Personae

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Hallo!

Mir ist meine Lieblings-Persona abhanden gekommen.
Alle denen das Konzept der Personae vertraut ist, überspringen bitte diesen Absatz. Personae (= lat. #8222;Masken#8220;) sind die verschiedenen Gesichter, die wir der Welt, den Anderen zeigen; Rollen, Masken zwar, aber nicht solche, die wir spielen oder tragen sondern solche, die wir sind . Die Summe aller unserer Personae plus ein sie verklammerndes, selbstreflexives, zeitübergreifend-identisches Element ergeben uns (na ja, auf die Schwierigkeiten der Identität und diverse andere Probleme gehe ich hier lieber nicht ein :)).

Also noch einmal von vorn: Mir ist meine Lieblings-Persona abhanden gekommen. Mein in grauer Vorzeit (bin ich wirklich schon fast ein Jahr hier?!?) innigst Geliebter hat sie mitgenommen und irgendwo verbrannt. Es war meine schönste. Die ausdrucksstärkste und die, die am besten passte. Nie war ich so warm, so zärtlich, so respektvoll wie im Umgang mit ihm; ich war stark und aufrecht ohne jede Härte; ich habe ihm gegenüber gestanden, ohne ihn anders haben zu wollen, als ich ihn sah. O.k., vielleicht hätte ich eine Brille gebraucht, aber das ist ein anderes Thema. Durch unzählige anregende Gespräche, durch intensive Nähe war das Gesicht, das ich ihm zeigte, stärker ausdifferenziert als alle die mir jetzt noch bleiben zusammengenommen. Ich vermisse die Leichtigkeit und die Präzision mit denen ich mich ihm gegenüber artikulieren konnte. So vieles war geklärt, besprochen, bearbeitet und damit zum Subtext unserer Beziehung #8222;abgesunken#8220;, musste nicht mehr thematisiert werden, war unproblematisch. Es schien, als sei unser Umgang miteinander ein Spiel, dessen Regeln so gründlich verinnerlicht waren, dass ich sie nicht mehr wahrnehmen musste. Ich war mir selbstverständlich.

Ich will ihn nicht mehr, ich liebe ihn nicht mehr, ich vermisse ihn nicht einmal mehr. Aber das Wissen darum, dass ich, wenn ich genug Kraft gesammelt habe, auf einer neuen Bühne wiederum eine schemenhafte, schlechtsitzende Maske zu einem komplexen, beweglichen und hoffentlich bequemen Gesicht umarbeiten muss erschreckt mich.
In diesem Sinne: Frohe Pfingsten! ;)
Hannah

18.05.2002 21:15 • #1


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Hallo hannah,

Aber das Wissen darum, dass ich, wenn ich genug Kraft gesammelt habe, auf einer neuen Bühne wiederum eine schemenhafte, schlechtsitzende Maske zu einem komplexen, beweglichen und hoffentlich bequemen Gesicht umarbeiten muss erschreckt mich.

Du bist Schauspielerin? Dann weißt Du doch, daß Du bei jeder Rolle, die Du gut spielen willst, von vorne anfangen mußt:-) Aber ich verstehe wahrscheinlich, was Du sagen willst, auch wenn ich das in der Beziehung nie so erlebt habe wie Du. Es ist niederschmetternd wenn man weiß daß selbst eine scheinbar perfekte Beziehung bzw. das vollkommene Glücksgefühl aus nicht nachvollziehbaren Gründen plötzlich am Ende ist. Uns alle könnte das die Hoffnung nehmen, so etwas jemals erleben zu können. Vielleicht sollten wir aber einfach glücklich sein, _daß_ wir sowas überhaupt einmal erleben durften!
Abgesehen davon ist es nie zu spät, an sich selbst zu arbeiten, und wenn Du schon mal so weit warst wie Du schreibst dann sehe ich auch keinen Grund warum Du das nicht wieder so ähnlich erleben kannst. Beim nächsten Mal wird es Dir vielleicht sogar leichter fallen, wenn Du Dir bewußt bist, daß jeder glückliche Akt zählt und jede noch so gute Aufführung ein Finale haben muss. Man sollte sich allerdings nicht nur auf Tragödien spezialisieren:-)

schöne Ferientage!

cu

19.05.2002 00:40 • #2


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Personae

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Hallo ,

nett, mal wieder was von Dir zu hören. Also, perfekt war unsere Beziehung nicht. Nur eben das, was ich aus vielen Gründen und mit großem Nachdruck wollte. Ich weiß, dass ich etwas anderes, eben so gutes wieder haben kann und mit etwas Glück wieder haben werde. Ich weiß auch, dass ich, wenn ich denn erst einmal wieder verliebt sein werde, mich frohen Mutes daran machen werde, eine wirkliche Beziehung herzustellen. Bloß momentan, da ich ganz und gar unverliebt durch die Landschaft renne, finde ich den Gedanken an diesen Aufwand wirklich bedrohlich :o Ziemlich dumm eigentlich. Ist doch wahr: wenn der hochenergetische Hormonkoller-Zustand erst eingesetzt hat, spielt es ja überhaupt keine Rolle mehr, wie anstrengend so etwas ist. Na, dann werde ich einfach mal abwarten, bis es soweit ist.

Viele Grüße
Hannah

19.05.2002 20:45 • #3


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Hallo Hannah,
dein Betrag ist etwas schwer verständlich, aber wie könnte es anders sein . Ich verstehe folgendes, es gibt Partner, die wecken das Beste in uns. Die holen die charakterlichen Eigenschaften hervor, von denen wir gar nicht wußten, dass wir sie haben. Das ist was anderes als schauspielern, , du Torfnase! .
Wenn jemand einen solchen Menschen gefunden hat, liebt er/sie nicht nur den Partner an sich, sondern auch dafür, dass dieser aus einem selbst etwas besseres macht. Steckte vorher schon drin, zeigte sich aber nicht vordergründig.
Nu ist es so, dass eine wirklich gute Beziehung, nicht eine, um nicht allein zu sein, genau so etwas aus jedem Menschen machen sollte.
Falls ich das richtig verstanden habe, Hannah, kann ich deinen Kummer verstehen und tröstend sagen, immerhin kennst du dich jetzt auch in dieser Variante. Da ist doch anzunehmen, dass du dich schneller so wiederfindest.
Und noch ein Zusatz: wir sind eben nur in Gesellschaft wir selbst, dieser ganze Müll, ich finde mich, ist quatsch. Ich begreife mich, wenn ich einen Gegenüber habe, dann kann ich mich reiben und mich ausdifferenzieren, gefunden habe ich mich längst.
Lieben Gruß an Hannah und
Shanna

Würde mich über weitere Meinungen zu dem interessanten Beitrag von Hannah freuen

20.05.2002 10:13 • #4


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Hallo Hannah, Hallo Shanna!

Ist schon etwas kompliziert hier zu folgen... ::)
Aber ich denke mal, ich habe es verstanden. ;)

Die Personae ist soweit klar. Aber ich denke mal, diese *Maske* ist immer abhängig vom Umfeld. Ich rede von mir selbst. Mag vielleicht eigenartig klingen, aber ich bin in unterschiedlichen Gesellschaften auch unterschiedlich in meinem Auftreten und meiner Art, mich zu präsentieren.
In dem Famiien- und Verwandtenkreis bin ich die ruhige und gesittete Mutter einer Tochter. In meinem Freundeskreis kann ich auch mal *die Sau* rauslassen und beruflich stehe ich meine Frau. Wieder anders. 8)

Was ich weniger positiv empfinde ist deine Aussage, Shanna.

Und noch ein Zusatz: wir sind eben nur in Gesellschaft wir selbst, dieser ganze Müll, ich finde mich, ist quatsch. Ich begreife mich, wenn ich einen Gegenüber habe, dann kann ich mich reiben und mich ausdifferenzieren, gefunden habe ich mich längst.

Ich habe mit mir selbst die Erfahrung gemacht, das eben auch Personae gibt, die ich hassen gelernt habe. Ich auch eine Art an den Tag legen kann, die ich nicht will und auch nicht beeinflussen kann. Die ich eigentlich nicht wirklich *bin*. ???Eben diese gemeine, gehässige, wütende, nachtragende und zynische Maske.
Leider kann ich diese und auch die anderen nicht so an- und ablegen, wie mir der Sinn danach steht.
Sie *springen* mir ins Gesicht und hängen dort fest.
Das erinnert mich an den Film mit Jim Carrey, *Die Maske*.

In diesem Sinne liebe Grüße Nicole

20.05.2002 12:25 • #5


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hi,
bei rollen und masken muß man immer auf seine authentizität achten, sonst fängt man irgendwann an (auch in einer beziehung) zu schwimmen und seine basis zu verlieren.

Eine Trennung zu verarbeiten ist das eine, die Trauer, den Schmerz und die Wut abzulegen, ein weiteres, wieder authentisch werden und zu sich selbst zu finden, das dauert (je länger die beziehung/ehe lief, um so länger).

Vielleicht laufen so viele beziehungen nicht, weil wir glauben, authentisch sein und sich auf jemanden einlassen, wäre ein widerspruch. Finde ich nicht. Ich gebe mir die Zeit, wieder zu mir zu finden und freue mich umsomehr auf die dann irgendwann folgende reife, erwachsene liebe.

Leider bleibt man auf dem Weg dorthin immer mal wieder stecken, aber das gehört wohl dazu..

Mick

21.05.2002 07:22 • #6


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Hallo Shanna, hallo Nicole, hallo Mick,

Falls ich das richtig verstanden habe, Hannah, kann ich deinen Kummer verstehen und tröstend sagen, immerhin kennst du dich jetzt auch in dieser Variante. Da ist doch anzunehmen, dass du dich schneller so wiederfindest.
Shanna, Du hast es genau richtig verstanden, danke!

Nicole, das mit den verschiedenen Personae ist ja gerade der springende Punkt, es klingt überhaupt nicht eigenartig, dass Du in verschiedenen Umgebungen und damit Rollen verschieden agierst. So sind wir :).

Aber Mick, in Sachen Authentizität gebe ich wiederum Shanna recht: wir sind, was wir sind im Umgang mit anderen Menschen. Ich glaube nicht, dass wir eine von unseren lebensweltlichen Zusammenhängen unabhängige Persönlichkeit haben, die im Umgang mit anderen verschüttet wird und die wir, wenn dieser Umgang abbricht, wieder auffinden müssen. Meine Persönlichkeit ist die Summe meiner Rollen. Authentizität kann für mich nur darin bestehen, den verschiedenen Masken, die ich trage, eine gemeinsame Grundlage zu verschaffen, sie sozusagen zu synchronisieren, so dass sie miteinander verträglich sind. Im Idealfall käme dabei wohl eine Mischung heraus, die es mir erlauben würde, alle mit meinen normativen Grundüberzeugungen in Übereinstimmung zu bringenden Fähigkeiten, Bedürfnisse und Gefühle auszuüben, zu erfüllen und auszudrücken. Was für ein Jammer, dass Ideale so schwer zu erreichen sind ;)

Ach übrigens Shanna, zum Thema ich finde mich fällt mir noch ein hübsches Gedicht von Robert Gernhardt mit dem Titel Selbstfindung ein (die Interpunktion stimmt wahrscheinlich nicht, Herr Gernhardt möge mir verzeihen):

Ich weiß nicht, was ich bin,
ich schreibe das gleich hin.

Da haben wir den Salat,
ich bin ein Literat.

Bis bald
Hannah

21.05.2002 21:01 • #7


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Hallo Hannah, kann nix lesen, mein Computer spinnt, es sei denn ich schreibe selbst. Daher mein Motiv, um zu lesen, schreibe ich diese Erklärung. Etwas trivial, verzeih. Shanna
(bin so neugierig, finde das Thema so spannend)

21.05.2002 22:50 • #8


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Mal den Beirag für Timeless wieder nach vorne geholt,
Gruß Shanna

01.11.2002 21:08 • #9


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Will ich von einem mir auf persönlicher Ebene
unbekannten Beamten eine sachliche Auskunft, interessiert
mich seine Depression ebenso wenig wie das
Frischverliebtsein seines Kollegen oder die Gefühle meines
zufälligen Sitznachbarn im Zug, der mich durch seine
Mitteilungen am Lesen hindert. Allen dreien unterstelle ich in
Bezug auf meine eigene Befindlichkeit dasselbe.

In Bezug auf den Kontext des Geschehens nehmen alle Interagierenden jeweils Personen wahr, die in einer bestimmten Rolle stecken und diese mehr oder weniger adäquat ausgestalten. Diese Rollen -Masken - sind kontextabhängig und unendlich variabel. Soweit zu den Masken, die Hannah offensichtlich meint. Diese spielen wir, sind auch Teil unserer Identität.
Aber: sind diese gespielten Personen nicht trotzdem Teil unseres wirklichen Wesens?
Hanna schreibt, die Summe aller Masken ergibt die Person an sich. Dann muss es doch zwangsläufig so sein, dass alle diese Masken ein Fragment unseres Selbst sind. Ich sehe keinen qualitativen Unterschied zwischen den Masken die tragen, spielen und denen die wir sind. Letztlich wird sich unsere Person in allen diesen spiegeln. Mal mehr oder weniger eindeutig sichtbar für die Außenstehenden.

Sicher unterliegt die Entwicklung der Persönlichkeit - und damit unterstütze ich die These, dass die Person
grundsätzlich formbar und erweiterbar ist - von unseren Gegenüber ab. Was ich aber bestreite ist, dass es

a) nicht einen Anteil der Persönlichkeit gibt, der Disposition von Lebensbeginn an war und ist ... Bestimmte Eigenschaften ziehen sich wie ein roter Faden durch alle unsere Masken, gleich welcher Qualität.
Einen Beweis für diese These ist das Raum-Zeit-Erleben, welches jeder Person inhärent ist. Alle Menschen tragen diese Kategorien in sich. Selbst, wenn sie völlig ohne Sinne und Extremitäten sind, bleiben diese Kategorien a priori. Ein Tauber, Blinder, Geschmackloser, Stummer, Nichtfühlender, Nichtbewegender in einer Person - er spürt Raum und Zeit als unabhängig von seinem Selbst.

Wie ist es mit dem Trieb? Ist er kontextabhängig? Lerne ich diesen erst durch mein Gegenüber?

b) dass ich spezifische Persönlichkeitsmerkmale an mir nur mit einem Gegenüber erleben und verstehen kann.
Insofern kann mein Gegenüber - der gegangene Partner bsp. - diese Person auch nicht mitnehmen. Sie bleibt immer bei mir. Ich weiß um ihre Existenz. Ob ich sie allerdings in einer anderen Beziehung wieder ausspielen kann, ist eine andere Frage.


Interesanter Diskurs. Jetzt bin ich mal gespannt ....


Liebe Grüsse Rage




02.11.2002 11:48 • #10


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