Hallo Fremder,
denn so wirkst du auf mich.
Die Nacht ist dunkel, draußen ist es kalt und du liegst jetzt warm, still und fest schlafend, deinen Dickmann verdauend, in deinem Bett und schläfst. Das einzige was dich bewegt, sind deine Verdauungsstörungen, welche dein Dickmann in dir auslöst, welchen du in einer gelangweilten Stunde genossen hast, während andere Menschen, welche nicht in deiner Situation waren und vor lauter Kummer und Gram keinen Bissen hinunter bekommen haben.
Aus deiner Sicht der Dinge und aus deinem Gefühlsleben heraus, stellt sich Liebeskummer und Trennungsschmerz so dar, als ob man ihn mit einem großen Biss und einem Eischnee umrundeten Mund einfach runterschlucken kann.
Mir scheint, als ob du noch nie das Gefühl der Verwirrtheit gefühlt hast. Die Logik sagt dir, dass dir dieser Mensch nicht gut tut und du weißt wohl, dass es besser wäre, wenn du von ihm lassen würdest.
Aber ich bin mir sicher, dass du noch nie an einen geliebten Menschen gedacht hast, während aus den Boxen deine Lieblingsmusik leise säuselt und du an diesen Menschen denkst.
Wenn dir der Wein langsam zu Kopf steigt und du dich an die wunderbaren Stunden mit diesem Menschen erinnerst. Gefühle und Neigungen sind so nah, dass du sie ganz nah spüren kannst. Es gehört keine große Fantasie dazu. Du musst dich nur fallen lassen und dich diesem herrlichen Gefühl zugänglich machen können.
Alles dies jedoch, ist dir beim Schreiben dieser Zeilen versagt geblieben. Du weißt nicht, wie es ist, wenn man liebt und man sich bewusst ist, dass der Mensch, welchen man geliebt hat oder noch immer liebt einem sehr nahe ist. Du hast kein Gefühl dafür, wie es ist, wenn man diesem Menschen so nahe ist, dass man ihm seine Fehler und Fehltritte verzeihen mag. Du weißt nicht, wie es sich anfühlt, wenn man keine Entscheidungsmacht hat, wenn man vor eine Entscheidung gestellt wird und jemand die Entscheidung für dich getroffen hat, eine Liebe zu beenden.
Du bist arm. Arm an Gefühlen und arm an Anteilnahme. Dein Denken und handeln ist lediglich rationell gesteuert. Während ich hier sitze, Projekt Rilke höre und versuche, diese schweren Worte zu verdauen, verdaut dein gequälter Körper lediglich einen Dickmann. Du kommst mir vor, wie die Frankfurter Börse, welche von der Wallstreet abhängig ist und nie ein eigenes Leben, leben wird.
Ich bin dir dankbar für deinen Eintrag, weil er mir auch nach so vielen Jahren der Trennung immer noch zeigt, dass ich nie so werden, handeln und denken möchte wie du.
Heute, wenn der Tag hell strahlt, dann wirst du diese Zeilen lesen. Verstehen wirst du sie nicht oder nur bedingt, weil du nicht das fühlen und spüren kannst, was ich in diesen Stunden spüren werde.
Es ist spät und langsam werde ich müde. Die Finger wollen nicht mehr so, wie ich es mir wünsche und ich muss öfter korrigieren um dieses Posting zu Ende zu bringen. Kannst du das fühlen?
Nein, dass kannst du sicher nicht und du wirst auch nie wissen und fühlen, was ich empfinde oder je empfunden habe. Ich jedoch weiß, dass einige andere hier diese Zeilen nachempfinden werden, so, wie ich sie schreibe und fühle.
Du hast mein tiefes Mitgefühl und ich wünsche dir von Herzen, dass du niemals diesen Schmerz, welchen viele hier sehr intensiv gespürt haben, verspüren mußt.
Ernste Stunde
Wer jetzt weint irgendwo in der Welt,
ohne Grund weint in der Welt,
weint über mich.
Wer jetzt lacht irgendwo in der Nacht,
ohne Grund lacht in der Nacht,
lacht mich aus.
Wer jetzt geht irgendwo in der Welt,
ohne Grund geht in der Welt,
geht zu mir.
Wer jetzt stirbt irgendwo in der Welt,
ohne Grund stirbt in der Welt:
sieht mich an.
Rainer Maria Rilke
21.01.2004 02:59 •
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