Zitat von wheresizzy12:Ich denke tatsächlich, dass sie weniger damit ein Problem hätte, wenn ich Moslem, Hindu, Jude, etc. wäre. Der Nicht-Glaube macht ihr Sorgen, weil ihr das in der Erziehung von Kindern das nehmen würde, was sie gerne vermitteln will
Das hast Du perfekt erkannt. Auch für Moslems, Hindus, Juden, etc. ist eben dies der springende Punkt und letztlich geht es
immer um die Kinder dabei, schon lange bevor die überhaupt das Licht der Welt erblicken.
Und jetzt versuch mal, Dich auf eine Metaebene zu heben und das Ganze - rein logisch - zu spiegeln:
Genau so sehr, wie
Dich offenbar schon die Vorstellung anwidert,
Deine (ich schreibe bewußt nicht: Eure) noch nicht mal vorhandenen Kinder schon jetzt vor Deinem geistigen Auge als praktizierende Christen aufwachsen zu sehen, die ihren Halt in der Glaubensgemeinschaft einer Kirche suchen, deren Geschichte Du aufgrund ihrer sattsam bekannten Schattenseiten (als Beispiel sei die auch auf protestantischer Seite erfolgte Anbiederung ans NS-Regime genannt) so rigoros ablehnst, daß Du mit der kompletten Institution absolut nichts zu schaffen haben willst und sie am liebsten sogar gänzlich verschwinden sähest...
... genauso sehr geht es gläubigen Menschen wie Deiner Freundin gegen den Strich,
ihre noch nicht mal vorhandenen Kinder schon jetzt vor
ihrem geistigen Auge als überzeugte Atheisten aufwachsen zu sehen, deren Wirken im Lauf der Geschichte u.a. diverse sozialistische Regimes hervorbrachte, welche allein im 20. Jahrhundert über 100 Millionen Menschen auf zum Teil barbarische Weise umerzogen oder ermordet haben und in Ländern wie China oder Nordkorea auch weiterhin fortfahren, dies zu tun (Stichwort: Staatlich organisierte und erzwungene Organentnahmen bei Falun Gong-Anhängern in China, um nur mal ein Beispiel zu nennen). Hinzu kommen noch die Opfer der NS-Ideologie, welche zwar das Sozialismus im Parteinamen, aber gegenüber den vorgenannten Systemen sattsam bekannte Alleinstellungsmerkmale hatte, weshalb ich sie separat anführe.
********** Exkurs **********
Gemeinsam ist Stalinisten, Maoisten, Roten Khmer, etc. und NSlern allerdings ihr totalitärer Ansatz: Sie alle maßten sich an, die Schöpfung in Frage zu stellen und komplett neue Menschen
selbst erschaffen zu wollen - und zwar nicht nur im Dutzend, sondern massenhaft: Sozialisten
aller Länder, vereinigt Euch bzw. Heute gehört uns Deutschland und morgen die
ganze Welt! sind Schlachtrufe, die bis heute bekannt geblieben sind. Um diese monströ... äh: ehrgeizigen Ziele durchzusetzen, erschien es notwendig, die vorhandenen Menschen 24/7 zu kontrollieren und entsprechend zu bearbeiten, sofern man sie nicht gleich ganz beiseite schaffte. Dabei folgte die Führung dieser Regimes ihren
eigenen Maßstäben, da sie sich eben nicht als Volks
vertreter, sondern als
Schöpfer einer neuen Welt sahen.
So wie der katholische Papst einen Unfehlbarkeitsanspruch auf als letztgültig (= unwiderruflich) proklamierte Lehrentscheidungen in Glaubens- oder Sittenfragen erhebt, so sahen sich auch die genannten Regimes als Avantgarde, wenn es darum ging, sich ihre eigenen Menschen neu zu erschaffen. Nichts störte da mehr, als wenn jemand mit einer abweichenden Weltanschauung an dieser alleinigen Deutungshoheit herumkratzte.
Schon die bloße Existenz einer anderen Haltung stellte daher eine potentielle Bedrohung dar. Aus Sicht eines ernsthaft Gläubigen ist das Ansinnen solcher Regimes, Gottes Schöpfung und deren Krone (den Menschen) durch eine eigene Kreation zu ersetzen, aber nun mal ein glasklarer Fall von Blasphemie. Daher wird dieser Personenkreis derlei Ambitionen weder aufrichtig akzeptieren, noch mit dem parteistaatlich geforderten Enthusiasmus fördern wollen bzw. können. Damit gilt er aus Regimesicht nicht nur als unzuverlässig, sondern letztlich als 5. Kolonne, die die neue Welt potentiell in ihrem Kern
bedroht.
Je geschlossener die religiöse Weltanschauung, desto stärker wird diese
Bedrohung wahrgenommen und bekämpft (aus Sicht solcher Regimes ein reines Verteidigungshalten, auch wenn es damit de facto unschuldige Zivilisten trifft). In der Tat ist sie kein Hirngespinst: So etwa beendete Autor Eugen Kogon in seinem 1946 erschienenen Buch Der SS-Staat das Kapitel über den KZ-Block für die Bibeltreuen (= Zeugen Jehovas) mit der Aussage, zwar hätten die SS-Wärter ein grausames Katz- und Mausspiel mit dessen Insassen betrieben -
aber aus psychologischer Sicht nie völlig die Oberhand gewonnen dabei. Wenn ich recht entsinne, war es Ian Kershaw, der in seiner AH-Biografie schilderte, daß nur wenige Menschen es schafften, sich zumindest innerlich der Massenbegeisterung zu entziehen, die im Reich u.a. anläßlich erster Erfolge seiner neuen Führung ab 1933 um sich griff. Tendentiell sei dies vor allem jenen gelungen, die selbst ein geschlossenes Weltbild hatten, das sich schon vor der Machtübernahme hatte festigen können: Neben Sozialisten (auch Honecker war mal KZ-Insasse!) waren dies meist religiöse Menschen. Ich bestreite nicht, daß es auch unter diesen Gruppen genug opportunistische Wendehälse gab, aber dennoch stechen sie besonders ins Auge.
Spannend daran ist vor allem, wie geflissentlich dies bis heute von der Linken übersehen wird, wenn es darum geht, sich ernsthaft damit auseinanderzusetzen, wer im 3. Reich damals
nicht mitgelaufen ist oder gar aktiv mitgewirkt hat. Man muß kein Bibeltreuer sein um rasch zu durchschauen, daß dahinter eine ähnliche Motivation steckt wie man sie auch bei der Firma Bradford Exchange vermuten darf, die neulich eine Erinnerungsmünze an den WW2 prägte, auf der nur die USA, GB und Frankreich, nicht aber die UDSSR abgebildet ist...
Die damaligen Sozialdemokraten scheinen die einzigen gewesen zu sein, deren inneres Exil nicht auf einem eigenen Tunnelblick zu fußen schien. Allerdings ist es in meinen Augen kein Zufall, daß ausgerechnet ihre Partei in der Nachkriegszeit zu etwas umfunktioniert werden konnte, das so gar keinen Wiedererkennungswert mehr hat... zum Glück mußten Friedrich Ebert und Otto Wels diesen Niedergang nicht mehr persönlich miterleben.
********** Exkurs Ende **********
Um es abzukürzen: Nicht umsonst blieben Sozialisten und NSler nicht nur einander spinnefeind und sondern zugleich erbitterte Feinde jeglicher Religion.
Dazwischen liegt politisches Tagesgeschäft: Sei es, daß NSler sich (aus ihrer Sicht) vorübergehend mit den großen Kirchen arrangierten (AHs erster diplomatischer Erfolg in Sachen internationale Vertragsabkommen war bekanntlich ein Konkordat mit dem Vatikan, das bis heute Bestand hat) oder sei es, daß sie Stalin dazu brachten, sich mit ihnen auf einen Nichtangriffspakt zu verständigen und Polen untereinander aufzuteilen, wohingegen noch wenige Jahre zuvor der Vatikan verhandlungstechnisch mit Lenin keinen einzigen Millimeter vorangekommen war, wie u.a. Karlheinz Deschner in seinem Werk Die Politik der Päpste im 20. Jahrhundert besonders hervorgehoben hat.
Dem ganz
persönlichen Glauben - ob nun an Gottes Existenz oder an die klassenlose Gesellschaft - tun solche Episoden keinen Abbruch. Und genauso wenig, wie
Du ganz persönlich an genau dieser Stelle nichts mit dem Treiben erklärter Atheisten wie Stalin, Mao, Pol Pot oder eben auch AH etwas anfangen kannst (ich setze das jetzt einfach mal voraus) und es daher als
persönlichen Angriff empfinden würdest, nähme jemand
Deinen Atheismus zum Anlaß,
Dich in deren geistige Nähe zu rücken, genauso unfair wird wohl auch Deine Freundin
sich umgekehrt von Dir behandelt fühlen, sobald Du ihr die Religionskriege von gefühlten 2000 Jahren um die Ohren haust. Dies vor allem dann, wenn Du schon jetzt daran Anstoß nimmst, daß sie ihre noch nicht mal geborenen Kinder nach
eigenen Vorstellungen erziehen will.
Es
ist aber ein persönlicher Angriff, wenn Du rund 500 Jahre allein lutherischer Kirchengeschichte so pauschal auf eine Einzelperson (hier: Deine Freundin) projizierst - allein dafür, daß sie sich als Protestantin geoutet hat. Mal abgesehen davon, daß Deine Aversion die innere Metamorphose gerade der evangelischen Kirche in jüngerer Zeit völlig negiert, unterstellst Du Deiner Freundin damit latent, es bedürfe nur einer Änderung der äußeren Verhältnisse, und schon werde sie sich mit ihren Glaubensgeschwistern zusammenzurotten und gegen Atheisten oder Andersgläubige vorgehen.
Oder was sonst
fürchtest Du so sehr, daß Du schon jetzt meinst bis in die nächste Generation hinein sicherstellen zu müssen, daß dieser Teil von
ihr auf gar keinen Fall fortbestehen möge?
Mit diesem Ansinnen bist Du auch als Atheist nämlich de facto gar nicht mehr so weit weg von dem, was Du so ablehnst, oder denkst Du, es käme von ungefähr, daß die Frauen von Michael Douglas (Catherine Zeta-Jones) oder Michel Friedman (Bärbel Schäfer) erst mal zum Judentum übergetreten sind, ehe sie geheiratet haben?
Jüdisch ist, wer Kind einer jüdischen
Mutter ist. Das Religionsgesetz, die Halacha ist da eindeutig.
Allein auf die Mutter kommt es an. Herkunft und Glauben des Vaters sind
irrelevant.
(Jüdische Allgemeine vom 17.08.2006)
Zitat von wheresizzy12:Wir hatten über diese Zeit bis vor 1 1/2 Wochen keinen Streit. Wir sind uns absolut in vielen grundlegen Dingen (ethische Ansichten, politische Grundüberzeugungen, Lebensvorstellungen) einig und deswegen kam es da auch bisher nicht zu großen Reibungen.
Religion kann aber auch grundlegend für ethische Ansichten sein und ist definitiv Bestandteil einer Lebensvorstellung - also
wenn man gläubig ist. Deine Freundin hat sich schon jetzt auf erhebliche Konzessionen eingelassen, die ein tief gläubiger Mensch so nicht machen würde. Ich frage mich gerade ernsthaft, wieso Dich der verbleibende Rest dann immer noch so stört?
Aus Deiner Aussage da oben lese ich ein starkes Harmoniebedürfnis heraus. Beziehungen funktionieren aber nicht, weil Streit gar nicht erst aufkommt, sondern weil beide miteinander in einer Weise zu streiten wissen, daß niemand sich ganzheitlich abgelehnt oder gar verlassen fühlen muß.
Dazu gehört auch, daß man ein gewisses Feingefühl dafür entwickelt, was einen Streit wirklich wert ist und wo man sich besser zurücknimmt - auch ohne sich selbst deshalb zu verleugnen. Zudem sollte man wissen, wie man leben will; somit auch, was für Vorstellungen von Beziehung man hat und wer demzufolge für eine Partnerschaft in Frage kommt bzw. wer nicht.
Je nachdem, wie stark Deine Religionsphobie ausgeprägt ist, mag der Gedanke an (potentielle) Familiengründung mit einer religiösen Frau tatsächlich unerträglich sein. Alllerdings frage ich mich, wieso Du Dich dann überhaupt auf Deine Freundin eingelassen hast, statt Dich schon beim Daten auf Frauen zu beschränken, die erklärtermaßen atheistisch sind? Ist doch nicht schwer, sowas erst mal herauszufinden, ehe man sich weiter da rantastet.
Wenn ich mir Deine bisherigen Beiträge so durchlese, stelle ich mir allerdings die Frage,
was Dich nun wirklich so sehr stört:
Was ist denn so schlimm daran, wenn Deine Freundin sonntags mit Euren Kindern in die Kirche ginge, während Du in der Zeit etwas anderes unternimmst? Würde es Dich etwa umbringen, wenn Deine Kinder getauft werden, in den Konfirmationsunterricht gehen oder in einer Kirche heiraten? Inwiefern stört es Dich, wenn sie einmal die Woche zum Bibelkreis gehen, um sich dort mit Gleichgesinnten über ihren Glauben auszutauschen?
Würdest Du sie oder sie
Dich etwa ablehnen, nur weil Du mit alldem nichts anzufangen weißt?
Was genau ist Deine Befürchtung,
worauf konkret gründet sie sich?