Abend ihr Lieben,
ich bin noch neu hier und eigentlich nicht direkt wegen Liebeskummer hier. Darüber später in einem anderen Threat. Hier schreibe ich aus einem anderen Grund.
Die Aussage, so sind sie eben, klingt etwas hart, (letzter Post), was aber auch verständlich ist, wenn das Herz gebrochen wurde. Trotzdem brechen Asperger nicht grundsätzlich einem das Herz. Für eine Beziehung mit einem Asperger sollte man 1. gut informiert über die Behinderung sein und 2. auch dafür geschaffen. Wenn wir einen Blinden kennenlernen wissen wir sofort, er/sie kann nicht sehen. Und wissen somit, dass wir unsere Wünsche und Vorstellungen mit Worten kommunizieren müssen. Bei einem Asperger ist das ähnlich.
Sie können Mimik und Gesten nicht einordnen, sich emotional schwer ausdrücken. Aber sie haben Gefühle, sehr starke sogar. Die Gefühle sind intensiver, als ein normaler Mensch sich nicht vorstellen kann. Und Autisten können auch so stark lieben, zeigen diese aber anders.
Ich lebe selbst seit 5 Jahren mit einem Asperger Autisten zusammen und finde diese Beziehung mehr als angenehm. Als ich ihn kennenlernte wusste weder er, noch ich von seinem Autismus (Spätdiagnose). Zu jener Zeit war ich auch am verzweifeln. Doch er litt noch viel mehr, weil er manche Verhaltensweisen ändern wollte, aber einfach nicht konnte. Ich fing an zu lesen und stieß auf den Autismus und fand ihn darin wieder. Ich sprach ihn vorsichtig darauf an. Er machte schon einen Monat später einen Termin bei einem Autismusspezialisten. Nach langer Testphase bestätigte sich der Verdacht. Da kam eine richtig schwere Zeit, in der ich viel Geduld und Kraft zum Zuhören aufbringen musste (und auch wollte). Sein ganzes Leben, seine vorigen Beziehungsabbrüche ergaben plötzlich Sinn. Allerdings wurde er verlassen auf Grund mangelnder Romantik und Bestätigung der Frauen.
Schuldgefühle spielten da eine große Rolle. Die hatte er vorher schon, aber nun konnte er vieles verarbeiten. Sogar als Narzisst wurde er schon beschimpft.
Das alles war im ersten Beziehungsjahr. Und ich wusste, dass ich für mich eine Entscheidung treffen musste. Traue ich mir das zu? Bin ich bereit, mich noch intensiver zu informieren? Artikel, aber besonders Foren, in denen Autisten selbst schreiben sind da eine gute Quelle. Mein Partner hat Strukturen, die wichtig sind, damit er stabil ist innerlich. Abweichungen bringen Chaos und Unruhe in diese Strukturen, das führt früher oder später zur Überforderung. Das können manchmal die banalsten Situationen sein. Mit einem Asperger zusammenzusein bedeutet, gut beobachten. Interesse zeigen, ihn fragen, was ihm Ruhe bringt, was eher Chaos bedeutet.
Früher hat er kaum geredet, außer über seinen damaligen Trennungsschmerz. Er hatte Höllenqualen gelitten. Da war ich sehr wahrscheinlich auch nur gute Freundin für ihn, mehr nicht.
Inzwischen redet er über alles mit mir. Bei Begegnungen mit anderen Menschen fragt er mich hinterher, ob alles okay war. Ob sich die anderen wohl gefühlt haben oder eher genervt. Wenn ich müde, traurig, genervt bin, muss ich das alles kommunizieren. Durch ihn bin ich eher gewachsen, als innerlich geschrumpft. Er braucht viel Rückzug... sehr viel. Das schaffen wir nur, wenn wir lernen uns selbst zu beschäftigen. Hobbies sind da immer gut. Bei mir ist es die Fotografie und seit kurzem ein Blog.
Das erfüllt mich persönlich und kann dabei richtig aufgehen. Das heißt nicht, dass es keine Konflikte gibt, aber wir können diese dadurch mit klarem Kopf lösen. Gefühlsausbrüche, Vorwürfe sind da ein NoGo und führt unmittelbar zum totalen Rückzug. Einen Autisten da wieder raus zu bekommen kann sehr schwer sein. Und manchmal führt es auch zur Trennung.
Wer aber auf manches Verzichten kann, wird merken, eine Beziehung mit einem Autisten kann sehr erfüllend sein, denn sie bringen auch positives mit.
Loyalität, Ehrlichkeit (oft zu ehrlich), Stabilität (solange die des Autisten bewahrt wird), tiefgründige Gespräche (kein Smalltalk) und später ein tiefes Vertrauen. Doch dieses Vertrauen zu bekommen ist harte Arbeit und wir brauchen Selbstreflexion.
Ein Beispiel, wie mein Partner auf meinen Schmerz reagiert. Ich war einmal total fertig wegen meinem ehemaligen Chef. Da ich selbst eine Behinderung habe die langsames Denken mit sich bringt, hat er mich vor Kunden oft zur Schnecke gemacht. Ich saß abends in der Küche, weinte und er kam dazu. Er war sofort hilflos, bezog meine Tränen auf sich. Ich sagte ihm, es hat mit meinem Chef zu tun, möchte aber aber später darüber sprechen. Im Kopf hatte ich, bitte nimm mich in den Arm.
Natürlich wusste er das nicht, was mir helfen könnte. Er stand weiter neben mir und fragte plötzlich:
Soll ich dir eine Stulle schmieren? Oder möchtest du ein Glas Wasser?
Ich musste plötzlich lachen. Da wusste er aber mein Lachen war nicht boshaft. Er kannte mich auch schon zu gut. Durch diesen Brake konnte ich ihm erzählen, was passiert ist.
Er sagte knallhart: Kündige dort! Er macht dich kaputt. Durch seine Stabilität konnte ich mich vom alten Arbeitgeber befreien. Habe den Kopf nebenberuflich eine Selbstständigkeit aufzubauen (fange jetzt erst an). Seine Ruhe gibt auch mir Ruhe. Mit seinen Unruhen kann ich inzwischen auch umgehen. Auch Autisten können emotionale Ausbrüche bekommen. Ihn regt schon ein Stau richtig doll auf.
Auch ständige Bestätigungen sollten wir nicht erwarten. Die Liebe eines Autisten erkennen wir, wenn wir in deren Rituale mit eingebunden werden, sie uns vertrauen und ihre Interessen ausführliche mit uns kommunizieren. Das ist die Bestätigung, die sie uns geben.
Sorry für den langen Text. Aber vielleicht taucht hier doch mal jemand auf, der/die noch in einer Beziehung steckt mit einem Autisten, ratlos ist und es noch nicht zur Trennung kam. Aber wie gesagt, bitte immer in sich hinein horchen, ob die Geduld da ist und auch der Wille, auf eine herkömmliche Beziehung zu verzichten. Alles andere wäre sonst für beide Seiten sehr schmerzhaft.
Seine Ex hat mit der Vermutung, er sei Narzisst, sehr emotional voreilig reagiert. Er hatte Angst, ein Narzisst zu sein, hasste sich plötzlich und glaubte, er sei ein sehr böser Mensch. Nein! Er erniedrigt seine Mitmenschen nicht, geht nicht über Leichen und sucht auch nicht die Schuld bei anderen. Er braucht auch niemanden, sein Ego aufzupuschen.
Seine Ex pirschte sich komischer Weise an ihn heran, als sie Wind davon bekam, dass er wieder ein neues Leben angefangen hatte mit einer anderen. Der Korb von ihm schmeckte ihr nicht. Er hat sie einfach stehen lassen. Lange dauerte es auch, bis er sein A. Ruf wieder los wurde (bei wenigen Bekannten).
Wer bis hier her gelesen hat, ich danke euch.
Und an die, die sich gebrochen fühlten. Vielleicht hilft es nicht, vielleicht ja. Die Autisten wollten bestimmt nicht euer Herz brechen. Nicht mit böser Absicht. Aber auch ihr könnt nichts dafür, denn die innere Welt ist sehr kompliziert. Vielleicht waren sie selbst noch nicht bereit für eine Beziehung. Da sind plötzlich so tiefe Gefühle. Auch dabei brechen Strukturen zusammen.
22.08.2020 00:25 •
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