Liebe Menschen,
es ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich in einem derartigen Forum poste. Es ist nur generell auch das erste Mal in meinem Leben, dass ich mich in einer derartigen Situation befinde wie jetzt. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, um ein möglichst genaues Bild zu schaffen. Vorab schon einmal Entschuldigung für die Länge meines Textes.
Ich bin Mitte 30 und befinde mich derzeit noch in einer spät gewählten akademischen Ausbildung. In meiner Vergangenheit habe ich bereits einige Partnerschaften geführt, wovon mich im Nachgang nur zwei wirklich berührt haben, jedoch ohne heutigen Einfluss auf mich. Ich halte mich nicht für beziehungsfähig, konnte mich in ihnen nicht komplett öffnen und habe fast alle Beziehungen meinerseits beendet.
In einer Interessengruppe innerhalb eines Sozialen Netzwerks mische ich schon länger mit. Mittlerweile versteht sich die Gemeinschaft auch über das eigentliche Interesse hinaus, man trifft sich lokal und schreibt auch über Alltagsdinge. Es ist ein herzlicher, offener und niveauvoller Raum mit viel persönlichem Bezug. Man kann jedoch nur über persönliche Einladung hinzugefügt werden.
Ende August letzten Jahres trat ein neues männliches Mitglied bei, das sich subversiv und höchst anonym zeigte. Ich war zu diesem Zeitpunkt verstärkt innerhalb dieser Gruppe aktiv und obwohl viele diese Figur mieden, kamen wir innerhalb weniger Tage über einen zufälligen Aufhänger dazu, uns privat anzuschreiben. Wir hielten uns beide über unser Privatleben bedeckt, obwohl ich die offenere Person von beiden war. Er war meist derjenige, der mich anschrieb und wir tauschten uns oberflächlich über Inhalte der Gruppe und unsere Interessen aus. Nach 2 Wochen teilte ich ihm mit, dass mir die Offenheit zu einseitig sei und ich die Kommunikation nicht weiterführen wolle, wenn es dabei verbliebe. 3 Tage versuchte er, wieder meine Aufmerksamkeit zu bekommen, bis ich dann einlenkte. Von da an öffnete er sich mir langsam und wir konnten auf einer Wellenlänge kommunizieren und Ähnlichkeiten feststellen. Von da an chattete er mich täglich abends an - wir beide sind nachtaktiv.
Nach einem Monat des Kontakts kritisierte ich immer noch seine verbleibende Anonymität mir gegenüber und er bot an, mir eine Sprachnachricht zu machen, die ich aber in betreffender Nacht ablehnte, weil ich zu müde war, sie mir anzuhören. Ihm gefiel das wohl und er schrieb mich weiter vergnügt an, obwohl ich ins Bett wollte. Er schrieb, er habe sich wohl in mich verliebt - ich entgegnete trocken, dass das gar nicht ginge, ohne dass er XY von mir wisse.
Am nächsten Tag schickte er mir die Sprachnachricht und auch seine Handynummer, um fortan ab des PCs darüber Sprachnachrichten auszutauschen. Von Telefonieren hielten wir beide nicht viel. In dieser Nacht schickten wir uns eine Nachricht nach der anderen und ich begann, mich ab diesem Zeitpunkt für ihn zu interessieren.
Ich habe zuvor niemals eine Kontaktbörse genutzt und auch mit keinerlei Person online eine über die rein zeitvertreibende Kommunikation hinausgehende Bindung entwickelt. Es war gar nicht geplant, dass wir uns so nahe kommen. Mein Leben verbringe ich in erster Linie außerhalb des Internets, so dass ich keinerlei Erfahrung im Umgang und Vorgehen und Transportieren meiner echten Persönlichkeit darin bin. Und ich sah mich zum ersten Mal mit Schwierigkeiten konfrontiert, die mir völlig neu waren.
Es war so irrational, dass er auf einmal völlig unangekündigt teils tagelang abtauchte, nur um dann von sich aus wieder Meldung zu geben. Und er sagte, er sei traurig. Nachdem ich ihm mitteilte, dass ich mit diesem Verhalten nicht umgehen kann, eröffnete er mir, dass er eine Trennung zu verdauen hätte. Ich offenbarte ihm, dass ich zu Beginn unseres Kontakts ebenso eine Trennung durchlebte (die für mich aber wesentlich einfach war als diejenige, die er durchlebte). Er erzählte davon nicht offen, er redete über viele Dinge seines Lebens, die man als alltäglich und überhaupt nicht nötig zu verheimlichen deuten würde (zB, was er beruflich macht) nicht offen, aber er war sehr ehrlich darin zu sagen, dass er viel Zeit brauche.
Mit dem, was ich über ihn wusste, konnte ich anfangen, ihm Raum zu geben, aber entwickelte gleichzeitig eine erste Zuneigung zu seinem Wesen. Das war mir völlig neu.
Er schickte mir nach 8 Wochen des Kontakts auch endlich ein Foto von sich (weil ich es mir verdient hätte) und fügte an, dass keiner seiner -auch langjährigen- Chatkontakte je eins von ihm bekommen habe.
Ich kommunizierte es ihm, damit er wisse, wie es mir ginge und er ging auf mich zu. Er meldete sich von sich aus und ich war entspannt darin, mich nicht aufzudrängen. Auch, wenn er mal einen Tag völlig still blieb. Es entwickelte sich so gut, dass er mal vor der Arbeit oder währenddessen, danach, nachts oder auch mal auf der Piste eigentlich jeden Tag mit mir teils stundenlange Gespräche führte - in Leichtigkeit, Tiefe, manchmal notwendigem Ernst und absoluter Vertrautheit. Er gab mir immer mehr von sich, ohne jedoch wirklich alle Bereiche seines Lebens zu thematisieren - es gab eine Grenze. Für mich als online unerfahrender Mensch war es manchmal so schwer zu deuten, ob das ein Flirten war und er sich mir zuneigte, weil er ein intelligenter, tiefgründiger und subtiler Mensch ist. Man hängt auf einem Display in Buchstaben fest, die man so mannigfaltig deuten kann. Und selbst Sprachnachrichten sind nur linear - man kann nicht zwischendurch mal ins Wort fallen oder vertraut lachen. Ich spiegelte ihm, nicht alles aus meinem Leben zu erzählen. Ich profiliere mich einerseits nicht gern und andererseits wollte ich mir noch einiges an Interessantem in petto halten - auch wenn ich wusste, ich hätte ihn mit diesen Informationen vermutlich schwer beeindrucken können.
An manchen Tagen litt er unter seiner Trennung noch schwer und zog sich kommunikativ zurück. Er war nicht offen, noch nicht bereit für etwas Neues. Ich war einen Tag in seiner Stadt zugegen und bat ihn zuvor so sehr, dass wir uns treffen. Dafür war er nicht bereit, aber stattdessen führte er mich von sich aus, ganz freiwillig und unerwartet per Text- und Sprachnachricht an bestimmte Orte, zu denen er Geschichten oder Erinnerungen mit mir teilte. Nachdem ich weg war, erzählte er mir in einer langen Nacht, dass er sich doch gewünscht hätte, mich zu sehen. Aber er könne es noch nicht. Er sei da so kompliziert, weil ihm ein persönliches Treffen alles abfordern würde.
In dieser Nacht erklärte er mir, dass er in den letzten Jahren seine Partnerinnen alle online kennengelernt habe. Nicht auf Partnerbörsen, sondern in normalen Foren - teils über sehr lange Zeiträume, bis sie sich trafen. Ich wusste, dass er auf Frauen geheimnisvoll wirken musste. Und er erzählte mir, starke Bindungsangst zu haben und es Frauen generell nicht recht machen zu können, weil er das Gefühl habe, er könne ihnen nicht die Aufmerksamkeit entgegen bringen, die sie alle erwarten. Er habe ein Problem damit, jeden Tag stundenlang zu telefonieren und ständig jemandem um sich herum zu haben. Aber eigentlich sei er Romantiker, er könne es nur nicht leben. Und ja: Nur Fernbeziehungen, obwohl er sich wünsche, mit einer Frau zusammenzuleben.
Ich eröffnete ihm meine Gefühle für ihn und er sagte, dass er das Gefühl habe, ich sei anders als die Frauen zuvor. Er brauche Zeit. Er erzählte mir glaubhaft, er sei kein Draufgänger und das auch noch nie gewesen. Er brauche nur Zeit für sich allein, weil er es so gewohnt sei.
Ich wollte ihn so gern endlich treffen, weil ich diese lange Warteposition nicht gewohnt war. Er ging immer wieder empfindsam, geduldig und absolut liebenswert auf mich ein und sagte mir, dass wir uns treffen werden. Bis er seine letzte Ex getroffen habe, sei ein ganzes Jahr vergangen.
Immer wieder kam mir das Kopfkino, dass es vielleicht doch eine Andere geben könne und ich erzählte ihm davon, dass ich einmal im realen Leben beim Kennenlernen eines Menschen in dieser Weise verletzt worden sei. Auch hier ging er liebevoll und behutsam auf mich ein. Ich vertraute ihm menschlich sehr, aber da war immer diese Unsicherheit - obwohl ich eigentlich eine sehr selbstbewusste Frau bin.
Er schrieb mir von sich aus täglich, meist mit süßen, aber subtilen Zuneigungsbekundungen und Herzchen. Und wir quatschten die ganze Nacht und lachten viel. Er sagte mir, wie toll er mich findet und dass es keine Frau gebe, die er interessanter finde als mich. Manchmal schrieb er mich frühmorgens an, wenn er nicht schlafen konnte, weil er so gern wissen wollte, ob ich noch wach bin. Und er schaute ständig auf sein Handy und fragte ich sogar, ob ich heimlich mit anderen Männern schreiben würde. Ich sagte ihm, dass ich das nicht tue, sondern mir manchmal unsere Sprachnachrichten noch einmal anhören würde.
Zu Weihnachten merkte ich, dass er wieder vom Gas getreten war, während er mir gegenüber sagte, ich würde zu sehr auf die Tube drücken. An Weihnachten selbst schickte er mir zwei Bilder von der Familienfeier, zog sich danach aber eine ganze Woche zurück. Im Nachhinein hat er mir das Privateste geschickt, was ich je von ihm erhalten habe. Weil er sich eben darin immer bedeckt hielt. Ich aber, zeitgleich... betrank mich am 2. Weihnachtsfeiertag und schrieb ihm eine lange Mail, in der ich meine Gefühle für ihn versuchte, deutlich zu machen, ihm meine ganzen offenen Fragen zu stellen und ihn dazu zu ermutigen, sich auf mich einzulassen, weil ich daran glauben würde, dass eine anhaltende Beziehung zwischen uns möglich sei. Aber auch, dass ich das so nicht mehr lange mitmachen könne und notfalls auf die Notbremse treten müsse.
Ich ging davon aus, dass er es Weihnachten auch gelesen hatte. Und ich wusste, dass ich ihn zu diesem zeitpunkt vermutlich emotional damit überfordere. Er ließ die Tage nichts von sich hören und meldete sich Punkt Mitternacht zum neuen Jahr mit einem liebevollen Neujahrsgruß und einem kitschigen Emojiherz. Sowas machten wir zuvor selten.
Im Januar fing er an, sich mir anzunähern. Offene Fragen, die ich in meiner langen Mail gestellt hatte, beantwortete er von sich aus ganz offen. Er listete auf, welche Eigenschaften er so an mir schätze und dass es vor allen Dingen meine Tiefgründigkeit, Intelligenz und mein dezentes Wesen wären, weil ich ihn beispielsweise nie gefragt habe, wie ihm denn die CD mit den Songs gefallen hätte, die ich ihm zu Weihnachten schickte. Eine Playlist mit Songs, die meine Gefühle für ihn verpackten.
Er wusste, dass ich im April in seiner Stadt für 2 Monate weilen werde und sagte mir, dass wir uns dann treffen würden. Und wir sponnen uns zusammen, wie es denn aussehen würde.
Ja er sagte mir, er könne sich eine Beziehung mit mir vorstellen, aber dieser Gedanke sei im Hinterkopf, weil man sich jetzt nicht zu sehr darauf versteifen dürfe, sonst ginge es schief. Und er sagte mir jedoch auch, dass er noch nicht das Gefühl habe, sich wirklich frei und ebreit zu fühlen und dass er mich sehr möge, aber keinen Leidensdruck oder Drang verspüre, mich jetzt sofort zu sehen.
Entgegen meiner gelassenen Natur im realen Leben, verstärkte ich den Druck auf ihn, weil ich Angst hatte, wir könnten bis dahin stagnieren und ich uninteressant für ihn werden. Ich forderte immer mehr Austausch über Emotionales zwischen uns.
Einen Monat nach Weihnachten kam unser Gespräch zufällig darauf, dass ich äußerte, dass er irgendetwas ja in meiner Mail gelesen haben könne. Es stellte sich heraus, dass er diese nie erhalten hatte!
Ich war völlig baff, weil ich den gesamten Monat davon ausging, dass er nur aufgrund dessen, was er gelesen hatte, so handelte wie er handelte und auf mich zuging. Also stellte ich sie ihm noch einmal zu und sagte, dass ich es wichtig finde, dass er sie lese. Dies wollte er direkt tun.
Er meldete sich 2 Tage nicht, um daraufhin zu äußern, dass er es nicht geschafft habe, sie zu lesen, weil er schon auf der ersten Seite gemerkt habe, wie emotional sie ihn treffen könne und er gerade seinen Kopf von Emotionalem frei bekommen wolle. Und dass er sie lesen würde, wenn er bereit sei, sie völlig wertschätzend in sich aufzunehmen. Was diese Mail anging, bedrängt ich ihn nicht weiter, außer mit folgenden Bekundungen dahingehend, dass er sie eigentlich nicht mehr lesen brauche, weil ich von ihm schon mehr bekommen habe als ich danach erwartet hätte.
Weil wir angefangen hatten, uns über Musik indirekt Botschaften zu schicken, wie wir zu einander stehen, machte er mich subtil auf einen Song aufmerksam, den er gerade auf sein Profil stellte. Es ging im Text darum, dass man gemeinsam alles schaffen könne und die Saat für ein gemeinsames Leben gestreut sei.
Mittlerweile war er innerhalb der Interessengruppe im Netzwerk zugänglicher geworden und wurde von allen akzeptiert. Ich hatte meine Beteiligung innerhalb der Gruppe zurück gefahren, weil ich ihn exklusiv schätzte und in der Gemeinschaft auch gar nicht bekannt war, dass wir miteinander mehr als eng zu tun hatten. Er und ich hatten uns gegen die Anderen verbündet.
Er fing aber Ende Januar an, dort wieder verstärkt mitzumischen - wenn auch weiterhin anonym, wie er bei den Anderen nach außen hin auch wirken will. Allerdings kamen neue Mitglieder hinzu und besonders die Frauen fanden Interesse an ihm. Er fing an, mit einigen der reinen Kommunikation wegen zu chatten und erzählte mir anfangs noch davon. Ich wurde von Verlustängsten und Eifersucht geplagt - Gefühle, die ich so nicht von mir kannte. Ich äußerte ihm gegenüber meine Ängste und verlangte die exklusive Zeit mit mir zurück. Anfangs beruhigte er mich noch, ich solle mir doch keine Sorgen machen. Das Chatten sei doch schon immer sein Hobby gewesen und das wisse ich doch auch.
Statt ruhig zu bleiben, fing ich an, misstrauisch zu werden, ihn anzuklagen und Vorwürfe zu machen und versaute somit jeden Kontaktversuch, den er an mich richtete. Er war so geduldig, aber ich merkte, dass ich ihm die Luft zum Atmen raubte.
Vor 2 Wochen hatten wir unsere letzte durchquatschte Nacht. Anfangs entwickelte sie sich gut, aber dann forderte ich wieder Zuneigungsbekundungen ein und überhäufte ihn mit meinen.
Er blieb dennoch ruhig und sagte mir, dass ich ihm immer so viel geben würde, er mir aber selten das gebe, was ich von ihm wolle, aber er finde mich toll. Er machte mich wieder subtil auf einen Song aufmerksam, den er online stellte, explizit, weil er ihn so möge. Im Text dieses Songs ging es darum, dass er sich in genauso tiefem Wasser bewegen wolle wie ich, es aber schwer sei.
Am nächsten Morgen schickte er mir eine Guten-Morgen-Nachricht aus dem Bett und dann war es erstmal still.
Ich merkte, dass etwas in absoluter Schieflage war und wusste mir nicht zu helfen.
Es vergingen 2 oder 3 Tage, bis ich mich einer Bekannten aus der Gruppe öffnete, die mit einem anderen Mann in der Gruppe ebenfalls etwas aufbaut. Durch einen Zufall kamen sie und mein Kandidat am selben Tag per Chat ins Gespräch und er offenbarte ihr, dass er mich sehr gern habe, sich mit mir auch eine Beziehung vorstellen könne, aber er nicht von mir geflasht sei. Er glaube aber, dass ich mich in ihn verliebt habe. Er habe sich bisher nur auf Treffen eingelassen, wenn er in die vermeintliche Kandidatin online verliebt gewesen sei, weil es ihm sonst zu sehr alle Kräfte kosten würde, sich auf eines einzulassen. Er glaube, dass sich noch Gefühle für mich über die Zeit entwickeln können, aber er sei generell bereit sich zu verlieben und strecke die Fühler aus. Aber es gebe keine Andere, die ihn bisher begeistere und er habe keine Eile.
Dafür, dass er sich sonst nicht öffnet und mit Leuten, mit denen er zuvor nichts zu tun hatte, zum ersten Mal kommuniziert, war das schon sehr offen und direkt. Aber er wusste ja auch, das sie mit jemand anders aus derselben Gruppe ein ähnliches Geheimnis trägt - nur dass es bei den beiden besser zu laufen schien.
Eigentlich erzählte sie mir damit nichts Neues, aber die Information, dass er nun bereit wäre, sich neu auf jemanden einzulassen, machte mich fertig. Ich fühlte mich wie eine Übergangsfrau. Wie Eine, die ihn liebevoll durch seine schwere Trennungszeit begleitet hatte und der jetzt diese schlechte Zeit anhaftet, so dass er gar keine Chance hatte, sich in mich zu verlieben. Er wusste nicht, dass sie mir das mitteilte.
Am selben Abend verfasste ich eine Sprachnachricht an ihn, in der ich ihm versuchte, möglichst locker darzulegen, dass ich mich ja jetzt in die Arbeit gestürzt hätte, er recht habe damit, dass ich mal halblang machen solle und ich die Gefühle für ihn überinterpretiert habe und dass ja solche digitalen Emotionen auch nur Strohfeuer sein können. Auf jeden Fall würde ich den Druck nehmen, weil es ja sonst nicht mehr spannend werden könne, wo es überhaupt hinführt, wenn wir uns kennenlernen. Blabla.
Als er es hörte, ließ er per Sprachnachricht herausklingen, dass ihn das überfordere und er die Welt quasi nicht mehr verstehen würde. Warum ich mich insbesondere für mein Verhalten in den letzten Wochen entschuldige, wenn ich doch von Anfang an gedrängt hätte. Und dass es kein Strohfeuer sein müsse, wenn man online etwas füreinander empfinde. Und er meinte dann, dass es ja dann für mich auch angenehm sein müsse, wenn wir uns beide rar machen und nicht mehr so viel Kontakt hätten.
Auf meine Frage, ob das heißen solle, dass er nichts mehr von mir hören wolle, entgegnete er, dass er das überhaupt nicht so meine, aber er verstünde nicht, warum ich mich jetzt neu erfinden wolle und was das mit den letzten Wochen zu tun hätte. Er fand mich die ganze Zeit nett und freundlich (sehr distanzierte Worte, die er zuvor nie nutzte). Ich hatte das Gefühl, er machte dicht. In dieser Nacht hörte ich nichts mehr von ihm, wusste aber, dass er chattete. Er war oft melancholisch und teilte es mir immer mit. Er hatte auch angefangen, seine traurigen Gefühle ab und an in Alk. zu ertränken, zumal er immer mehr Zeit am PC verbrachte, anstatt (wie anfangs) am Wochenende mit Freunden auszugehen, wozu ich ihn immer ermutigte.
Ich machte den Fehler, am nächsten Tag noch einmal ausführlicher in einer Sprachnachricht darzulegen, dass ich nicht nur die letzten Wochen meine und ich es auch nicht als Neuerfinden verstehe, wenn ich doch selbst das Gefühl habe, mich verfahren zu haben. Ich versuchte, ihm nüchtern darzulegen, wann ich den Punkt sah, an dem ich mich selbst nicht mehr erkannte, weil ich mich emotional verfing. Er entgegnete mir spätabends in einer Nachricht damit, dass er gar nicht mehr wisse, was er noch sagen solle. Der Wurm sei drin.
Er wusste, dass ich am nächsten Tag in seiner Stadt auf Wohnungssuche sein würde. Ich antwortete ihm kurz und knapp, dass wir ja die letzten 5 Monate nicht einfach wegschmeißen würden, weil uns ja auch so viel verbindet. Aber dass wir vielleicht erstmal Ruhe brauchen und uns Gelegenheit schaffen sollten.
Am Abend vor Ort beteiligte er sich wie wild in der Gruppe und ließ seine schlechte Laune raushängen, ohne sie zu begründen (Wut, Verzweiflung). Während ich vor seiner einstigen Lieblingskneipe stand, die er nicht mehr besuchte, verfasste ich ihm eine lange Textnachricht, in der ich ihm darlegte, wie wichtig er mir sei, dass ich online als Charakter nicht funktionieren könne, weil ich mich immer im realen Leben befunden habe, dass ich das Gefühl habe, mich verändert zu haben und dass ich angefangen habe, zu drängen, weil ich die Zeit bis zu einem Treffen beschleunigen wollte. Ich würde fühlen, dass er in der ganzen Zeit nichts mit anderen Frauen hatte, weil er sich mir zugeneigt habe, aber ich hätte weiter Druck gemacht. Ich schrieb ihm, dass ich in ihm erkannt habe, das er mir die Beziehung bieten könne, die ich mir wünsche, ich es aber nicht behutsam für mich behalten habe und dass er ein großer Idealist sei, während ich meinen Mund offenbar häufig einfach nicht halten kann. Ich schrieb ihm, dass ich mir so sehr wünschen würde, ihm jetzt in völliger Leichtigkeit zu schreiben, aber ich wisse, dass ich ihn in die Enge getrieben habe und mich wie eine der Frauen gegeben habe, die ihn in seiner Vergangenheit so eingekesselt haben. Dennoch äußerte ich, dass ich hoffe, dass er das ganze Chaos verzeihen und uns noch eine reelle Chance geben könne. Ich wolle nicht immer alles Emotionale ausdiskutieren und ihm ein Statement abringen.
Er antwortete umgehend damit, wie traurig und ehrlich und schön er das finde, was ich geschrieben habe und erkundigte sich danach, wie denn meine Wohnungssuche in seiner Stadt laufe. Wir schrieben oberflächlich ein wenig hin und her, dann war Stille.
In der darauffolgenden Nacht postete er 2 Songs. In dem einen ging es darum, dass er wolle, dass wahre Liebe für mich wachsen könne und dass er sich zurückziehe, in der Hoffnung, es passiere. Im zweiten ging es darum, dass ich viel zu viele Gefühle für ihn hätte, was ihn verängstigt. Er sei so weit gekommen, ich solle ihn nicht verlieren, weil er mich toll finde. Das ist 4 Tage her.
Vor 2 Tagen hatte ich einen Traum, den ich ihm per Sprachnachricht erzählte. Darin hatte er Kinder. Wir tauschten wenige Nachrichten aus über die letzten Tage. Dieses Thema, was eigentlich nur ein Traumbild war, ging er aber so anders an und dementierte es entgegen seiner eigentlich Art auch gar nicht, sondern reagierte eher so aufmerksam, dass anzunehmen ist, dass seine Vaterschaft eines seiner Geheimnisse sein könnte. Ich drängte ihn nicht zu einem klaren Statement.
Er war aber auch nicht großartig zu weiterem Textaustausch bereit, wenn gleich ich ihn auch gestern die Nacht über auf meine Reaktion warten ließ und ihm heute Mittag erst schrieb, dass wir über das Thema wann anders weiter sprechen und ich ihm einen schönen Tag wünsche. Das war der letzte Kontakt bis jetzt, keine Antwort seinerseits.
Man hat in der Kommunikation der letzten Tage gemerkt, dass sie schwer ist.
Gestern sprach die Bekannte noch einmal mit ihm, die ihn schon die Woche zuvor kontaktierte. Sie fragte ihn, wann er sich denn mit mir treffen wolle. Er antwortete, dass er sich davor drücke, weil es ihm alles abfordern würde und der Stress für ihn, den er sich selbst machen würde, einfach zu groß sei. Er sei ein schwärmerischer Typ und schwärme nicht für mich, was das Problem an der Sache sei, weil der Drang mich zu treffen nicht groß genug sei, sich zu überwinden. Er erwähnte ihr kurz gegenüber seine Probleme mit den Exen und der ihm vorgeworfenen Mangel an Aufmerksamkeit und als sie fragte, wie es mit ihm und mir und unserem Kontakt aussähe, gab er zu, dass dieser immer weniger werde und er sich immer rarer mache. Ob er es vermisse? Nein. Obwohl Nein zu hart sei. Irgendwie schon, aber die Leichtigkeit sei raus. Ob er nochmal etwas in meine Richtung unternehme? Im Moment sei die Luft ein wenig raus. Er habe sich zu bedrängt und überfordert gefühlt. Ob er dementsprechend nie vor hatte, die Sache mit mir ins echte Leben zu übertragen? Nicht ja, nicht Nein.
Damit war die Konversation eigentlich beendet. Er sprach überhaupt erst zum zweiten Mal mit ihr und ist Fremden gegenüber ja eigentlich eher verschlossen. Eine Stunde nach Ende der Konversation schob er noch hinterher, dass ich jedenfalls ein toller Mensch sei. Ich weiß nicht, ob er ahnt, dass sie die Konversation führt (sie machte das sehr geschickt und erzählte auch von ihrem Typen und wie sie das so halten), um mich mit Informationen zu beliefern. Allerdings würde er sich dann nicht darauf einlassen und er war in solchen Dingen immer offen zu mir.
Auf jeden Fall: Zu diesem Zeitpunkt hatten er und ich parallel noch die Konversation über eine mögliche Vaterschaft seinerseits.
Tja... Während ich das alles verfasst habe, sind mir nicht nur Tränen über das Gesicht gekullert, weil ich mich in sein Wesen wirklich verliebt habe, sondern weil mir auch auffällt, an welchen Stellen ich absolut falsch reagiert und den Keim unserer möglichen Beziehung erstickt habe.
Es macht mich so mürbe, daran zu denken, dass er und ich noch nicht einmal wirklich eine reelle Chance hatten, weil wir uns eben noch nicht begegnet sind und er da so wahnsinnig idealistisch ist. Ich werde in weniger als 2 Monaten für längere Zeit in seiner Stadt weilen, er weiß das. Aber während er sich letzte Woche explizit noch zumindest eine Beziehung mit mir vorstellen konnte und mir erst vor 4 Tagen signalisierte, dass er sich wünscht, dass etwas wachsen kann, klang das Gespräch mit der Bekannten gestern geradezu so als würde er es jetzt für gestorben erklären.
Gleichzeitig geht er ebenso wie ich weniger im Internet und in der Gruppe online und beteiligt sich auch weniger (aber wenn, dann richtig). Ich weiß, dass er mit anderen Frauen locker chattet (er will ja die Fühler ausstrecken), sie vermissen ihn auch teilweise explizit in der Gruppe (während ich über Monate den Mund über uns gehalten habe und ihn trotzdem immer verteidigte, was er so an mir schätzte). Laut der Bekannten, die mit ihm sprach, habe er sich aber noch keiner geöffnet. Naja, das müsste ja jetzt schneller gehen, wenn er doch offen und bereit ist... bei mir hat alles Monate gedauert, aber ich war geduldig da und habe ihm viel zugehört, ohne ihn zu investigativ auszufragen.
Er sagte mir mal, (dass, neben dem Menschen, den er in mir so wertschätzt), ich für ihn von Anfang an Die Gruppe gewesen sei, weil er zuerst zu mir Bezug aufgebaut habe. Er wünschte, ich hätte innerhalb der Gemeinschaft nicht so sehr die Rolle inne, wolle aber auch nicht, dass ich mich dort anders verhalte. Es sei eine Blockade, aber kein
Hindernis für irgendwas. Tatsächlich können wir dort jetzt nicht mehr gemeinsam mitmischen, ohne das Gefühl zu haben, vom anderen beobachtet zu werden.
Er hat auch vor 2 Tagen sein Profilbild geändert (nein, es gibt dort keine Fotos von ihm, nur Avatare). Das letzte Mal war es so als wir uns kennenlernten...
Ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich habe große Angst, dass er jetzt reell bereit ist für etwas Neues und ich gar nicht mehr als Option in Frage komme, weil er ja nicht in mich verliebt ist und wir gerade nicht mehr leicht und vertraut miteinander kommunizieren können. Es fällt mir so schwer, einzuschätzen, ob er mich jetzt vermissen will und wird oder ob er sich einfach nur komplett lösen will, ohne es mir explizit zu sagen. Immerhin kam er mir vor diesem ganzen Desaster von sich aus so nah. Und ja, es gibt keinen Zweifel daran, dass er die Dinge, die er für mich empfunden hat, auch ernst gemeint hat. Vielleicht hatte er so lange die Hoffnung, sich in mich zu verlieben oder hat vor meinem ganzen Druck noch euphorichere Gefühle für mich gehabt. Vielleicht war ihm die Aussicht auf ein Treffen in schon so baldiger Zeit zuviel.
Ich kann ihn doch jetzt nicht weiterhin emotional damit konfrontieren - dann treibe ich ihn doch nur noch mehr von mir weg!
Ich finde es nicht fair, hier online gefangen zu sein. Und er hat mich bisher nicht darüber aufgeklärt, dass er mich anscheinend gar nicht mehr treffen will.
Meint ihr, ich habe es komplett verbockt? Wie kann ich sein Interesse (das er ja eigentlich bis zuletzt bekundet hat, nur halt offenbar nicht romantisch) wieder entfachen?
Vielen Dank für eure Zeit!
16.02.2017 06:12 •
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