Neue Partnerbeziehungen
In den ersten ein, zwei Monaten nach der Trennung haben Getrenntlebende in der Regel relativ wenig Kontakt zu S. - sofern nicht ein außereheliches Verhältnis fortgesetzt wird. Sie sind sich oft nicht im Klaren, ob die Trennung endgültig ist und ob sie für neue Beziehungen frei sind. Die Mehrheit beginnt innerhalb von sechs Monaten nach der Trennung mit der Partnersuche. Ausnahmen sind vor allem Getrenntlebende, die noch starke Bindungen an den Ehegatten verspüren, intensiv mit sich selbst (ihrem Leiden, der Selbsterkenntnis, dem Aufarbeiten der Vergangenheit usw.) beschäftigt sind, in der Beziehung zu ihren Kindern aufgehen, ein starkes Misstrauen gegenüber dem anderen Geschlecht entwickelt haben oder große Angst vor Zurückweisung oder einem erneuten Scheitern haben.
Viele Personen, insbesondere wenn sie lange verheiratet waren, fühlen sich bei der Partnersuche sehr unsicher. Sie wissen oft nicht, wo sie potentielle Partner treffen und wie sie mit ihnen Kontakt aufnehmen können. Auch bezweifeln sie häufig, dass sie auf andere Personen (s.uell) attraktiv wirken. Ihre Ängste, Zweifel und Schuldgefühle äußern sich in neuen Beziehungen vielfach in der Form s.ueller Probleme.
Generell lassen sich mehrere Verhaltensmuster bei der Partnersuche beobachten. So erleben viele Getrenntlebende eine zweite Adoleszenz: Sie wechseln häufig ihre Partner und experimentieren mit verschiedenen Ausdrucksformen von S.. Sie wollen sich selbst bestätigen, dass sie noch begehrenswert sind und mit jüngeren Konkurrenten mithalten können - oft suchen sie sich sehr viel jüngere Partner. Getrenntlebende, die sich als wenig attraktiv und liebenswert erleben oder aufgrund ihrer Vorerfahrungen ein niedrigeres Anspruchsniveau haben, akzeptieren auch S., mit denen sie normalerweise keinen Kontakt aufnehmen würden. Da rasch wechselnde s.uelle Beziehungen das Bedürfnis nach Intimität nicht befriedigen und oft als enttäuschend oder desillusionierend erlebt werden, ändern viele bald wieder ihr S.. Auch steigt mit der Zeit das Anspruchsniveau wieder an. Die Getrenntlebenden suchen dann nach längerfristigen und intensiveren Beziehungen. Manche ändern ihr Verhalten jedoch nicht, weil sie große Bindungsängste haben, keine neuen Verpflichtungen übernehmen wollen oder ihre Kinder allein erziehen möchten.
In anderen Fällen haben die Getrenntlebenden schon vor der Trennung eine enge, intensive und intime Beziehung gefunden oder gehen eine solche so bald wie möglich ein. Sie erfahren in ihr Liebe, Zuneigung, Verständnis und Empathie, können in ihr die gescheiterte Ehe aufarbeiten und vergessen. Viele suchen auch von Anfang an einen neuen Ehepartner, insbesondere wenn sie sich einsam fühlen und mit sich selbst nichts anfangen können, wenn sie materielle Probleme haben oder es als schwierig erleben, Berufstätigkeit und Erziehung miteinander zu vereinbaren. Haben sie Kinder, halten sie nach einem Partner Ausschau, der mit diesen gut auskommt, und integrieren ihn langsam in ihre Familie. Nur selten heiraten sie direkt nach der Scheidung. Auch führt nur in Einzelfällen eine außereheliche Beziehung zur Heirat.
Alters- und geschlechtsspezifische Unterschiede
Im Folgenden sollen einige alters- und geschlechtsspezifische Unterschiede herausgearbeitet werden. Während Personen, die noch relativ jung sind, nur kurze Zeit verheiratet waren und keine Kinder haben, sehr schnell in den Lebensstil von Singles zurückfallen, wenig Probleme mit der Partnersuche haben und leicht voneinander finanziell unabhängig werden, ergibt sich ein anderes Bild bei Ehepaaren, die lange zusammenlebten. In diesen Fällen wird die Trennung als ein großes Trauma und als Verlust an Lebenssinn erlebt, da die Partner viel in ihre Ehe investiert haben. Sie können ihren Lebensstil nur unter großen Schwierigkeiten ändern, weil es viele eingefahrene Verhaltensmuster und oft noch eine traditionelle Arbeitsteilung in der Familie gibt. So sind viele Frauen nicht erwerbstätig und haben aufgrund ihres Alters und mangelnder Berufserfahrung wenig Chancen auf dem Arbeitsmarkt - sie müssen von den Unterhaltszahlungen ihrer früheren Ehemänner leben, geraten oft in finanzielle Schwierigkeiten und erleben einen großen Statusverlust. Auch ist es für sie schwierig, ihr geschrumpftes Netzwerk auszuweiten. Ältere Männer erleben eine Trennung oft als Zeichen persönlichen Versagens. Sie besitzen aber zumeist eine sichere Selbstidentität und bessere coping-Strategien als jüngere Männer. Auch sind sie beruflich etabliert und können auf ausdifferenzierte Netzwerke zurückgreifen.
In der Regel ist es für Getrenntlebende schwer, ihren Kindern zu erklären, wieso sie sich nach mehr als 20 Ehejahren scheiden lassen wollen. Allerdings müssen sie weniger Rücksicht auf ihre Kinder nehmen, da diese selbständig und oft bereits finanziell unabhängig sind. Große Probleme bereiten aber die Beziehungen zu Schwiegereltern und deren Verwandten, da sie häufig im Verlauf der Zeit sehr intensiv geworden sind. Auch gibt es vielfach Schwierigkeiten bei der Aufteilung des Besitzes, weil er recht groß sein kann und an viele Dinge Gefühle und Erinnerungen geknüpft sind. Eine besondere Situation entsteht, wenn die Ehepartner bereits im Ruhestand leben. Dann muss die Rente geteilt werden (finanzielle Probleme), sind die Getrenntlebenden weniger anpassungsfähig, wird die nach dem Eintritt in den Ruhestand eintretende Reduzierung des Netzwerkes noch verstärkt, ist das Unverständnis bei Kindern und Enkeln besonders groß.
Die Trennung ist auch für Männer und Frauen mit unterschiedlichen Folgen verbunden. So haben erstere oft große Schwierigkeiten mit der Haushaltsführung, insbesondere wenn sie in einer Ehe mit traditioneller Arbeitsteilung lebten. Sie sind frustriert und mit sich selbst wütend, wenn sie mit einfachen Hausarbeiten nicht fertig werden. Da ihnen das Kochen Probleme bereitet, verschlechtert sich ihre Ernährung. Auch essen sie unregelmäßig und nehmen häufig Mahlzeiten am Imbissstand oder in Restaurants zu sich. Hinzu kommt, dass sie ihre Wohnung nicht mehr als Heim erleben, weil sie zumeist umziehen mussten, ihre neue Unterkunft als ungemütlich empfinden und sich in ihr einsam fühlen. Deshalb verbringen sie so viel Zeit wie möglich außer Haus, stürzen sich also zum Beispiel in die Arbeit oder in das Nachtleben. Selbstverständlich ändert sich diese Situation, sobald sie die Haushaltsführung beherrschen oder eine Partnerin gefunden haben. Im Gegensatz zu Frauen unterdrücken getrennt lebende Männer eher Gefühle der Trauer und des Schmerzes, aber weniger Emotionen wie Zorn und Hass. Auch sind sie häufig von der Stärke ihrer Abhängigkeitsbedürfnisse überrascht. Zumeist fällt es ihnen schwer, mit anderen über ihr Gefühlsleben zu sprechen, da dieses der männlichen Geschlechtsrolle widerspricht und weil sie oft keine wirklich engen Beziehungen zu gleichgeschlechtlichen Freunden haben. So beginnen sie bald mit der Partnersuche und sind dabei in der Regel erfolgreicher als Frauen, die hingegen leichter vertrauenswürdige Freundinnen finden.
Frauen zeigen nach der Trennung meist Gefühle wie Trauer, Reue und Angst; hingegen verdrängen sie aggressive Impulse. Ältere Frauen, die viel in ihre Familie investiert haben, werden häufig depressiv, da sie ihren bisherigen Lebenssinn verlieren. Sie erleben es oft auch als sehr schwierig, die zuvor von ihren Männern erfüllten Aufgaben zu übernehmen, insbesondere weil in ihren Familien seit langem bestimmte Muster der Arbeitsteilung praktiziert wurden. Sie fühlen sich in ihrer Rolle als Getrenntlebende lange unsicher, da sie von dem Mangel an Normen und Regeln über das Leben nach Trennung und Scheidung besonders betroffen sind (Anomie). Mit der Zeit entwickeln sie aber einen neuen Lebensstil, neue Hobbys und Freizeitaktivitäten. Jüngere Frauen erweitern ihr soziales Netzwerk und beginnen wieder mit der Partnersuche. Sie verändern oft ihr Aussehen, legen beispielsweise mehr Make-up auf, entscheiden sich für modernere Frisuren und kleiden sich entsprechend der neuesten Mode. Viele Frauen vernachlässigen aber auch ihre äußere Erscheinung und nehmen an Gewicht zu.
Heute wird von Frauen erwartet, dass sie sich nach Trennung und Scheidung selbst ernähren, sofern sie nicht Kleinkinder zu versorgen haben. Für ältere Getrenntlebende, die vor der Ehe nur niedrige berufliche Qualifikationen erworben hatten und dann Hausfrauen wurden, ist es jedoch sehr schwer, eine adäquate Stelle zu finden. So erleben sie oft einen starken sozioökonomischen Abstieg. Da sie ihre Position in Abhängigkeit von dem Beruf ihres Mannes definiert haben, bedeutet die Trennung für sie zugleich einen großen Status- und Selbstwertverlust. Aber auch Frauen, die nur schlecht bezahlte Teilzeitarbeit ausüben beziehungsweise finden, müssen große Einbußen in ihrem Lebensstandard verkraften. Sie haben wenig Geld für die Ergänzung der Wohnungseinrichtung, für Freizeitaktivitäten und Urlaubsreisen; oft benötigen sie staatliche Hilfen. Sozialer Abstieg, Arbeitslosigkeit und materielle Probleme verschärfen noch die Folgen der Trennung und führen zu einer schlechteren Anpassung an die neue Situation. Hinzu kommt, dass sich das Los von getrennt lebenden oder geschiedenen Frauen ohne adäquate Berufsausbildung zumeist im Verlauf der Zeit kaum bessert.
Jüngere Frauen haben heute in der Regel eine gute Schulbildung genossen und eine Berufsausbildung abgeschlossen. Sofern sie zum Zeitpunkt der Trennung nicht mehr erwerbstätig sind, finden sie leicht eine neue Stelle. Auch haben sie mehr Möglichkeiten des beruflichen Aufstiegs, so dass sich ihre materielle Situation mit der Zeit verbessert. Allgemein lässt sich sagen, dass erwerbstätige Frauen eine Trennung psychisch besser überstehen, da die gewohnte Berufssphäre Kontinuität bietet, die Arbeit als Quelle von Befriedigungen und positiven Selbstwertgefühlen erlebt wird, finanzielle Notlagen seltener auftreten und Kollegen vielfach verständnisvoll und hilfreich sind. Vor allem ältere erwerbstätige Frauen haben oft nach der Trennung weniger Probleme, da sie im Beruf gelernt haben, ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen und Entscheidungen zu fällen.
Besonders problematisch ist die materielle und berufliche Situation von Getrenntlebenden, die Kinder haben und diese versorgen müssen. Hier handelt es sich in den weitaus meisten Fällen um Frauen. Da die Kinder zum Zeitpunkt der Trennung in der Regel noch recht jung sind (die meisten Ehen werden im ersten Ehejahrzehnt geschieden), haben viele Mütter ihre Erwerbstätigkeit aufgegeben oder auf Teilzeitarbeit beschränkt. Im ersten Fall erleben sie es als schwierig, eine mit der Kinderbetreuung zu vereinbarende Stelle zu finden, und sind oft lang arbeitslos. Aber auch im zweiten Fall müssen sie häufig mit der Arbeitssuche beginnen, wenn das Erwerbseinkommen sehr niedrig ist. Die schlechte materielle Situation bedingt, dass manche Mutter nach der Trennung das Sozialamt aufsuchen muss. Oft erlebt sie diesen Gang als Erniedrigung, Kränkung und Ausdruck des Versagens. Zudem kommt es immer wieder vor, dass Unterhaltspflichtige ihren Verpflichtungen nicht oder nur teilweise nachkommen. Bei Kindern unter 12 Jahren springt dann unter bestimmten Umständen der Staat ein: Dann wird Unterhalt nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) für die Kinder gezahlt.
Erwerbstätige Getrenntlebende mit Kindern haben wohl weniger finanzielle Probleme, sind aber häufig überlastet und am Ende ihrer seelischen und körperlichen Kräfte. Dieses gilt vor allem für solche Personen, die erst zum Zeitpunkt der Trennung wieder erwerbstätig werden. So macht die Familie zunächst einen desorganisierten Eindruck: Die Wohnung wirkt unordentlich und ungepflegt; die Familienmitglieder essen unregelmäßig und selten gemeinsam; Bettzeiten werden nicht eingehalten; die Kinder kommen zu spät in Kindergarten oder Schule. Besondere Schwierigkeiten macht auch die Betreuung kleinerer Kinder, da es an Plätzen in Kindertagesstätten und Horten mangelt und da die Öffnungszeiten dieser Einrichtungen vielfach zu kurz sind. Grundschüler haben unregelmäßige Schulzeiten; zudem gibt es zu wenig Ferienangebote für sie.
Erschwerend kommt hinzu, dass viele Mütter nach der Trennung mit ihren Kindern umziehen. Besonders häufig wechseln sie vom Land in die Stadt, da es dort mehr Berufsmöglichkeiten für Frauen gibt, weil die Kinderbetreuungsangebote in der Stadt besser sind und da sie in der dörflichen oder kleinstädtischen Umgebung stärker diskriminiert werden. Aber auch in größeren Städten werden sie mit Vorurteilen konfrontiert und bei der Wohnungssuche benachteiligt. Zumeist dauert es recht lang, bis sie sich von der negativen Haltung ihrer Umwelt distanzieren können. Insbesondere nach einem Umzug, oder wenn sie wegen der Versorgung kleinerer Kinder nur selten die Wohnung verlassen können, fühlen sich Getrenntlebende einsam und isoliert - wobei diese Emotionen besonders stark bei nichterwerbstätigen Elternteilen auftreten. Sie haben wenig Kontakt zu anderen Erwachsenen und wenig Freizeitmöglichkeiten. Hinzu kommt, dass sich Mütter häufig als unattraktiv erleben und deshalb in die Partnersuche wenig Energie investieren.
Eine problematische Situation kann entstehen, wenn Getrenntlebende mit Kindern zu ihren Eltern ziehen. Wohl sind Probleme finanzieller Natur und hinsichtlich der Kinderbetreuung größtenteils gelöst; die neue Situation kann aber viel Konfliktstoff enthalten. So wetteifern Mütter und Großmütter oft miteinander, wer am besten die Kinder erziehen kann. Vielfach kommt es auch zu Auseinandersetzungen, wenn sie unterschiedliche Erziehungsstile praktizieren oder favorisieren. Außerdem lehnen es manche Großmütter ab, ihre Enkel zu bestrafen. Selbst wenn sie zu diesen zuvor ein positives Verhältnis hatten, empfinden sie das Zusammenleben mit ihnen oft bald belastend und überfordernd. Sie haben mehr Arbeit, erleben mehr die negativen Seiten ihrer Enkel und geraten häufiger mit ihnen in Auseinandersetzungen. Schließlich kann sich problematisch auswirken, wenn die Mütter wieder eine Tochterrolle einnehmen und einen großen Teil ihrer Erziehungsfunktion abtreten. Sie werden dann zu älteren Schwestern ihrer Kinder, die vielfach Orientierungsprobleme haben, Loyalitätskonflikte empfinden oder den Eindruck gewinnen, dass sie nun auch noch den zweiten Elternteil verloren haben. Natürlich kann sich diese Situation aber auch positiv entwickeln, zum Beispiel wenn die Großeltern einen großen Teil der aus der Trennung resultierenden Probleme auffangen und den Kindern viel Liebe, Verständnis und Empathie entgegenbringen.
Abschließend soll noch kurz auf die Situation von sorgeberechtigten Vätern eingegangen werden, deren Zahl immer mehr zunimmt. Sie erleben zum einen ähnliche Probleme wie die zuvor beschriebenen. Erschwerend kommt aber zum anderen hinzu, dass sie in der Regel nur schlecht auf ihre Rolle als Haupterzieher der Kinder vorbereitet sind, da in den meisten Familien noch immer die Mütter den größten Teil der Erziehungsfunktion ausüben. So müssen die Väter oft erst die alltäglichen Aufgaben der Versorgung, Pflege und Erziehung von Kindern erlernen. Hinzu kommt, dass sie es schwer haben, ihre Hilfsbedürftigkeit in diesem Bereich vor sich und anderen einzugestehen. Viele Väter, die sich in dieser Situation befinden, suchen besonders intensiv nach einer neuen Partnerin, die ihnen die Last der Kindererziehung und Haushaltsführung abnehmen soll. Bei einem hohen Einkommen lassen sie sich dazu aber mehr Zeit, da sie zum Beispiel eine Kinderfrau einstellen können. Väter, die kleine Kinder versorgen und deshalb ihren Beruf aufgeben müssen, erleben einen besonders starken wirtschaftlichen und sozialen Abstieg. Häufig fühlen sie sich von ihrer Umwelt geächtet.
Beziehung zwischen getrennt lebenden Ehegatten
Von großer Bedeutung für das psychische Wohlbefinden ist auch die Beziehung zum ehemaligen Partner. Sie muss individuell und aktiv bestimmt werden, da diese Rolle gesellschaftlich nicht definiert ist. Erschwerend kommt hinzu, dass das soziale Umfeld Kontakte zwischen früheren Ehegatten negativ sieht. Dennoch gelingt es vielen Personen, nach der Trennung eine wenig belastende Beziehung zum ehemaligen Partner aufzubauen. Das ist besonders häufig der Fall, wenn sie sich gemeinsam für die Scheidung entschieden haben und ohne größere Konflikte auseinander gegangen sind. Sie können in der Regel Beschlüsse über die Aufteilung des Eigentums, die Unterhaltsregelungen und die Erziehung der Kinder (Sorgerecht) auf rationale Weise fassen.
In vielen Fällen spüren Getrenntlebende noch starke positive Gefühle füreinander. Hier wird deutlich, wie stark die Bindungen an den früheren Partner noch sein können. Vor allem Männer erkennen oft jetzt erst ihre Abhängigkeitsbedürfnisse, derer sie sich vor der Trennung nicht bewusst waren. Auch viele Initiatoren stellen zu ihrer eigenen Überraschung fest, dass sie ihre früheren Partner vermissen und sich allein fühlen. Hinzu kommt, dass bestimmte Situationen und Gegenstände immer wieder die Erinnerung an den früheren Partner wecken. Es ist offensichtlich, dass für Personen mit intensiven Bindungen und verbleibenden positiven Gefühlen die Trennungssituation besonders belastend ist.
Das Wohlbefinden von Getrenntlebenden ist fraglos stark beeinträchtigt, wenn es zu häufigen Auseinandersetzungen mit dem früheren Partner kommt. Dabei brechen oft heftige negative Emotionen hervor, mangelt es an Urteilsvermögen, gerät das Verhalten leicht außer Kontrolle, führt jede zu klärende Frage zu einem Machtkampf. Häufig kommt es zu Kommunikationsstörungen (wie Inkongruenz oder Fehlen von Rückmeldung), wird über Dritte kommuniziert, die leicht Botschaften verzerren und eine Eskalation von Konflikten hervorrufen können. Viele Getrenntlebende denken das Schlechteste über ihren ehemaligen Partner, begegnen ihm mit tiefstem Misstrauen und weisen ihm die Schuld für die Trennung und alle von ihnen derzeit erlebten Belastungen zu.
Unter diesen Bedingungen können viele nach der Trennung anstehende Fragen nicht rational geklärt werden. Dennoch müssen vorläufige Regelungen hinsichtlich der Aufteilung des Besitzes, des Ehegatten- beziehungsweise Kindesunterhalts und des Verbleibs der Kinder (Sorge- und Besuchsrecht) getroffen werden. Dieses ist in solchen Fällen oft nur unter Einschaltung von Rechtsanwälten, Gerichten und Jugendämtern möglich. Dabei werden viele Konflikte auf dem Rücken der Kinder ausgetragen: So mag der Elternteil, bei dem die Kinder leben, Besuchs-, Brief- und Telefonkontakte zu dem abwesenden Elternteil zu unterbinden versuchen, weil der ehemalige Partner keinen oder nur einen Teil des Unterhalts zahlt, den Betrag zu spät auf das Konto überwiesen oder die Besuchsregelungen nicht eingehalten hat. Oft handelt er auch so, weil er die Elternrechte des früheren Ehegatten nicht anerkennt, dessen Erziehungs- oder Lebensstil ablehnt oder seiner Wut auf ihn Ausdruck verleihen will. Oder er kann vielfach nicht akzeptieren, dass die Kinder den abwesenden Elternteil lieben, oder befürchtet, dass er sie an ihn verlieren konnte. Dieser mag in solchen Fällen die Kinder aufhetzen, indem er ihnen attraktive Freizeitunternehmungen bei Besuchen in Aussicht stellt und deren Undurchführbarkeit beklagt.
30.10.2004 08:37 •
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