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Eigentlich wollte ich keine Beiträge mehr schreiben, nicht an die Trennung, Scheidung oder überhaupt an den Ex denken. Es ist jedoch schwierig oder gar unmenschlich es nicht zu tun, denn man kann eine so lange Zeit sienes Lebens nicht mir einem Menschen verbringen und ihn sich dann mir nichts dir nichts aus dem Herzen reissen. Das geht einfach nicht und in einigen Fällen geht es gar nicht.
Ich war und bin ein Gegner der Kontaktsperre doch an manchen Tagen kann ich einfach nicht mit ihm reden. Es tut mir einfach nicht gut. Ich habe bei ihm den Eindruck erwegt, dass ich seine Entscheidung billige, ja sogar gut finde, dass ich weiterhin mit ihm wie mit einem guten Freund reden will und den Kontakt brauche. Doch Theorie und Praxis liegen hier ganz weit auseinander. Den Spagat muß ich noch üben. Aber ich bin mir sicher irgendwann bekomme ich auch das hin.
Ich habe wieder angefangen mit mir und dem Spiegel zu reden abe die Gespräche haben andern Nuancen bekommen. Auch diese Gespräche sind von der Tagesform abhängig. Urteilt einfach selbst. Das sagt der Spiegel jetzt.
‚Hallo‘, sage ich zum Spiegel und schau hinein, neugierig welche verborgene Weisheiten er mir diesmal zeigen will. Irgendwie, weiß ich nicht, ob ich sehen will, was er mir diesmal zeigen könnte. Ich habe mir schon seit Tagen vorgenommen, nichts mehr hören und sehen zu wollen. Ich weiß doch was kommt und meine Vernunft und Logik haben mir ja schon mehrmals gesagt und dargelegt was Sache ist. Die Frau, die mir aus dem Spiegel entgegenblickt, macht keinen schlechten Eindruck. Eine reife Frau in einem gewissen Alter, Durchschnittsgesicht, hier und da ein paar Pfunde zu viel, sie könnte attraktiver sein, wenn sie etwas lächeln würde. Aber die Augen haben keinen Glanz, der Schalk ist weg, der Teint ist fahl und ein kleiner Schleier von Traurigkeit ist wahrnehmbar. Kleine schwarze Augenringe zeigen an, dass Schlaflosigkeit und Unruhe ständiger Begleiter sind. Melancholie, Depression und Schwermut hat man als Erklärung für sowas aber stimmt es wirklich, ich weiß es nicht. Ich warte auf die Antwort des Spiegels und starre weiterhin das Spiegelbild an.
Es bewegt sich nicht, es steht starr da und doch höre ich diese Stimme. Leise, sehr leise zuerst und dann immer deutlicher, ‚Hallo du, da bist du ja schon wieder.‘ Ich nicke und sage nichts, aber in Gedanken antworte ich, ‚Nun, es gab keinen Grund früher zu kommen. Warum auch. Alles getan, alles vorbei, was gäbe es jetzt noch zu besprechen, zu ordnen, zu retten, zu gewinnen. Gar nichts, es ist alles vorbei. Er hat die andere geheiratet, so wie er es ja gesagt und angekündigt hat. Das war es, was er tun wollte, um sie nicht zu verlieren und ich hatte ja auch alles dafür getan, dass es ihm auch gelingt. Kein aufbäumen, kein kämpfen, kein Widerspruch, totale Aufgabe, totale Unterwerfung, totale Erfüllung seiner Wünsche.‘
‚Ha, ha, ganz wie in den guten alten Tagen..‘,höre ich die Stimme des Spiegels. Sie klingt spöttisch aber auch ernst. ‚..und nun bereust du es ?‘ kommt die Frage, die zu erwarten war. ‚Ich weiß nicht, antworte ich, ‚eigentlich bin ich froh, dass alles vorbei ist. Ja, ich vermisse ihn ja nicht einmal richtig. Ich vermisse irgendwas aber bin mir nicht sicher ob er es ist. Ich vermisse, die Hand, die über meinen Kopf streicht, die Brust an die ich sinken kann, um den Herzschlag zu hören und mich geborgen und sicher zu fühlen. Aber ich weiß nicht, ob die Arme und Hände, nach denen ich Sehnsucht habe, seine sind. Manchmal ja, manchmal nein. Den immer wenn ich an ihn denke, schleicht sich erbarmungslos auch die Schlange Verrat in meine Gedanken ein. Das Bild, das ich von ihm vor den Augen habe, ist nicht das Bild des Mannes, der noch vor ein paar Wochen, neben dieser anderen Frau auf meiner Couch saß, belangloses Zeugs redete und dann mit ihr davonfuhr. Den Mann kannte ich nicht mehr, der war so weit weg, so kalt, so fremd, so verachtungswürdig. Der Mann, der ab und zu noch durch meine Gedanken schleicht, ist jener, der einst schwor immer bei mir bleiben zu wollen. Der mir immer wieder versicherte, dass er nie von meiner Seite weichen wollte, der mich nie betrügen oder hintergehen könnten, den ich wäre sein ein und alles. Der Mann dessen Bild manchmal so stark und deutlich in meinen Gedanken erscheint, dass es schon richtig weh tut, um wiederum an anderen Tagen so blaß und weit weg zu sein, als hätte es ihn nie gegeben.
„Nun ja“, sagt der Spiegel, „das alles hat er damals gesagt. Er hat sich verändert. Er ist ein anderer geworden. Du hast doch oft gedacht, dass er sich verändert hat und sich nicht mehr bemüht und dich vernachlässigt. Auch hast du es manchmal als Erleichterung empfunden, wenn er nicht da war oder dich nicht mit Fragen belästigte oder was von dir wollte. Du hast seine Veränderung bemerkt und warst zufrieden damit. Wenn du tief in dich hinein hörst, dann wirst du merken, dass es nicht dieser Mann ist, der dir fehlt. Es ist dir manchmal auch unwichtig, wo er ist und was er macht. Eigentlich, kommst du doch ganz gut ohne ihn aus. Am meisten ärgerst du dich doch nur darüber, dass er jetzt jemand hat und vielleicht mit ihr Sachen macht, die er mit dir schon seit Jahren nicht mehr gemacht hat. Du bist wie ein kleines eifersüchtiges Kind, dass nach dem Spielzeug schreit, welches das Nachbarskind in den Händen hält. Du bist neidisch und eifersüchtig und verwechselst das mit Sehnsucht und Liebe.“ Irgendwie, fühle ich meinen Kopf rot anlaufen und die Wut in mir hochsteigen „Ja, schreie ich, ja auch das stimmt ich bin neidisch und eifersüchtig aber auch enttäuscht über die Art und Weise des Endes. Ja, ich bin wütend auf dieses andere ‚Kind‘ das mir meinen Mann weggenommen hat. Mein Mann war mir was anderes schuldig für all die Jahre und alles was ich erduldet habe, was ich vermisst habe und was ich nie bekomme habe.‘ ‚Aber, aber‘ sagt der Spiegel, du hättest doch das alles haben können. Du hast nur nichts dafür getan. Du hast gewartet, dass alles von ihm kommt, das er deine Gedanken liest, dass er dir wie früher jeden Wunsch von den Augen abliest. Du bist in die Rolle des kleines Mädchens geschlüpft und er hat eine Frau gesucht. Je weniger er tat, desto mehr hast du geschmollt und desto weniger habt ihr miteinander geredet. Jetzt hat er jemanden gefunden, der besser in sein Wunschbild von Partnerin und Frau passt. Die Trennung wäre früher oder später gekommen und eigentlich bist du nur sauer, dass es nicht von dir ausging und nicht zu deinen Bedingungen.“
„Ja, sage ich „du hast recht. Aber ich spüre immer diesen Stich, wenn ich daran denke, wie er sich jetzt für diese neue Frau ins Zeug legt, wie er einen Ring für sie kauft, die Hochzeit vorbereitet hat und gefeiert hat, Hochzeitsreise geplannt hat und noch so vieles mehr. Ich dagegen werde hier sitzen, allein und verlassen ohne Zukunft.‘
,Jetzt mach mal halblang, sagt der Spiegel, du bist doch ganz zufrieden mit allem, auch wie die Scheidung gelaufen ist und so weiter. Jetzt suhlst du dich im Mitleid und ziehst dich selber runter. Deine Zukunft sieht nicht schlecht aus. Höre auf die Leidende zu sein. Hole tief Luft, gehe zum Friseur, kauf dir ein neues Paar Schuhe und fange an zu leben. Trauere nicht und suche nicht das Glück in der Vergangenheit. Verschliesse nicht dein Herz und hänge einem Trugbild des Glücks nach, sondern öffne dich dem neuen Abenteuer, das auf dich wartet. Ja, du darfst auch wehmütig und traurig sein und ich weiß, dass es nicht einfach ist aber schau nach vorne und nie wieder zurück.‘
Ich bin sauer auf den Spiegel und wende mich ab. Ich weiß, dass er irgendwie recht hat und ich weiß auch, dass ich stark genug bin, um mit allem fertig zu werden. Ich kenne meine Zukunft nicht aber ich habe Angst davor und diese Angst übernimmt manchmal die Kontrolle und läßt mich verzweifeln. Ich muß aufhören zu glauben, dass es notwendig ist, ihn an meine Seite zu haben, um weiterleben, um überleben, um glücklich zu sein. Ja, ich weiß das alles, doch es ist so schwer zu akzeptieren.
‚Loslassen‘ sagt eine vertraute Stimme. Aber ich kann nicht loslassen, wenn nichts mehr da ist, dass ich los lassen kann. Denn alles was ich loslassen soll, ist bereits gegangen.
18.03.2016 21:30 •
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