Danke.
Im Moment hab ich keine Reserven übrig für mehr als Job, kranke Schwester, bisschen in der Wohnung herumpusseln. Ich hab Urlaub, den ich dafür nutze, im Krankenhaus zu sein, weil die Prognose meiner Schwester nicht so klasse ist und sie jemanden braucht, der einfach da ist. Und sie ist eh so tapfer. Da rinnt eine kleine Träne aus dem Augenwinkel, wenn der Arzt sagt- sorry, die Tumore und Metastasen sind inoperabel, wir haben nur geguckt und nichts gemacht. Wenn ich denke, wobei ich ganze Tränenmeere vergieße...shame on me. Der gestrige Tag war einfach shice. Die Aussagen der Ärzte, die Aussicht auf Chemo bis zum Abwinken, dann hab ich Depp noch das Auto in der Tiefgarage ewig nicht gefunden und bin noch gestolpert und auf mein Knie gekracht und habs kaum heimgeschafft. Und dann sitz ich im Bett, hellwach und kann das Gedankenkarussel nicht abstellen.
Ich muss das einfach mal loswerden. Ich überlege immer, warum ich solche Schuldgefühle habe und mir jeglicher Selbstwert so flöten gegangen ist. Ich meine, ich war ja nicht die mit dem Fremdverliebtsein, das war schon das Ehegespenst, wenn ich mich recht erinnere.
Ich dachte immer, ich hätte eine glückliche Ehe. Trotz unserer so unterschiedlichen Naturelle und WE-Ehe und alldem Kram.
Er wollte gerne weg von den Finanzen und in der Fliegerei arbeiten, also sind wir den raren Fliegereijobs quer durch Deutschland hinterher gezogen und ich hab immer dort, wo wir gerade wohnten, versucht meine Kunst zu machen und hab um sie zu finanzieren und auch sonst dazuzuverdienen, allerhand Jobs gemacht- von Tagesmutter bis Kunstschule, VHS und weißderGeier. Ich bin ehrlich gesagt richtig gut und keine- nicht böse gemeint- malende Hausfrau, die sich ihre Leinwände vom Männe finanzieren lässt und bisschen pinselt. Ausgaben für Material, Werbung, Markstand gingen von meinem Jobkonto ab. Gemalt, geschrieben und modelliert habe ich anfangs nachts, wenn die Kinder im Bett waren. Am Küchentisch oder im Keller und einer Ecke im Arbeitszimmer, also nix schniekes Atelier oder so. Braucht man ja auch nicht. Manchmal wenn etwas über mich in der Zeitung war oder wenn mal jemand meine Bilder oder den Keramikkram gesehen hat und oh wow ist ja Wahnsinn sagte, hat er oft mit einem naja, Geld bringt das nicht ein oder naja, ihre Eltern und Geschwister nennen sich zwar Künstler, aber beziehen alle Sozialhilfe reagiert. Was nicht stimmte, btw. Also das mit meiner Familie und der Sozialhilfe. Als Jugendlicher ist er da aber gerne rumgehangen weil es so schön anders war als seine Spießerklitsche daheim, mal boshaft gesagt.
Ich hab- wie jetzt halt auch- alles gemacht, um zu ermöglichen, dass ich das tun konnte, was ich am besten kann- also überall gearbeitet wo es ging, um dazuzuverdienen und mir meine Selbstständigkeit aufzubauen, so gut es ging. ZumSchluss als die Kinder alle groß waren, fing es an zu laufen. Also monatlich so viele Schüler und Aufträge dass Geld übrig blieb und der Keramikkram fing an sich zu etablieren.
Ich hatte ja vorher, 2012, explizit gefragt, ob wir das so machen könnten, ob es ok wäre, dass ich mich darauf konzentriere. So wie er sich 100% auf seinen Job konzentriert hat.
Und ich dachte ehrlich gesagt, er hat das ernst gemeint als er sagte- ja ok, mach das. Wir hatten WE-Ehe damals, schon sechs Jahre lang wieder mal, Haus und Garten waren meine Aufgabe, Kinder waren da schon weniger betreuungsintensiv.
Was er mir jetzt und auch schon vorher vorgerechnet hat ist, dass ich nie vorhatte, die Familie zu unterstützen, dass ich einzig an meine Kunst gedacht hätte und er gute Miene zum bösen Spiel gemacht hat weil ich sonst nicht glücklich gewesen wäre. Dass ich ihn, um meine Ziele zu verwirklichen, ausgenommen und ausgenützt hätte.
Ich hatte eine Zeit danach- jetzt wird es bisschen besser- da konnte ich ehrlich gesagt kaum mehr meine Bilder anschauen, geschweige denn an meinem Kram arbeiten. Das hat sich angefühlt als wäre alles sinnlos, ich die letzte Pfeife, wertlos, blöd, häßlich.
Und dass ich arrogant und eingebildet wäre, was meine Arbeit(en) angeht. Und ein Träumer. Das stimmt einfach nicht.
Ich arbeite im Moment in der Töpferei und das gerne, bezahlt mir ja meine Miete etc- und da sitze ich nicht verträumt an einer Scheibe und mache was mir mein Genius so grade eingibt, sondern ich verwirkliche acht Stunden und quasi fast im Akkord die kreativen Ideen meiner Chefin und wer schon mal acht Stunden an einer Stanzmaschine gestanden weiß wie danach die Knochen ächzen. Oder 10 Stunden täglich am Weihnachtsmarkt. Macht mir alles nichts aus, ich hab die besten Kollegen ever und die beste Chefin. Eine arrogante Träumerin mit zwei linken Daumen hätte die nicht genommen.
Das hat mich so so so sehr gekränkt. Ich hab nie angegeben, ich hab sogar nie groß darüber geredet, ich hab nie die Kinder vernachlässigt oder das Haus. Oder ihn.
Und dann fiese kleine Bemerkungen in den letzten Jahren seit unserer Trennung. Was ihn gestört hat an mir- wenn ich schon mal danach frage. Die Art wie ich mir eine Zig. anzünde und minutenlang ins Leere starre mit einem Stift in der Hand, wie weggebeamt. Ständig irgendwo ein verdammter Pinsel, entweder in meinen Pferdeschwanz gesteckt oder im Haus verteilt. meine ewig schwarzen Klamotten.Und meine dreckigen jeans. Und meine Fingernägel, immer irgendwie Tinten oder Ton oder Farbe dran oder drunter. (Stimmt nicht) Und ich- entweder gut drauf oder von Selbstzweifeln zerfressen, nicht einfach mal nur normal und ausgeglichen und fröhlich wie...naja andere Leute. Meine Kaffeetassen überall. Meine exzessiven Gartenideen. Meine verdammte Träumerei. Meine abgefahrenen Gedanken und Geschichten. Dass ich nie normal war.
Das geht wie eine Litanei in meinem Kopf auf und ab, manchmal tagelang.
Ich bin davor weggerannt, als ich die Affäre mit einem anderen Mann anfing nach unserer Trennung- oder fast gleichzeitig mit unserer Trennung. Als hätte ich jemanden gesucht, der mich so liebt wie ich bin. Bei dem ich so sein konnte wie ich bin. Ging jetzt nicht ganz so klasse aus, aber egal.
Das sind meine Schuldgefühle. Im Grunde gebe ich ihm oft recht, in Gedanken. Ich hab nie gelernt, mit ihm zu streiten. Ich dachte nie, dass ich das müsste.
Ich hab Tage, an denen ich weiß, ich schaffe das alles- ich zieh es durch, ich zieh die Scheidung durch, ich fange wieder an Malerei und Kunst zu unterrichten wie vorher - nach der Arbeit in der Töpferei, ich hab wieder Ausstellungen, ich fühle mich wohl in meiner Wohnung hier auf dem Hof, ich schaffe das alles ganz einfach.
Und dann hab ich Tage, an denen möchte ich mich nur verkriechen und gar nicht mehr kämpfen und bloß ja und amen sagen, damit es rum ist und dann einfach schauen, dass ich meine Zeit rumkriege. Das sind die Tage, an denen mir die oben genannte Litanei im Kopf herumgeht und mir Szene für Szene aus meiner Ehe einfällt bei der mir schon hätte einfallen können dass ich einfach ein Fail bin. Oder ich hätte merken müssen dass wir nicht zusammen passen. Oder was auch immer. Das ist wie ein lähmender negativer Gedankenstrudel.
Und das Ding ist, den Gedankenstrudel kann ich gerade nicht brauchen, weil jetzt klarer Kopf angesagt und klare Ansagen.
Ich glaube, deswegen wollt ich einfach mal alles aufschreiben, vielleicht kann ich es mir dann wegschreiben. Muss man ja nicht durchlesen.
01.10.2019 12:43 •
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