In Liebesangelegenheiten wird man der Enttäuschungen nie müde.
Emanuel Wertheimer Es gibt alles - nur keine Selbstverständlichkeiten:
Der (richtige) Umgang mit zwischenmenschlichen Enttäuschungen!?
Kaum etwas verursacht bei uns so viel Frustration wie Enttäuschungen, die wir durch das Verhalten anderer Menschen erleben. Der Schlüssel liegt natürlich darin, wie wir selbst mit unseren Erwartungen umgehen. Dazu habe ich mir vor längerer Zeit einmal Gedanken gemacht und meine Erkenntnisse von damals möchte ich nun teilen.
1.)
Außer dem älterwerden und dem Tod ist nichts selbstverständlich bzw. garantiert im Leben. Nicht die Fürsorglichkeit oder Liebe der Eltern, nicht die Liebe eines Partners, die Rückmeldung nach einem Date, die Einhaltung einer Verabredung, die Treue, Nachsicht und Loyalität eines Freundes, oder die Wertschätzung eines Kollegen. All dies hängt von der Befähigung der Akteure, von ihrem Willen, aber auch ihren Kräften ab. Und in den meisten hier genannten Fällen auch davon, wie vielen anderen Menschen sie bereits Treue gelobt haben und welche Priorität in ihrem Leben sie einem einzuräumen in der Lage sind.
2.) Man kann aus diesem Grunde die Menschen nicht an ihrer Leistung, sondern nur an ihren wahren Absichten bemessen. Und die wahren Absichten sind nicht auf Anhieb zu erkennen.
3.) Natürlich sollte man jemandem, der einem Böses will, abweisend begegnen und von ihm Gerechtigkeit fordern. Aber man kommt im Allgemeinen nicht sehr weit damit, ständig Gerechtigkeit und die faire Behandlung der eigenen Person einzufordern, vor allem in Fällen, wo es die Verhältnismäßigkeit aus Sicht der Anderen übersteigt. Und das kann viel schneller der Fall sein, als man es aus der eigenen, vermeintlich objektiven Sichtweise heraus für möglich hält. Man muss immer vorsichtig damit sein, einem anderen Menschen Absicht bei seinem Verhalten oder unzureichendes Engagement zu unterstellen. Viele Menschen können aus ganz verschiedenen Gründen nichts anderes anbieten und wären sonst überfordert. Stattdessen muss man selbst robuster werden und akzeptieren, was man bekommt.
4.) Es ist immer ein Geschenk, wenn jemand einem Priorität in seinem Leben einräumt, denn es ist nicht selbstverständlich auch nicht in der Beziehung zu den Eltern, einem Partner oder Freunden. Dieses Geschenk, ist es auch noch so klein ausgeprägt, gilt es deshalb wertzuschätzen. Bleibt das Engagement des Anderen auf Dauer unzureichend und derjenige verweigert obendrein jede Einsicht sich zu ändern, kann man freundlich und ohne böse Worte seine Konsequenzen ziehen. Fair ist es, dem Anderen zuvor wohlwollend und konstruktiv eine Chance zur Erkenntnis und Veränderung des vorhandenen Defizits zu geben.
5.) Wenn man erkennt, dass man verlässliche Menschen zur eigenen Seelengesundheit braucht, sollte man sich genau solche Menschen suchen und muss sie sich verdienen. Trotzdem sollte man auch den weniger Verlässlichen nicht abschätzig oder moralisch von oben herab begegnen. Die eigenen Ideale können uns noch so zwingend vorschreiben, wie man sich selbst oder daraus abgeleitet ein anderer Mensch sich der eigenen Person gegenüber verhalten müsste es muss nicht von Anderen genauso gesehen werden! Die Entscheidungen der Anderen hängen von so vielen Faktoren in deren Leben ab, die wir nicht erahnen können. So lange einem selbst durch das mangelhafte Verhalten Anderer kein bedeutender Schaden widerfährt (zu wenig Aufmerksamkeit ist kein Schaden!), kann man von seinen Mitmenschen nicht ein besseres Verhalten einfordern. Denn würde ein gewandeltes Verhalten aus Druck erfolgen und nicht aus der Motivation des Anderen, wäre es keine freiwillige, eigenständige Leistung mehr und somit blieben beide Seiten davon unbefriedigt.
6.) Erkenne den Wert von Leuten, die an Dir festhalten, auch wenn Du selbst gegen deine eigenen Ideale oft verstösst, wahrscheinlich ohne es zu merken.
7.) Akzeptiere, dass die Welt so ist wie sie ist und nicht wie sie stattdessen sein sollte, es sei denn Du kannst aus eigener Kraft und ohne Zwang für Andere daran etwas ändern. Lerne zu entspannen, passiv zu beobachten, so lange dich nicht jemand um Rat explizit fragt. Erfahre die tatsächlichen Forderungen, die Andere an Dich stellen, anstatt deine eigenen ideellen Vorstellungen in die Absichten Anderer hinein zu projizieren. Vermeide es anzunehmen, sie forderten von Dir, was sie selbst nicht erbringen. Es sind ja nicht ihre Ideale, sondern in vielen Fällen die eigenen und es lohnt sich die Wertvorstellungen anderer Menschen respektvoll zu ergründen.
8.) Die Probleme vieler Menschen rühren daher, dass sie genaue Vorstellungen davon haben, welche Handlungen anderer Menschen selbstverständlich sein sollten. Dann verzweifeln sie darüber, dass ihre Erwartungen an der Realität scheitern. Daraus gibt es keinen Ausweg, außer den Menschen aus dem Weg zu gehen, denn es wird sich immer und immer wiederholen. Mehr noch, dieses Prinzip wenden sie auch auf sich selbst immer wieder an und stellen enttäuscht fest, dass sie ihrer eigenen Erwartungshaltung nicht gerecht werden können. Oft überträgt man die erlittenen Enttäuschungen unbewusst auf neue Bekanntschaften und Partner und erwartet von ihnen Wiedergutmachung, die sie nicht leisten können und nicht müssen.
9.) Man sollte den Blick auf sich selbst immer wieder überprüfen. Erkenne ich meine Stärken und Schwächen in einem ausgeglichenen Verhältnis? Die meisten Menschen sind sehr selbstkritisch und verzeihen sich ihre Faulheit nicht. Dann gehört es aber auch dazu sich Überforderungen selbst einzugestehen.
10.) Man sollte möglichst locker mit Enttäuschungen und Zurückweisungen umgehen, dabei keine bösen Absichten, noch nicht einmal die bewusste Reflexion, bei seinem Gegenüber unterstellen. Geduld und die Einsicht nicht jeden für sich gewinnen zu können, sind wichtig. Und Respekt, Liebe und Wertschätzung gegenüber Menschen, die einem ihre Wertschätzung ihrerseits zeigen. Dies ist nie selbstverständlich! Auch nicht, wenn eine Frau / ein Mann 'nur' freundschaftliche Interessen zeigt. Auch dies ist nicht selbstverständlich!
11.) Es muss einen Grund dafür geben, dass die Menschen nur noch wenig sensibel für ihre Mitmenschen sind. Ich denke, es ist das Übermaß an (gefühlten) Verpflichtungen, die uns alle heutzutage einspannen. Jeder x-te Facebook-Freund zieht ein wenig der geteilten Energie und verhindert, dass sich die Menschen auf einige wenige Menschen stärker konzentrieren können. Es ist überhaupt nicht mehr notwendig Verantwortung für jemanden zu übernehmen. Man hat halt 1000 Freunde und kann ausweichen. Und jeder will ein bisschen der Aufmerksamkeit abbekommen. Für Frauen gilt dies sowieso, da sie sich meist einer Reihe von Bewerbern gegenüber sehen. Etwas anderes sind nur die Jugendfreunde, die man noch vor Zeiten kennengelernt und zu schätzen gelernt hat.
So klar diese Dinge sind, es fällt meist trotzdem sehr schwer, sie zu beherzigen.