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Plan B

Autsch123
Ich würde dir diesen Brief am liebsten schicken, aber es würde sich nichts ändern. Außerdem zeigst du mir mit deinem Verhalten, wie verletzt und getroffen du bist. Ich respektiere es, auch wenn es mir schwer fällt.

Wir.
Vor gut dreieinhalb Jahren lernten wir uns über Tinder kennen. Es war eine schwierige Zeit. Meine geliebte Oma war gestorben, mein Papa lag kurz darauf im Sterben. Du warst da, du warst stark und du strahltest eine Zuverlässigkeit aus, die deine Vorgänger nicht besaßen. Ich hatte einige tiefe Kratzer aus der Vergangenheit und du eine kleine Tochter aus der vorherigen sehr schwierigen Beziehung.
Wir lernten uns kennen und lieben. Du zogst binnen kurzer Zeit zu mir. Du hattest kaum Sachen, da du die deiner Ex überlassen hattest. Du musstest nun deutlich weiter fahren um zur Arbeit zu kommen. Viel Zeit verbrachtest du mit der Fahrerei. Dafür schmiss ich den Haushalt, die Küche und alle Einkäufe. Für uns. Ich habe es gern gemacht, damit wir Zeit hatten. Zeit füreinander.
Wir waren am Anfang viel unterwegs. Wir waren Essen, im Urlaub, im Kino, bei unseren Familien. Wir waren glücklich. Städtetrips und witzige Unternehmungen waren unser Lebenselixier.
Ein Dauerbrenner von Beginn an, war das Thema Zeit zwischen uns. Am Anfang stritten wir regelmäßig darüber, weshalb ich wieder 10 Minuten später aus der Schule zurück war, weshalb ich noch länger arbeiten musste oder weswegen ich schon wieder Gesprächstermine hatte, während du von der Schicht zu Hause warst. Wir versuchten Kompromisse zu finden, jedoch gab es in all den Jahren immer wieder "Theater", weil du fandest, dass ich meine Zeit zu sehr mit anderen verbrachte, zu viel arbeitete oder "schon wieder" zu meiner Mutter fuhr. Dein Hobby und deine Freunde waren was anderes, denn diese Zeit war nun mal notwendig und sinnvoll investiert. In diesem Punkt waren wir nie einer Meinung und es gab echt regelmäßig Streit.
Mit deiner Tochter verstand ich mich blendend. Ich mochte sie und sie mochte mich. Alle 14Tage besuchte sie uns und ich tat alles, damit sie sich wohl fühlte. Deiner Ex war es selbstverständlich ein Dorn im Auge. Sie versuchte ALLES, um einen Keil hineinzutreiben und irgendwann gelang es ihr. Es tut mir bis heute unendlich leid, dass ihr keinen Kontakt mehr habt, dass du dein Mädchen nicht mehr sehen darfst. Ich habe gespürt, welche Opfer du gebracht hast, wie schlimm diese sinnlosen Telefonate mit der verrückten Mutter waren und wie unglücklich du warst, dass es so verlaufen ist. Geredet haben wir kaum darüber und ich glaube bis heute, dass es wichtig gewesen wäre. Deine Mutter und Schwester stürzten sich wie Hyänen auf dich, verschonten dich mit keiner verrückten Idee oder einem irren Erklärungsansatz. Du konntest tatsächlich nichts für das Drama, sogar das Gericht sah, dass du komplett im Recht warst. Kontakt gab es trotzdem keinen!
Wir lebten miteinander und wir waren glücklichund irgendwann wurde Vieles selbstverständlich. Ich glaube das war unser Untergang. Ich schaute, dass ich pünktlich war, damit wir nicht stritten, ich schmiss den Haushalt und die Küche. Meine Freundschaften beschränkte ich auf ein Mindestmaß. Du warst mit meinem Auto unterwegs, um deine Kilometerlaufleistung nicht zu belastenund es zog der Alltag ein. Es gab keine Blumen mehr oder kleine Aufmerksamkeiten. Unsere Telefonate drehten sich vorrangig um Essen und zu erledigende Aufgabenvielleicht erwartete ich auch einfach zu viel. Du hast oft gesagt, dass es normal ist, wenn es Alltag gibt und diese romantischen Gefühle weniger werden. Ich glaube, das dies nicht mein Problem war. Ich fühlte mich einfach nicht mehr gesehen.
Dann kam Corona und in dieser Zeit merkte ich, dass uns doch weniger verband, als ich dachte. Essen gehen, Kino gehen und Urlaub mussten ausfallen. Zu erzählen gab es immer weniger. Du fuhrst zur Arbeit und ich in meine Schule. Trotzdem hatten wir uns wenig zu sagen. Als ich sagte, dass wir reden müssen, erklärtest du mir regelmäßig, dass du "nicht schon wieder Lust auf reden hast" und "jetzt nicht reden möchtest". Als ich dich darum bat, im Haushalt zu helfen fielen Sätze wie: "Du hast ja früher hier auch allein geputzt.", "Ich muss mich entspannen.", "Es ist ja gar nicht dreckig."
Auf die Bitte zum Einkaufen zu fahren, während ich putze, fielen dir auch endlos viele Argumente eindu kannst das nicht, die Maske ist so schrecklich, es ist da immer so voll, ich bin schnellerEinerseits wolltest du Zeit verbringen, andererseits jedoch nur zu deinen Bedingungen. Es war dir wichtig, dass wir täglich Serie guckten oder Filme ansahen. Bedauerlicherweise waren wir auch diesbezüglich komplett verschieden Mord und Totschlag war deinsich ertrug es kaum. Als "Kompromiss" guckten wir von dir ausgesuchte Mord und Totschlag Dinger. Und wenn ich etwas nach meinem Geschmack aussuchte, gingst du zum Onlinepokerspieldas war dein Verständnis von Kompromiss.
Wir unternahmen kaum mehr etwas miteinander. Du liebtest die Couch, den Fernseher und den Balkon mit Handy und dem ein oder anderen Feierabendbier. Ich ging wandern und spazieren. Allein.
Wir haben uns in dieser Zeit verloren und leider nie wieder gefunden. Ich war extrem frustriert, hatte kaum mehr Lust auf S. und ja ich habe auch manchmal einen Streit provoziert, damit wir reden mussten. Mit Komplimenten wurde nicht gegeizt. bah geh mal wieder zur Kosmetik oder du hast aber schon zugenommen. hatte ich tatsächlich nicht!
Ich bin Stück für Stück abgekühlt und leider lasse ich mich nicht mehr entflammen. Nachdem du das erste Mal gehen musstest, wolltest du alles anders und besser machen. Du warst schockiert, als ich dich vor die Tür gesetzt habe. Es tut mir furchtbar leid, dass ich dachte wir können es reparieren. Ich wusste in mir, dass es nicht geht. Ich habe es mir gewünscht. Leider waren meine Gefühle weg. Leider konntest du sie mit allen Blumen, Pralinen, Einkäufen und Putzaktionen nicht reanimieren. Als du das erkannt hast, bist du fast wortlos gegangen. Du hast deine Sachen genommen, dich umgedreht und bist gegangen. Ein paar verletzende Sätze musstest du noch loswerden. Dann warst du weg.
Am Anfang war es nicht schlimm. Es tat nicht weh. Ich war fast erleichtert. Ich konnte gehen wohin ich wollte, mich treffen mit wem ich wollte und tun und lassen, was ich wollte.
Dann musste ich Kontakt aufnehmen. Es fiel mir nicht leicht, aber ich habe dich respektvoll verabschiedet und sah kein Problem dich nach 10 Wochen anzuschreiben. Du hast mich abgebügelt, du hast mich behandelt wie eine Fremde und absolut verachtenswerte Person. Das hat mich getroffen. Das tat weh. Du hast mich mittlerweile überall blockiert und gelöscht. Ich akzeptiere es, auch wenn es weh tut. Du fehlst mir als Mensch. Deine Aussage, dass du mit mir die schönsten drei Jahre deines Lebens verbracht hast, hallen nach. Ich dachte es gibt keinen Plan B. Mittlerweile lebe ich Plan B.

Ich wünsche dir, dass du die Frau findest mit der du das Leben führen kannst, was dich glücklich macht. Ich wünsche dir Kontakt mit deinem Kind. Und ich wünsche mir, dass du irgendwann nicht nur mit Groll und Hass auf unsere Zeit zurückblickst!
Machs gut und pass auf dich auf!

05.07.2021 17:34 • x 2 #1


F
Klingt wie 2 Menschen aus verschiedenen Welten. Sowas geht nicht lange gut.

05.07.2021 17:59 • x 1 #2


A


Plan B

x 3


Snipes
Zitat von Felica:



Klingt wie 2 Menschen aus verschiedenen Welten. Sowas geht nicht lange gut.


Lese ich leider auch so. Plan B scheint der richtige zu sein.

05.07.2021 18:04 • x 2 #3


Autsch123
Leider erst nach über drei Jahren so deutlich gesehen. Es ist okay so, aber irgendwie doch traurig.

05.07.2021 18:11 • x 1 #4


C
Klingt für mich aber danach, dass die Welten, also Milieus, weit weniger das Problem waren als eine unterschiedlich verteilte Reflexionsfähigkeit und Kompromissbereitschaft.
Schade, ich glaube, dass du ihn wirklich sehr geliebt hast und ihm vieles nachgesehen hast, aber eben nicht dieses Nur-Nehmen, ohne gleichermaßen etwas zu geben. Und das ist dein gutes Recht.

05.07.2021 18:26 • x 1 #5


F
Zitat von Carlaa:
dass die Welten, also Milieus, weit weniger das Problem waren als eine unterschiedlich verteilte Reflexionsfähigkeit und Kompromissbereitschaft.

Das resultiert mitunter daraus.

05.07.2021 18:29 • x 1 #6


Nemaj
In deinen Worten steckt so viel Enttäuschung, Schmerz und Ernüchterung.
Wenn nur einer kämpft, ist der Kampf schon verloren. Und wenn es keine Kompromisse mehr gibt, ist eine Partnerschaft am Ende.
Ich wünsche dir, dass du die Trennung gut verarbeiten und irgendwann bereit sein kannst für einen Neustart.

05.07.2021 18:54 • x 1 #7


Autsch123
@Nemaj
Ich glaube, dass Niemand nur Licht ist sondern auch jeder Schatten trägt. Meine Sicht ist natürlich ich-gefärbt und einseitig.
Ich bin enttäuscht von ihm, aber nicht mehr wegen der Beziehung, sondern wegen seiner Reaktion auf meine Kontaktaufnahme. Ich kenne Niemanden, den ich derart abbügeln und stehen lassen würde. Das tat weh!

05.07.2021 19:17 • #8


Nemaj
Zitat von Autsch123:
Meine Sicht ist natürlich ich-gefärbt und einseitig.

Natürlich ist das ganze dein subjektives Empfinden. Kann ja auch gar nicht anders sein, denn es macht ja etwas mit DIR!

Zitat:
Ich bin enttäuscht... wegen seiner Reaktion auf meine Kontaktaufnahme.

Das kann ich absolut nachempfinden.
Du hast schließlich eine andere Erinnerung an deinen Partner und auch eine gewisse Erwartungshaltung, die zutiefst enttäuscht wurde. Da darfst du dich verletzt fühlen.
Verletzungen heilen wieder und jetzt weißt du, woran du bist. Es gilt, deine Verletzungen zu versorgen und ihnen Zeit zur Heilung zu geben. Achte auf dich!

05.07.2021 19:35 • x 1 #9


Autsch123
@Nemaj
Vielen Dank!

05.07.2021 19:36 • #10


A


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