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Rosarote Wolke zerplatzt - Asperger Syndrom

A
Sehr geehrte/r Fragesteller*in

Ich bin gleichgeschlechtlich und war auch, mehr oder weniger, mit einem Asperger-Paitenten zusammen. Es hat stark gefunkt. Er meinte, ich sei ihm wichtig. Als wir uns sechs Wochen, arbeitsbedingt, nicht gesehen hatten, küsste er mich und sagte, ich wisse nicht, wie lange er darauf gewartet hätte, mich wieder zu küssen.

Ich war hin und weg. Ich war - und bin es immer noch - sehr verliebt in ihn.

Wir sind übrigens gleichgeschlechtlich. Wir waren kurz in der Herrensauna - und dort wurde er von einem anderen gleichgeschlechtlich auf Grindr angeschrieben. Er wurde gefragt, ob wir ein paar seien. Er meinte, es sei kompliziert. Er meinte, ich sei ihm wichtig.

Wir wollten eine Wattwanderung abhalten. Es war Winter. Ich meinte zu ihm, es sei kalt, nass und er bräuchte Gummistiefel. Sicherheitshalber habe ich es ihm drei mal gesagt. Er meinte, er wolle unbedingt dahin. Und ich habe mir dann Gummistiefel gekauft. Und er hat einfach abgesagt. Ich war etwas enttäuscht.

Na ja, er ist dann einfach abgehauen. Er wohnte nicht in meiner Stadt. Ohne sich zu verabschieden.

Keine Ahnung, ich fand die Kommunikation mit ihm sehr anstrengend. Ich liebe ihn. Aber ich kann ihn die meiste Zeit nicht verstehen. Ich bin übrigens sehr sensibel und kann mich sehr leicht in andere hineinversetzen. Eigentlich meine einzige Fähigkeit - in allem anderen bin ich nur Durchschnitt. Aber bei ihm? Es wäre so, als würde ich durch eine Milchglasscheibe sehen.

Keine Ahnung, mein Herz ist immer noch gebrochen und ich weiß nicht was ich tun soll.

Es ist nicht deine Schuld. So sind sie eben.

10.02.2020 14:02 • #16


M
Abend ihr Lieben,

ich bin noch neu hier und eigentlich nicht direkt wegen Liebeskummer hier. Darüber später in einem anderen Threat. Hier schreibe ich aus einem anderen Grund.
Die Aussage, so sind sie eben, klingt etwas hart, (letzter Post), was aber auch verständlich ist, wenn das Herz gebrochen wurde. Trotzdem brechen Asperger nicht grundsätzlich einem das Herz. Für eine Beziehung mit einem Asperger sollte man 1. gut informiert über die Behinderung sein und 2. auch dafür geschaffen. Wenn wir einen Blinden kennenlernen wissen wir sofort, er/sie kann nicht sehen. Und wissen somit, dass wir unsere Wünsche und Vorstellungen mit Worten kommunizieren müssen. Bei einem Asperger ist das ähnlich.

Sie können Mimik und Gesten nicht einordnen, sich emotional schwer ausdrücken. Aber sie haben Gefühle, sehr starke sogar. Die Gefühle sind intensiver, als ein normaler Mensch sich nicht vorstellen kann. Und Autisten können auch so stark lieben, zeigen diese aber anders.

Ich lebe selbst seit 5 Jahren mit einem Asperger Autisten zusammen und finde diese Beziehung mehr als angenehm. Als ich ihn kennenlernte wusste weder er, noch ich von seinem Autismus (Spätdiagnose). Zu jener Zeit war ich auch am verzweifeln. Doch er litt noch viel mehr, weil er manche Verhaltensweisen ändern wollte, aber einfach nicht konnte. Ich fing an zu lesen und stieß auf den Autismus und fand ihn darin wieder. Ich sprach ihn vorsichtig darauf an. Er machte schon einen Monat später einen Termin bei einem Autismusspezialisten. Nach langer Testphase bestätigte sich der Verdacht. Da kam eine richtig schwere Zeit, in der ich viel Geduld und Kraft zum Zuhören aufbringen musste (und auch wollte). Sein ganzes Leben, seine vorigen Beziehungsabbrüche ergaben plötzlich Sinn. Allerdings wurde er verlassen auf Grund mangelnder Romantik und Bestätigung der Frauen.

Schuldgefühle spielten da eine große Rolle. Die hatte er vorher schon, aber nun konnte er vieles verarbeiten. Sogar als Narzisst wurde er schon beschimpft.

Das alles war im ersten Beziehungsjahr. Und ich wusste, dass ich für mich eine Entscheidung treffen musste. Traue ich mir das zu? Bin ich bereit, mich noch intensiver zu informieren? Artikel, aber besonders Foren, in denen Autisten selbst schreiben sind da eine gute Quelle. Mein Partner hat Strukturen, die wichtig sind, damit er stabil ist innerlich. Abweichungen bringen Chaos und Unruhe in diese Strukturen, das führt früher oder später zur Überforderung. Das können manchmal die banalsten Situationen sein. Mit einem Asperger zusammenzusein bedeutet, gut beobachten. Interesse zeigen, ihn fragen, was ihm Ruhe bringt, was eher Chaos bedeutet.

Früher hat er kaum geredet, außer über seinen damaligen Trennungsschmerz. Er hatte Höllenqualen gelitten. Da war ich sehr wahrscheinlich auch nur gute Freundin für ihn, mehr nicht.

Inzwischen redet er über alles mit mir. Bei Begegnungen mit anderen Menschen fragt er mich hinterher, ob alles okay war. Ob sich die anderen wohl gefühlt haben oder eher genervt. Wenn ich müde, traurig, genervt bin, muss ich das alles kommunizieren. Durch ihn bin ich eher gewachsen, als innerlich geschrumpft. Er braucht viel Rückzug... sehr viel. Das schaffen wir nur, wenn wir lernen uns selbst zu beschäftigen. Hobbies sind da immer gut. Bei mir ist es die Fotografie und seit kurzem ein Blog.

Das erfüllt mich persönlich und kann dabei richtig aufgehen. Das heißt nicht, dass es keine Konflikte gibt, aber wir können diese dadurch mit klarem Kopf lösen. Gefühlsausbrüche, Vorwürfe sind da ein NoGo und führt unmittelbar zum totalen Rückzug. Einen Autisten da wieder raus zu bekommen kann sehr schwer sein. Und manchmal führt es auch zur Trennung.

Wer aber auf manches Verzichten kann, wird merken, eine Beziehung mit einem Autisten kann sehr erfüllend sein, denn sie bringen auch positives mit.
Loyalität, Ehrlichkeit (oft zu ehrlich), Stabilität (solange die des Autisten bewahrt wird), tiefgründige Gespräche (kein Smalltalk) und später ein tiefes Vertrauen. Doch dieses Vertrauen zu bekommen ist harte Arbeit und wir brauchen Selbstreflexion.

Ein Beispiel, wie mein Partner auf meinen Schmerz reagiert. Ich war einmal total fertig wegen meinem ehemaligen Chef. Da ich selbst eine Behinderung habe die langsames Denken mit sich bringt, hat er mich vor Kunden oft zur Schnecke gemacht. Ich saß abends in der Küche, weinte und er kam dazu. Er war sofort hilflos, bezog meine Tränen auf sich. Ich sagte ihm, es hat mit meinem Chef zu tun, möchte aber aber später darüber sprechen. Im Kopf hatte ich, bitte nimm mich in den Arm.

Natürlich wusste er das nicht, was mir helfen könnte. Er stand weiter neben mir und fragte plötzlich:
Soll ich dir eine Stulle schmieren? Oder möchtest du ein Glas Wasser?
Ich musste plötzlich lachen. Da wusste er aber mein Lachen war nicht boshaft. Er kannte mich auch schon zu gut. Durch diesen Brake konnte ich ihm erzählen, was passiert ist.

Er sagte knallhart: Kündige dort! Er macht dich kaputt. Durch seine Stabilität konnte ich mich vom alten Arbeitgeber befreien. Habe den Kopf nebenberuflich eine Selbstständigkeit aufzubauen (fange jetzt erst an). Seine Ruhe gibt auch mir Ruhe. Mit seinen Unruhen kann ich inzwischen auch umgehen. Auch Autisten können emotionale Ausbrüche bekommen. Ihn regt schon ein Stau richtig doll auf.

Auch ständige Bestätigungen sollten wir nicht erwarten. Die Liebe eines Autisten erkennen wir, wenn wir in deren Rituale mit eingebunden werden, sie uns vertrauen und ihre Interessen ausführliche mit uns kommunizieren. Das ist die Bestätigung, die sie uns geben.

Sorry für den langen Text. Aber vielleicht taucht hier doch mal jemand auf, der/die noch in einer Beziehung steckt mit einem Autisten, ratlos ist und es noch nicht zur Trennung kam. Aber wie gesagt, bitte immer in sich hinein horchen, ob die Geduld da ist und auch der Wille, auf eine herkömmliche Beziehung zu verzichten. Alles andere wäre sonst für beide Seiten sehr schmerzhaft.

Seine Ex hat mit der Vermutung, er sei Narzisst, sehr emotional voreilig reagiert. Er hatte Angst, ein Narzisst zu sein, hasste sich plötzlich und glaubte, er sei ein sehr böser Mensch. Nein! Er erniedrigt seine Mitmenschen nicht, geht nicht über Leichen und sucht auch nicht die Schuld bei anderen. Er braucht auch niemanden, sein Ego aufzupuschen.

Seine Ex pirschte sich komischer Weise an ihn heran, als sie Wind davon bekam, dass er wieder ein neues Leben angefangen hatte mit einer anderen. Der Korb von ihm schmeckte ihr nicht. Er hat sie einfach stehen lassen. Lange dauerte es auch, bis er sein A. Ruf wieder los wurde (bei wenigen Bekannten).

Wer bis hier her gelesen hat, ich danke euch.
Und an die, die sich gebrochen fühlten. Vielleicht hilft es nicht, vielleicht ja. Die Autisten wollten bestimmt nicht euer Herz brechen. Nicht mit böser Absicht. Aber auch ihr könnt nichts dafür, denn die innere Welt ist sehr kompliziert. Vielleicht waren sie selbst noch nicht bereit für eine Beziehung. Da sind plötzlich so tiefe Gefühle. Auch dabei brechen Strukturen zusammen.

22.08.2020 00:25 • x 2 #17


A


Rosarote Wolke zerplatzt - Asperger Syndrom

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M
Zitat von Miraya:
Ihr Lieben,

mein Freund hat sich gestern von mir getrennt.

Wir waren frisch verliebt, hatten ein paar tolle Monate.
Gestern kam er kurz zu mir, macht Schluss und geht wieder.
In fünf Minuten, wenn es hoch kommt. Kein Gespräch. Nichts. Ich habe ihn ziehen lassen.

Auch nach der relativ kurzen, dennoch intensiven Zeit, ist es ein Schock für mich. Ich bin traurig, wütend, verletzt. Weiß nicht so recht, wohin mit dem Gefühlschaos. Und ich vermisse ihn. Für heute waren wir eigentlich verabredet.

Dazu muss ich sagen, dass bei ihm ein leichtes Asperger Syndrom diagnostiziert wurde. Das hat manche Dinge etwas intensiver gemacht. Wir haben viel geredet, um unsere Sichtweisen auszutauschen. Es hat gut funktioniert. Scheint bei ihm aber besonderen Stress - wenn auch positiven - ausgelöst zu haben.

Gibt es hier Leute, die Erfahrung haben mit dem Asperger Syndrom?


Liebe Grüße.

Miraya.


Hallo,
Ich bin vor einigen Jahren mit dem Asperger Syndrom diagnostiziert worden. Für mich ist dieses Forum sehr interessant um Einblicke in die für mich oft unverständlichen Gefühlswelten und Beziehungsvorstellungen von nichtautistischen Menschen zu bekommen. Dementsprechend Ecke ich hier auch gerne mal an.

Ich bin allerdings eine Frau, aber vielleicht kann ich was beitragen.

Grüße, Maria

22.08.2020 01:02 • x 2 #18


M
Zitat von Meowmy:
Abend ihr Lieben, ich bin noch neu hier und eigentlich nicht direkt wegen Liebeskummer hier. Darüber später in einem anderen Threat. Hier schreibe ich aus einem anderen Grund. Die Aussage, so sind sie eben, klingt etwas hart, (letzter Post), was aber auch verständlich ist, wenn das Herz gebrochen wurde. Trotzdem brechen Asperger nicht grundsätzlich einem das Herz. Für eine Beziehung mit einem Asperger sollte man 1. gut informiert über die Behinderung sein und 2. auch dafür geschaffen. Wenn wir einen Blinden kennenlernen wissen wir sofort, er/sie kann nicht sehen. Und wissen somit, dass wir ...


Das ist sehr gut geschrieben!

22.08.2020 01:17 • x 1 #19


A
Was erwartest du von einem Asperger? Dass er zutraulich und empathisch ist?

22.08.2020 01:29 • #20


M
Sie sind empathischer als du denkst. Sie können unsere Gefühle aber nicht lesen. Und zutraulich... komisches Wort. Asperger sind keine Tiere. Hunde und Katzen werden zutraulich. Eher vertraulich bzw. du meinst bestimmt, sie sind nicht fähig Vertrauen aufzubauen. Doch, sind sie. Das ist aber nicht so leicht zu gewinnen wie bei einer neurotypischen Person. Ein Augenzwinkern reicht da nicht und umgarnende Worte. Was Empathie betrifft, sie weinen nicht mit jedem mit, stimmt. Sie interessieren sich nicht für jeden und sind nicht oft in Gruppen zu treffen. Lieben sie jemanden, sind sie sehr empathisch. Verstehen wir dann auch noch ihre Welt und lieben sie trotzdem, dann kann sich daraus eine wunderbare Beziehung entwickeln.

Drängen wir sie neurotypisches Verhalten an den Tag zu legen... verloren. Wie man einem Blinden nicht sag, jetzt sehe doch endlich mal hin.

22.08.2020 01:53 • x 3 #21


M
Zitat von MariaLaFleur:

Hallo,
Ich bin vor einigen Jahren mit dem Asperger Syndrom diagnostiziert worden. Für mich ist dieses Forum sehr interessant um Einblicke in die für mich oft unverständlichen Gefühlswelten und Beziehungsvorstellungen von nichtautistischen Menschen zu bekommen. Dementsprechend Ecke ich hier auch gerne mal an.

Ich bin allerdings eine Frau, aber vielleicht kann ich was beitragen.

Grüße, Maria



Liebe Miraya,

es ist schön zu lesen, dass du dich über die Gefühlswelten von nichtautistischen Menschen informieren möchtest. Damit zeigst du Interesse. Auch wenn du aneckst, das passiert, wenn zwei Welten und Sichtweisen aufeinander treffen. Ich finde es oft nur schlimm, wenn nichtautisten den Autisten die Gefühle absprechen oder im Glauben sind, sie könnten nicht mitfühlen. Da erlebe ich anderes. Die Überforderung seinerseits, wenn ich traurig bin, zeigt genau das, er fühlt mit. Er will helfen und weiß nicht wie, was ich gerade brauche und so weiter. Viele nichtautistische Menschen erwarten, dass Männer wissen, was zu tun ist, wenn man weint, müde ist usw.
Kommunikation ist das wichtigste in einer Beziehung, auch in einer normalen. Musste das selbst lernen. Bin auch kein Unschuldsengel. Durch mangelnde Kommunikation ist meine vorige Beziehung mit einem Nichtautisten in die Brüche gegangen. Wurde mir arg bewusst, durch viel Nachdenken. Allerdings habe ich nicht warm gewechselt. Damals bei der Trennung kannte ich meinen jetzigen Partner noch nicht.

Ich verstehe beide Seiten. Auch die der Nichtautisten, denen das Herz gebrochen wurde. Die Frage, was habe ich falsch gemacht? Ich habe ihm/ihr doch nicht weh getan. Und das ist der Punkt. Es muss nicht mal Schmerz sein. Wenn ein Autist das Gefühl hat, das kann ich nicht, wie soll ich die Bedürfnisse erfüllen? Das Gefühl ist mir jetzt zu intensiv, damit kann ich nicht umgehen..., dann kommt der Rückzug. Aber dir brauche ich das nicht zu erklären, da du das bestimmt selbst kennst. Also deine innere Welt.

Und das Pauschalisieren finde ich schlimm. Jemand liest hier, das Herz wurde gebrochen von zwei Autisten, kommt die Antwort, was sie denn von Autisten sonst erwarten. Das sind oft Desinformationen und wenig Wissen über Autismus.

22.08.2020 02:20 • #22


A
Liebe Meowmy, ich finde das total großartig, wie du du damit umgehst. Aber ehrlich: Wer will und kann das schon auf Dauer? Jede/r? Wenige. Und das müssen sie auch nicht. Ich finde es toll, wenn auf jeden noch so schwierigen Topf ein Deckel passt. Aber das endet für die Normalos eigentlich auch sehr oft sehr bitter.


Ich bin mit Aspergern (beruflich) befreundet, was schon mal total schwierig ist, weil es recht schnell übergriffig wird. Aber klar, soziale Gepflogenheiten sind ja nicht vakant. Und als ich mal interessenshalber fragte, gell, du hättest null Problem, wenn ich von einem Serienkiller aufgeschlitzt würde, hört man: Nö, wieso? Findet sich schon wer anderer, der dich ersetzt. Auch, wenn das für mich mit einer Umstellung verbunden und schwierig wird für mich. Aber die Chance, dass mich deswegen ein Serienkiller aufschlitzt, ist ja nicht signifikant.

Muss man schon auch wollen, diese Haltung. Welche ja per se keine falsche Ist. Aber die meisten Menschen hätten es doch gerne, wenn es der andere nicht gar so rational sähe... Und das sollte man vielleicht auch respektieren.

22.08.2020 02:24 • #23


_Tara_
Es gibt eine neue Sendung auf Netflix zum Thema: Liebe auf dem Spektrum.

22.08.2020 03:23 • #24


M
Arnika, diese Antwort von dem Autisten, mit dem Serienkiller und du seist ersetzbar, ist grauenhaft. Da rede auch ich nichts schön. Und da wundere ich mich doch arg, denn solche Kaltschnäuzigkeit kenne ich von meinem Partner nicht. Er hat einen sehr ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und ist von Gewalt jeglicher Art abgeneigt. Übergriffig wurde er auch niemals.

Wenn Autisten so herzlos reagieren, dann ist da nicht allein der Autismus das Problem, sondern die Werte, die in der Kindheit vermittelt worden. Auch Autisten sind nicht davor gefeit einen abschreckenden Charakter zu entwickeln. Genauso wie es auch Normalos gibt, die kaltherzig reagieren und handeln. Sind wir Nichtautisten bessere Menschen? Haben wir das Recht uns dermaßen zu erhöhen?

Mein Partner ist umgekehrt Opfer einer neurotypischen Dame geworden, die ihr Leben auf ständige Bestätigung ihres S. aufbaute. Dafür brauchte sie mitunter Bettgeschichten mit anderen Männern. Sie hatte auch keine Skrupel ihm an den Kopf zu werfen, dass Fremdgehen anstrengend ist. Und auch keine Skrupel ihm zu sagen, dass er ohne sie Zugrunde gehe. Sehr empathisch.

Und nein, er hat sich nicht als Opfer dargestellt. Er glaubte, er sei Schuld, wegen seiner Art mit Menschen umzugehen. Er erzählte dennoch alles sehr sachlich, also die Situationen, die er erlebte. Da kam nie ein, die doofe Kuh, das Miststück oder sonst irgendwas. Auch rät er anderen nicht, sich nicht auf Nichtautisten einzulassen. Viel mehr versucht er unsere Welt zu verstehen.

Und er wird nicht der einzige Autist sein, der so ist. Wie gesagt, es kommt auch bei ihnen darauf an, was im Leben zuvor passiert ist oder was auch nicht. Besonders in der Kindheit und Jugend.

Und ja, für eine Beziehung mit Asperger muss man gemacht sein und sich gut überlegen, ob man gewisse Schwierigkeiten meistern kann oder möchte. Dafür ist aber eben gut, sich zu informieren. Übrigens, mit einem Asperger, dem es gleich wäre, dass ein Serienkiller mich umbringt, würde auch ich mein Leben nicht verbringen. Das würde mich dann tatsächlich an Narzissmus erinnern, denn die sind sich ja selbst nur wichtig und ersetzen gerne den Menschen an ihrer Seite.

Da stellt sich mir gerade die Frage, können nur Neurotypen Narzissten sein oder auch Autisten? Sind diese davor gefeit, durch Erziehung gewisse Störungen zu entwickeln? In was für einer Einrichtung hast du gearbeitet? Waren dort jene Autisten, die auf die schiefe Bahn gerieten?

Ich habe mit jedem Mitgefühl, der in einer Beziehung gedemütigt wird. Da mache ich keinen Unterschied, ob ein Autist oder Nichtautist sein Gegenüber respektlos und kaltherzig behandelt. Aber pauschal sagen, was man sonst von einem Autisten erwarte, finde ich sehr gewagt. Wenn ich damals hier gelandet und hätte das gelesen, hätte mich das in meiner Entscheidungsfrage sehr gehindert und mein Bild über Autisten wäre in eine andere Richtung geraten.

Besser ist es die Menschen zu ermutigen, sich zu informieren. Jeder kann sich dann entscheiden, ob das für einen vereinbar ist oder nicht. Hinzu kommt dann noch der Charakter des Autisten, denn auch sie sind trotz allem Individuen.

22.08.2020 10:19 • #25


M
Tara, vielen Dank für den Link. Ich werde mir die Sendung gemeinsam mit meinem Partner heute Abend anschauen.

22.08.2020 10:20 • #26


A
Naja, wir hatten beruflich gerade über Gewalttaten gesprochen, das kam nicht aus dem Nichts Aber ja, ich fand es auch nicht so wirklich fein, zeigte mir aber auch, wie hier die Denke ist. Unempathisch halt und unterm Strich wertfrei betrachtet: Eigentlich auch nur pragmatisch.

Wobei, es gibt Abstufungen. Und sind ja auch nur Menschen mit unterschiedlichen Charakteren. Ich möchte nur darauf Hinweisen, dass Verständnis ja gut und richtig ist, aber wir es hier mit Menschen zu tun haben, die schon sehr anders ticken als der Durchschnitt. Und einfach ist das dann nicht. Kann Vorteile haben, aber dennoch, damit umzugehen, dass der andere nicht empathisch zwischen den Zeilen lesen kann und oft aus reinem Pragmatismus heraus denkt und handelt, ist sicher unterm Strich sehr schwierig.

Ich bin mir nicht mal sicher, ob ein Asperger lieben kann, wie wir es verstehen. Mögen und schätzen, ja klar. Aber so richtig rosarote Liebe? Weiß nicht.

22.08.2020 10:30 • #27


M
Ja, die Denkweise ist sehr rational, nicht gefühlsbetont. Habe eben kurz mit ihm gesprochen nach meinem Beitrag über diese Aussage. Seine Antwort war: Die Reaktion war rein aus dem logischen Aspekt. Gleichzeitig betonte er, dass aber auch er ersetzbar wäre, würde ihm etwas Schlimmes zustoßen. Seinen Job können auch andere machen. Sehen wir aber die Gewalttat an sich, den körperlichen Schmerz, die Brutalität dahinter, wünscht er das keinem Menschen.
Und dann noch: Trifft es einem Menschen aus seinem eng vertrauten Umkreis, würde ihn das brechen. Sein Sohn, sein Enkel wie auch mich sieht er nicht als ersetzbar. Eine Jobposition wertet er da anders. Die Aufgaben können auch andere bewältigen.

Und ich möchte dir ausrichten, dass solche Fragen sehr schwierig sind, weil auch er wüsste nicht, aus welchem Aspekt heraus diese gestellt wird. Er hätte euch wahrscheinlich auch diese Antwort gegeben. Würde eine reale Bedrohung im Raum stehen, würde er handeln und die Polizei informieren. Gewalttaten sind nicht zu entschuldigen und niemanden steht das Recht zu, den anderen zu verletzen oder töten. Sehr rational ausgedrückt, aber trotzdem nicht kaltherzig.

Es sind übrigens auch nicht Autisten, die bei Unfällen ihr Handy heraus halten und sensationsgeil Fotos machen, anstatt zu helfen. Hört er von einem schweren Unfall, bewegt ihn das nicht, im Gegensatz zu mir, die bei solchen Meldungen mitleidet. Sieht er einen Unfall live, bleibt er stehen und geht dem nach was er für richtig hält. Polizei und Krankenwagen rufen, zu den Unfallopfern gehen, wenn notwendig ist, erste Hilfe. Diese Situation hatte er schon. Er sprach mit dem Unfallopfer ruhig und rational um ihn wachzuhalten bis der Notarzt dort war. Fragte nach seiner Familie, sagte ihm, dass er an sie denken soll. Keine Hektik oder Panik. Problematisch wäre es geworden, wäre er der Verursacher gewesen. Das hätte ihn außer Gefecht gesetzt, dieser sogenannte Meltdown.

22.08.2020 11:02 • x 2 #28


A
Ich bin bei dir, dass es durchaus Vorteile haben kann, wenn sich der andere nicht so sehr in Befindlichkeiten verliert. Und Gruß an deinen Mann! Ich würde es auch gar nicht als kaltschnäuzig bezeichnen. Das ist anders, vielleicht auch klarer: Er hat sich ja weder an der Vorstellung ergötzt, noch Trauer geheuchelt. Unterm Strich war er nur ehrlich: Da weiß man schon, woran man ist Und ja, er hat ja auch recht. Auch, wenn wir viele kollegiale Momente verbrachten, unterm Strich stehen wir uns nicht nahe und es kann ihm wurscht sein, ich bin ersetzbar, er muss sich halt umgewöhnen, aber was solls. Stimmt ja auch.

Es ist nur für mich eine sehr bezeichnende Aussage. Vielleicht klarer und auch ehrlicher im Denken und Handeln, aber dabei zeigt schon sehr gut der Unterschied zu, sagen wir mal, sozialen Gepflogenheiten. Weil selbst, wenn sich ein anderer Kollege denkt, jo mei, wenn er ehrlich ist, sagen würde er es nicht. Das ist nicht nur ein bisserl wortkarg oder tollpatschig im Umgang. Die Denke ist eine andere. Ehrlicher und weniger Gefühls-fakend vielleicht. Aber so egal ist es einem dann doch nicht, wenn dir ein Kollege sagt, mit dem du kollegial-freundschaftliche Bande hast, es würd mich nicht wirklich tangieren, wenn dich ein Serienkiller aufschlitzt. Schwierig. Und in einer Beziehung, nochmal schwieriger. Bei dir kümmerts mich schon, aber bei deiner besten Freundin wärs mir an sich wurscht, Hauptsache, es wirkt sich nicht auf mich aus. Das ist wie in Lost in translation.

22.08.2020 11:20 • x 1 #29


M
Arnika, ich finde diese Unterhaltung sehr interessant, auch deine Erfahrungen. Würde da auch tiefer einsteigen. Da es aber ein Beziehungsforum ist, versuche ich nicht noch weiter auszuholen. Aber was mich noch interessiert, welches Alter haben die Autisten, die ihr gefragt habt?

Mein Partner ist bereits 58 und ich 43. Wir haben beide schon viel gesehen und erlebt. Er hat seine Diagnose als zweite Chance gesehen. Allerdings ist er keiner, der sich hinstellt und sagt: Ich bin Autist, sage alles frei heraus, weil ich nicht anders kann. Er versucht uns zu verstehen, so wie die Autisten hier, die sich erkundigen möchte über unsere Gefühlswelten. Auch weiß er bei mir, dass ich ihn in die Schranken weise, wenn er es übertreibt und klare Ansagen mache. Er bockt dann herum. Ich lasse ihn bocken und gehe meine eigenen Wege (Hobby oder Besuch bei einer Freundin).

Wenn er dann wieder zu mir kommt, weise ich ihn niemals zurück und spiele beleidigte Leberwurst. Er entschuldigt sich auch. Selbst bei Kollegen, wenn er zu weit gegangen ist. Aber das alles musste er lernen und das klappt nur, wenn auch der Autist dazu bereit ist.

22.08.2020 11:24 • #30


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