Nähe-Distanz Bedürfnisse unter einen Hut zu bringen, ist immer eine Herausforderung. Und zunächst einmal verstehe ich Euch beide. Ich verstehe Dein Bedürfnis nach Paarzeit und auch sein Bedürfnis mit seinen Freunden, die ihn schon so lange begleitet haben, eventuell bei vorherigen Trennungen unterstützt und ein großer Teil seines Lebens sind, Zeit zu verbringen.
Weiters ist sein Vorwurf, Du wolltest ihn von seinen Freunden entzweien, nicht so ganz von der Hand zu weisen. Schau mal, er hat letzte Woche aktiv in die Paarzeit investiert und sich Dir zudem geöffnet, im Hinblick auf seine Sorgen und Belastungen. Anstatt großzügig zu denken, hey wenn der eine Freund, also nicht die ganze Gruppe mit der von Dir kritisierten Dynamik, mit beim Obst pflücken hilft, sind wir alle schneller fertig und es fällt Quality time für jeden ab, bist Du sofort in einer sehr unguten Aufrechnung drin.
Ich habe den Eindruck, daß es besser wäre, wenn Du erst einmal für Dich ein paar Dinge klarer siehst.
Der Wechsel von Fernbeziehung, in der jedes Treffen ein Highlight ist, weil man es kaum erwarten kann, den anderen wiederzusehen, zu einem gemeinsamen Leben, in dem sich auch der Alltag einschleicht und man den anderen hin und wieder auch als gegeben ansieht, ist vielleicht etwas, was Du da für Dich noch nicht so gut verarbeitet hast.
Dann wäre dann vielleicht auch noch die Frage, was denn reicht? Und das meine ich auf Dauer angelegt. Die oben genannte Situation ist ein gutes Beispiel. Ja natürlich ist es enttäuschend, wenn ihr erst darüber geredet habt, daß dies ein freies Wochenende ist und er dann einen Kumpel einlädt. Aber er hat sich aktiv um Paarzeit gekümmert und der Kumpel wird zum Helfen mit eingeladen. Will sagen, wenn Du möchtest, wirst Du immer wieder in jeder einzelnen Situation Dinge finden, die dich enttäuschen und die du kritisieren kannst. So machst Du aber langfristig ein Thema zum Dauerbrenner und schließlich die Beziehung kaputt. Und zwar nicht er, sondern zunächst Du.
Daher mal unbedingt in Ruhe überlegen, was denn (wirklich) reichen würde und wie realistisch das ist.
Schließlich, daß eine langjährige Freundschaft kaputt geht, ist sehr traurig und geht mit Verletzungen einher, aber, wie zB Tina schreibt, so etwas kommt vor. Bei zwei langjährigen Freundschaften, die beide (auch) an Deinem Klammern scheiterten, wäre ich geneigt, mich schwer auf den Hosenboden zu setzen und mal ganz genau zu schauen, welche blinden Flecke ich bezüglich meiner Anteile habe. Ich behaupte nicht, daß Du schuld bist, aber ein Inne halten und betrachten, fänd ich sehr ratsam.
Diese Freundschaftsenden könnten zudem dazu führen, daß Du nun noch mehr an Deinen Freund (auf ungesunde Art) hängst oder eben noch mehr Nähe von ihm einforderst, die Du aber eventuell eher in Deinen Freundschaften suchen solltest. Vielleicht hat es auch bei dir zu einer Verunsicherung geführt, die Du jetzt unbewusst mit in die Beziehung trägst.
Hast Du Deine Kindheit eigentlich mal aufgearbeitet? Kinder von suchterkrankten Eltern haben eigentlich immer ein Nähe-Distanz Thema (neben anderen) als Erwachsene.
Schließlich frage ich mich, ob ihr darüber gesprochen habt, inwieweit Du Deinen Freund eventuell auch entlasten könntest, was seine Sorgen und Nöte angeht. Schau mal Beziehungen sind auch Arbeit, sie sollten aber nicht nur Arbeit sein. Wenn Dein Freund zuhause das Gefühl bekommt, daß da einerseits die immer bedürftig werdenden Eltern sind und andererseits eine Lebensgefährtin, die 6-7 von 10 mal anfängt Beziehungsgespräche über Paarzeit vom Zaum zu brechen, dann wird er seine Freunde als die (einzige) Lösung sehen, um mal fünf grade sein zu lassen und eine Auszeit zu bekommen.
Also versuch mal in Ruhe zu schauen, was denn wirklich reichen würde, wo Deine Anteile sind und dann sprich offen mit Deinem Freund, wie ein lebbarer Kompromiss aussehen könnte.
26.08.2023 08:32 •
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