ich wohl auf lange Zeit keine neue Beziehung eingehen, weil diese gerade beendete für mich das Absolute war, für dass ich alles getan hätte. Genau das war wohl auch ein Fehler: Sie wollte mehr Widerstand, mehr heftigen Streit (obwohl ich auch nicht zu soft bin, aber eben nur selten mit dem geliebten Menschen Streit austragen möchte), klare Gegenwehr zu sich selbst. Ich bin in allen Jahren unserer Beziehung wohl auf zu viele Kompromisse eingegangen: vor zwei Jahren hat sich mich aus dem gemeinsam bewohnten Haus geschickt, weil es plötzlich zu eng war. Gut, sie hatte damit REcht, denn wir lebten mit ihren drei Kindern in einem wirklich kleinen Haus. Meine Wohnung liegt nur zwei Fußminuten entfernt, es war also kein großer Akt. Nun von solchen Kompromissen gab es einige, aber eigentlich haben sie nur noch dazu beigetragen, dass sie nicht zufrieden war. Allerdings gilt das für alle Lebensbereiche. Ihre Vollzeitstelle halbiert sie demnächst, um gleichzeit ein Franchise-Unternehmen mitzubetreiben. Ihr Moto ist Man muss sich immer verändern. Stillstand ist Tod. Nichts gegen Veränderungen aber warum muss das immer so plötzlich und drastisch sein? Was will eine kluge und emanzipierte Frau, wenn sie vor ihrem Lebenspartner keine Respekt mehr zu haben glaubt, weil er sie nicht anschreit? Die Geschichte wäre noch sehr lang. Vielleicht schreibe ich sie mal weiter. Mich interessiert deine Meinung, Traurige. Du bist schließlich auch ein kluger Mensch (wie ich aus deinen Beiträgen sehe).
Und dann drücke ich dich einfach nochmal so zwischen Tür und Angel bzw zwei Beiträgen. Vielleicht tut dir das gut.
06.06.2005 20:54 •
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