Dieser Moment kurz nach dem Aufwachen, wenn die Erinnerung wie ein Hammer einschlägt...
Ich habe gestern mein Möglichstes getan alles, was mich massiv erinnert, aus dem Sichtfeld zu entfernen. Die Fotos, geschenkte und geliebte Bücher, Erinnerungsstücke. Ich bezog das Bett frisch, damit es nicht nach ihm riecht. Er hat seine Weihnachtsgeschenke zurückgelassen, die ich mit so viel Liebe für ihn ausgesucht habe. Sein Wasserglas auf dem Tisch. Alles weggeräumt, als hätte es die letzten Tage, die schönen Zeiten nicht gegeben. Es ist immer die Krux dass die guten Erinnerungen mehr schmerzen als die schlechten.
Eine spontane Reise nach Paris, vom Gedanken bis Beginn nur zwei Stunden. Das Handtuch, aus dem Hotel stibitzt, in meinem Bad. Wir sind viel gereist, von überall habe ich Dinge mitgebracht, alles Relikte einer verdammt schönen Zeit.
Ob ein Spaziergang am Meer je ohne Gedanken an ihn möglich sein wird?
Wir waren nie füreinander bestimmt. Wir hatten unsere Zeit, die ihre Berechtigung hatte und die ich nicht bereue.
Wir haben uns gegenseitig gut getan. Am Anfang. Ich wäre ohne ihn nicht, wo ich heute bin.
Mein Umzug, weg aus dem alten Haus in dem so viel schlimmes passiert ist. Ohne den Mut, den er mir zusprach, hätte ich das wohl nicht umgesetzt.
Drei nennenswerte Beziehungen hatte er in den letzten 30 Jahren, alle Frauen haben ihn verlassen weil sie von ihm nicht das bekamen, was sie sich für die Zukunft erhofften. Nun reihe ich mich ein. Aus ähnlichen Gründen. Was wird das mit ihm machen? Wird es ihm gut gehen? Ich hoffe es.
Ich habe alle Nummern und Social Media blockiert. Er würde sich ohnehin nicht melden, er fühlt sich von Grund auf ungerecht behandelt und kümmerte sich auch in jedem Konflikt einzig um sich selbst. Er kümmerte sich immer zuerst oder einzig um sich selbst. Tagelanges Abtauchen war vollkommen normal, wenn es Probleme gab. Ich glaube, ich habe in seiner Wahrnehmung einfach aufgehört zu existieren, bis er für sich selbst wieder hergestellt war. Immer musste ich allein durch diese Zeit. Es war nie von Bedeutung wie es mir damit geht.
Ich brauche keine Kontaktaufnahme befürchten.
Doch sehe ich ihn noch in meinem Bett liegen, mit der Lesebrille auf der Nase, sein Buch in der Hand. Die Decke seitlich eingerollt, damit der Arm halt hat. Die eigensinnige Locke über seinem Ohr abstehend.
Ah, das tut weh.
Wir hatten nicht viel Zeit zusammen. Die längeren Zeiträume waren während der beiden Urlaube, dort waren wir immer in Aktion.
Dieses Bild von ihm in meinem Kopf, lesend, in Shirt und Jogginghose auf dem Bett. Das beschreibt am intensivsten was ich mir gewünscht habe. Das selbstverständliche Sein beim anderen. Gemeinsam, aber auch jeder mal für sich. Die Möglichkeit nach ihm zu rufen, zu wissen er ist da. Den Kaffee am Morgen im Bett trinken. Ein Abschiedskuss und wissen, sich ein paar Stunden später wiederzusehen. Den Schlüssel in der Tür zu hören.
Der Schlüssel... nach meinem Umzug im Frühjahr gab ich ihm einen. Er sollte hier kommen und gehen können als wäre er hier zu Hause.
Er hat ihn nie benutzt. Er klingelte immer.
Ich fragte mal, warum.
Du bist doch da. Ich brauche den Schlüssel nicht.
Der Schlüssel lag immer im Handschuhfach des Autos, bis ich ihn zurück verlangte, weil ich ihn einer Freundin gab die meine Katzen während des Urlaubs versorgte.
Er wollte ihn nie zurück.
Er war Gast in meinem Leben. Er kam auf Besuch und ging in das seine zurück. Dorthin, wo es nett war zu wissen dass es mich gibt, aber ich nicht benötigt wurde.
Ich frage mich, welche Wunden zuerst aufhören werden zu schmerzen.
Die, die die Lücke die er hinterlässt verursacht, oder die die entstanden sind aus dem großen Wunsch sich wirklich nah zu sein, aber nie nah zu kommen.
Ich habe es ihm vor einigen Wochen gesagt, gesagt ich habe noch immer das Gefühl er sei nicht wirklich ganz bei mir.
Ich frage mich, warum ich aus der Erkenntnis nicht schon früher einen Schluss gezogen hab. Es hat sich nicht drastisch geändert, es war immer wie es war. Seis drum, es ist nun wie es ist.
Diese Trennung wird schwerer als die zuvor, weil es nichts zu hassen oder vorzuwerfen gibt. Ich habe nur die Erkenntnis, dass was wir hatten nicht ausgereicht hat, dass wir uns unterschiedliche Dinge wünschten.
Ich wäre so gern sein Ankerplatz gewesen.
Ich bin seit einer Stunde wach. Ich bin nicht sonderlich diszipliniert, vielleicht sollte ich mir einen Plan für den Tag machen um ihn zu überstehen, aber ich würde mich eh nicht daran halten.
Zwei enge Freunde habe ich, mit denen ich gern reden würde, aber der eine würde nur zuhören und nichts sagen können, die andere steckt bis zur Oberkante der Oberlippe in viel größeren Schwierigkeiten und ich kann sie nicht belasten. Irgendwie fühle ich mich so verloren.
Ich hoffe, das Gefühl nimmt schnell ab, denn ich möchte so gern klar in meinen Gedanken bleiben um nicht wieder zurück in die Depression zu fallen.
Mir das alles von der Seele zu schreiben tut schon mal gut.
28.12.2019 07:28 •
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