Dieser Text richtet sich an Frauen, die eine Affäre mit einem verheirateten Mann haben.
Mit derselben Berechtigung kann man einen Text für fremdgehende Ehemänner oder betrogene Ehefrauen schreiben, oder für die Beteiligten einer Situation mit umgekehrtem Geschlechterverhältnis (d. h. Affärenmann hat was mit verheirateter Frau). Ich konzentriere mich auf diejenigen, deren Blickwinkel ich kenne. Das ist der einzige Grund für diese scheinbare Bevorzugung.
Ihr habt also diese Affäre. Anfangs war sie berauschend, aber dann fingen die Probleme an, und jetzt sind sie chronisch und zyklisch. Mit jeder Wiederholung werden sie schlimmer. Der Mann hat euch zum zehnten Mal versprochen, es seiner Ehefrau zu sagen, sich endlich von ihr zu trennen - hat es aber wieder nicht getan. Ihr habt zigmal den Kontakt abgebrochen. Es gab dutzende Kräche, dutzende Diskussionen, in denen immer wieder die gleichen Themen auf den Tisch kamen. Allmählich glaubt ihr den Versprechungen nicht mehr. Ihr habt in eurem Leben nie so viel geweint. Ihr hasst den Mann, euch selbst, die Ehefrau – und könnt trotzdem keinen Schlussstrich ziehen.
Von anderen Menschen kommt keine Hilfe. Wenn ihr euch mit eurer Geschichte an sie wendet, hagelt es Beschimpfungen und Beleidigungen. Die Menschen tun, als könnte ihnen so etwas nie passieren. Sie tun, als wüssten sie nicht, dass man Verliebtheit nicht einfach abschalten kann.
Ich beschimpfe und beleidige euch nicht. Manchmal sieht es zwar so aus: Einige der Dinge, die ich aufliste, sind ziemlich hart. Vielleicht ist es euch unangenehm, damit konfrontiert zu werden, und ihr lehnt sie sogar ab. Aber letzten Endes ist das die Unromantik der Wirklichkeit.
Mein Text ist persönlich gefärbt. Ich habe ihn geschrieben, um aus einer schlechten Beziehung mit einem schlechten Menschen Nutzen zu ziehen. Daher ist auch eine „Schlussmachhilfe“ daraus geworden und keine „Durchhaltehilfe“, denn in meinem Fall war Trennung die einzige Lösung. Das ist in euren Fällen vielleicht anders. Ich will euch daher nicht meine Lösung als die einzig mögliche aufdrängen, sondern Denkanstöße liefern.
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# 1 #
Dies gleich als erstes: Es wird nicht wieder besser. Wenn sich in einer Beziehung (egal, was für einer) Probleme breit machen, haben sie die Tendenz, sich zu verschlimmern.
Je mehr unangenehme Seiten unseres Partners wir kennen gelernt haben, desto schwerer fällt es uns, Illusionen über ihn zu haben. Je mehr Grobheiten und Missgriffe vorgekommen sind, desto mehr ist das Vertrauen gestört. Wir können zwar unseren Kopf darüber belügen, nicht aber unseren Bauch.
Grobheiten schleifen sich ein. Wer seinem Partner gegenüber damit durchgekommen ist, der tut es wieder, auch wenn er es „eigentlich“ nicht will. Schon, weil eine Beziehung mit der Zeit an Wert verliert. Wenn sie noch neu und kostbar ist, wird sie nicht aufs Spiel gesetzt, aber später, wenn sie ihren Reiz verloren hat, wenn sie vielleicht sogar lästig wird, geht man nachlässiger damit um.
Dass eine Geliebte einem verheirateten Mann irgendwann lästig wird, braucht eigentlich nicht gesagt zu werden.
# 2 #
Fremdgehende Frauen sind wählerisch, fremdgehende Männer nicht. Sie haben Seitensprünge mit Frauen, die sie niemals als Partnerinnen in Betracht ziehen, mit denen sie sich nicht einmal zusammen in der Öffentlichkeit zeigen würden.
Menschen neigen dazu, sich Partner zu suchen, die ähnlich attraktiv sind wie sie selbst. Attraktivität schließt dabei nicht nur das Aussehen ein. Manche Ehefrau kann es nicht fassen, dass ihr Mann sie mit einer „hässlichen“ Frau betrügt. Das lässt sich jedoch damit erklären, dass der Mann allein dadurch, dass er verheiratet ist, an Attraktivität einbüßt. (Außerdem ist er älter, fetter und kahler als vor der Hochzeit.)
Das alles werdet ihr jetzt nicht glauben, weil euer Schatz euch etwas anderes erzählt und sich auch benimmt, als meine er es ernst. Aber überlegt mal, wie ihr reagieren würdet, wenn er euch solche Dinge direkt sagen würde! Richtig – und das hat der Mann sich auch schon gedacht.
Wie ehrlich er ist, lässt sich an seinem Verhalten gegenüber seiner Ehefrau ablesen. Was hat er ihr bei der Hochzeit versprochen? Wie hält er es ein?
# 3 #
90 % aller fremdgehenden Ehemänner kehren am Ende zu ihren Ehefrauen zurück. Das ergibt sich mit beinahe mathematischer Logik. Am Anfang, wenn die Affäre noch frisch ist, ist die Affärenfrau interessanter, aber sobald die Affäre ihren Reiz verliert, hat die Affärenfrau nichts mehr zu bieten, was die Ehefrau nicht auch bietet – und mit der ist der Mann schon verheiratet. Warum also durch die Mühsal einer Scheidung gehen – mit Stress / Streit / Geheule, Suche nach einer neuen Wohnung, Auseinandersortieren der Möbel, Bankkonten und Kinder, Behördengängen, enterbenden Schwiegereltern, lästernden Nachbarn – nur um ein Übel gegen das andere einzutauschen? Die Kosten-Nutzen-Rechnung sagt „Nein“.
# 4 #
Wenn euer Fremdgeherfreund euch Versprechungen macht, die er nicht hält, belügt er euch nicht immer absichtlich. Viele seiner Versprechungen glaubt er selbst, und deshalb wirken sie auch so überzeugend. Es gibt jedoch ein Problem: Euer Freund gehört zu der Sorte Menschen, bei denen die Werte, die sie hochhalten, die Meinungen, die sie haben, die Prioritäten, die sie setzen, und die Entscheidungen, die sie treffen, von der augenblicklichen Situation abhängen, und von den Leuten, mit denen sie gerade zusammen sind.
Ist euer Freund mit euch zusammen, ist er ganz der Liebhaber, der die Frau seines Lebens gefunden hat und unter seiner beengenden Ehe leidet. Kehrt er ins traute Heim zurück, verwandelt er sich wieder in den treusorgenden Ehemann und liebevollen Vater. Dann werden ganz andere Prioritäten gesetzt und ganz andere Werte hochgehalten. Der Ehefrau, die von der Affäre weiß, wird mit der gleichen Überzeugung geschworen, die Affäre zu beenden. Er würde doch seine Familie nicht im Stich lassen! Seine Familie geht ihm doch über alles!
Solange dieser Mensch zwischen Orten hin und her pendelt, pendelt er auch zwischen den mit den Orten verknüpften Geisteszuständen.
Er ist wie ein kleiner Junge, der seiner Mutter mit treuherzigen Kulleraugen den Entschluss mitteilt, nie wieder Blödsinn zu machen. Ein solcher Entschluss wird schnell uncool, wenn der Junge sich draußen mit seinen Freunden herumtreibt. (Darum glauben Eltern immer, ihr unschuldiger Nachwuchs wäre bloß von bösen Freunden angestiftet worden. - Das nur nebenbei.)
Solche Menschen sind Opportunisten. Sie sind unreif. Ihrer Persönlichkeit fehlt der innere Kern. Sie haben keine Einsicht in das Funktionieren ihrer eigenen Psyche. Darum können sie sich ihr eigenes Verhalten nicht erklären. (Herausreden können sie sich aber gut.)
Wenn der Mann sich schließlich gegen euch und für seine Familie entscheidet, bringt eine solche Persönlichkeit es mit sich, dass er den Schaden, den er euch zufügt, mit Beleidigungen krönt. Eure Existenz passt nicht mehr in sein Selbstbild. Daher wird die Affäre nachträglich annulliert. Was eben noch große Liebe war, ist plötzlich „eigentlich gar nichts“, ein „Versehen“. Ihr habt bloß „zu viel hineininterpretiert“, „Illusionen“ gehabt und euch „überzogene Hoffnungen“ gemacht, aus schierer Unvernunft und typisch weiblicher Irrationalität natürlich, denn es war ja „von vornherein klar“, dass es nur „ein bisschen Spaß nebenbei“ ist. Möglicherweise seid ihr jetzt gar der Feind, der sich in seine Ehe gedrängelt hat.
Wie heißt es doch? „In eine heile Ehe kann niemand einbrechen.“
# 5 #
Was für ein Mensch der Mann ist, könnt ihr an seinem Verhalten seiner Ehefrau gegenüber ablesen.
Selbst, wenn er sich von ihr trennt und euer Partner wird, verändert er sich dadurch nicht auf magische Weise. Er bleibt immer noch der Mann, der seine Ehefrau betrogen hat.
Er geht vielleicht nicht deshalb mit euch fremd, weil ihr so bezaubernd seid, sondern weil er eine Neigung zum Fremdgehen hat. Wenn er euer Partner wird, verschieben sich die Rollen vielleicht eines Tages: Dann seid ihr die betrogene Ehefrau, und eine andere ist die Affärenfrau.
In einer Partnerschaft zu sein, schützt niemanden davor, sich neu zu verlieben. Bei einem aufrichtigen Menschen wird aber keine jahrelange Quälerei mit immer neuen Lügen und Versprechungen daraus. Stattdessen steht er sowohl Partner als auch Affäre gegenüber von Anfang an zu seinen Gefühlen und gibt seine Fehler zu. Er versucht, eine wirkliche Lösung zu finden, anstatt nur die größten Unbequemlichkeiten zu umgehen.
Falls euer Freund euch noch nicht einmal verraten hat, dass er verheiratet ist, könnt ihr getrost darauf verzichten, von ihm Gutes zu erwarten. Bestenfalls habt ihr einen Feigling am Hals, schlimmstenfalls einen Manipulator, den die Gefühle anderer Menschen nicht scheren. Jedenfalls niemanden, mit dem ihr zusammen glücklich alt werden könnt.
# 6 #
An eins denken Menschen nie, wenn sie sich auf eine Liebesbeziehung einlassen: Die Erinnerungen daran werden sie ihr Leben lang mit sich herumschleppen.
Eure Affäre war lange genug grässlich genug. Wollt ihr noch mehr solcher Erinnerungen?
# 7 #
Macht euch Gedanken über die Ehefrau. Was wisst ihr über sie? Worin ist sie euch ähnlich? Worin ist sie anders? Was bedeutet das für den Mann? Wie oft habt ihr während der Affäre an sie gedacht? Habt ihr euch einmal in sie hineinversetzt? Wie ist es für sie, mit diesem Mann zusammenzuleben? Was denkt er über sie? Wie behandelt er sie? Worin genau ist er ihr gegenüber unehrlich? Was weiß oder ahnt sie? Hat sie das verdient? Er muss sie einmal geliebt haben und tut es vielleicht noch – wofür? Was hat ihn bewogen, sie zu heiraten?
Denkt an seine restliche Familie. Die Kinder, mit denen ihr eine Patchworkfamilie aufmachen, beziehungsweise die ihr bei Wochenendbesuchen ertragen müsstet. Eure zukünftigen Schwiegereltern. Seinen Kegelverein …
# 8 #
Zum Schlussmachen ist es nie zu spät. Lieber am Mittwoch als am Donnerstag, lieber am 4. Mai als am 5., lieber nach zwanzig Jahren als nach einundzwanzig. Nur, weil es schon so lange dauert, muss es nicht noch länger dauern. Nur, weil ihr den Fehler eh schon gemacht habt, müsst ihr ihn nicht weiterhin machen.
Ihr habt euer Bestes in diese Beziehung gegeben: Liebe, Vertrauen, Hoffnung, Kraft und Zeit. Ihr habt euer Leben an dem Mann ausgerichtet. Wenn er seiner Ehefrau nur jeden zweiten Mittwoch zwischen 14 und 16 Uhr entkommen konnte, habt ihr diese kostbaren zwei Stunden von euren eigenen Verabredungen frei gehalten und saßt pünktlich um 14 Uhr schön gekleidet und frisch parfümiert in eurer Wohnung, neben dem Tisch mit den Kerzen und Weingläsern. (Und dann war der Kerl doch verhindert, und alles war für die Katz.)
In einer Frauenzeitschrift habe ich den Ratschlag gefunden, mal am üblichen Termin keine Zeit zu haben und zu sehen, wie der Mann darauf reagiert. In den meisten Fällen ungehalten! Dass die Geliebte Besseres zu tun hat, als auf ihn zu warten, passt ihm nicht in den Kram.
Ihr wollt euch nicht eingestehen, dass die Mühe mit dieser Beziehung eine Fehlinvestition war. Das nicht einsehen zu wollen, führt aber nur dazu, dass ihr weiter fehlinvestiert. Und irgendwann müsst ihr es doch einsehen.
# 9#
Erinnert euch an früher: Bevor ihr den Mann kanntet, seid ihr ja auch zurechtgekommen. Wahrscheinlich besser als heute.
# 10 #
Werdet euch über euren eigenen Egoismus und eure eigenen Illusionen klar. Selbst, wenn ihr euch beim besten Willen nicht egoistisch vorkommt, andere sehen euch so.
Egoistisch zu sein heißt nicht zwangsläufig, glücklich zu sein.
Letzten Endes zerrt ihr an einem Mann, der vergeben ist. Ihr wollt ihn einer anderen Frau wegnehmen. Möglicherweise nehmt ihr damit auch Kindern den Vater weg. Ihr habt nur eure eigene Verliebtheit im Sinn und setzt euch darüber hinweg, dass die Ehefrau den Mann vielleicht auch (noch) liebt und von ihm abhängig ist.
Wohlgemerkt, dies ist kein Vorwurf. Ich weise nur darauf hin, dass ihr bei allem Leid, das ihr selber durchmacht, gleichzeitig eurerseits anderen Leid zufügt.
Was die Illusionen angeht: Dieser Mann ist kein Traumprinz. Dass sich ein ehrlicher Mensch nicht so aufführt, habe ich ja schon erwähnt. Was würdet ihr einer Freundin raten, die eine solche Affäre hat? Was würdet ihr denken, wenn ihr so eine Geschichte von einer fremden Person hört? Was würdet ihr von diesem Mann halten, wenn ihr nicht in ihn verliebt wärt? Was werdet ihr in zehn Jahren über ihn denken, und was in zwanzig Jahren? Was werdet ihr dann über euch selbst denken? Was werdet / würdet ihr euren Kindern über die Affäre erzählen? Was eurer Mutter, eurem Vater? Was werdet ihr eurem nächsten Partner eines Tages über seinen Vorgänger erzählen?
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Hier noch ein paar allgemeine Ratschläge.
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Die Persönlichkeit eines Menschen besteht nicht nur aus der Oberfläche, die ihr seht. Wenn bei jemandem, den ihr zu kennen glaubt, Querschlägerverhalten auftaucht, das nicht zu ihm passen will und das euch irritiert, ist das kein „Versehen“, sondern es gibt dafür einen Grund. Ihr solltet daher nicht hoffen, dass es von alleine weggeht, wenn ihr es ignoriert.
Ein Extrembeispiel ist der Mann, der nach zwanzig glücklichen und harmonischen Ehejahren vom Zig. nicht wiederkommt. Eine Person ist darüber nicht überrascht: Er selbst.
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Wenn ihr euch menschliches Verhalten erklären wollt, nehmt Egoismus als Ursache an und sucht nach der kürzesten Verbindung zwischen Egoismus und Verhalten.
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Zwischen verschiedenen Menschen bestehen Unterschiede im Fühlen und Denken, die gerade durch ihre Geringfügigkeit tückisch sind, denn diese Geringfügigkeit verleitet uns dazu, sie zu übersehen und unterzubewerten. Wir nehmen dann eine Harmonie zwischen uns und anderen Menschen an, die gar nicht existiert.
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Verliebte glauben, dass das Objekt ihrer Begierde genau dasselbe will wie sie. Daher begreifen sie nicht, warum ihr Partner „sabotiert“, was sie für das „Ziel“ der Beziehung halten. Dass der andere das Ziel nicht sieht, halten sie für Dummheit, dass er nicht mitmachen will, für Bosheit. In Wahrheit hat er sein eigenes Ziel und hält sein Gegenüber für den Saboteur.
Typisches Beispiel ist jemand, der nicht versteht, dass seine Liebe gar nicht erwidert wird, und die Ablehnung als alles mögliche andere interpretiert: Schüchternheit, psychische Probleme, gespielte Gleichgültigkeit zum Zweck des Interessantmachens …
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„Wenn das, was ein Mann sagt, nicht mit dem übereinstimmt, was er tut, richte dich nach dem, was er tut.“
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Liebesbeziehungen sind nicht geschaffen, um unsere Probleme zu lösen.
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Und schließlich noch dies:
Macht euch keine Vorwürfe. Es reicht, wenn andere euch welche machen. Ihr seid gestraft genug mit dieser Affäre.
05.05.2016 16:34 •
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