Hallo zusammen,
Ich(w, 31) war 10 Monate mit einem wundervollen Menschen zusammen(m, 36). Vor acht Jahren wurde bei ihm schwere Depression diagnostiziert, daraufhin folgten sechs Jahre Psychotherapie und acht Jahre medikamentöse Behandlung, die er nach unserem Kennenlernen angebrochen hat. Bis heute weiß ich nicht, ob diese Entscheidung nach Absprache mit Ärzten getroffen wurde.
Die Beziehung war durch wunderbare Hochs und bodenlose Tiefs geprägt und wurde mehrmals seinerseits beendet. Es gab insgesamt 5 Trennungen. Die letzte On-Phase hat leider nur 2,5 Wochen gedauert.
Jede Trennung passierte während oder nach einem Streit, der für mich selbst gar kein Streit war… Ein Blick (er:du hast mich so angeguckt, du bist enttäuscht von mir), ein Satz (er:du bist ständig beleidigt, ich mache immer alles falsch) oder 10 Minuten nicht ans Telefon zu gehen (er:wir haben uns doch gerade geschrieben, was hast du diese 10 Minuten gemacht?) konnten für ihn reichen um wütend/enttäuscht zu werden und die Beziehung zu beenden. Es gab nie eine richtige Auseinandersetzung oder Diskussion. Unangenehmer Moment-Flucht-Funkstille… nach Tagen oder Wochen und meinen Versuchen ihn zu erreichen hat er sich wiedergemeldet und es ging weiter. Danach erklärte er es immer so, dass er in diesen Momenten große Schmerz, Wut und Trauer spürt und einfach sich von mir distanzieren muss, weil ich der Auslöser dieser Emotionen bin. Die Variante da bleiben und versuchen zusammen runterzukommen und/oder zu reden gibt es nicht. Er hat Angst zu bleiben, weil er dann das Gefühl bekommt richtig verrückt zu werden. Aber er liebt mich über alles und ich bin DIE Frau für ihn. Immer.
Nach dem Gehen und meinem ersten Versuch der Kontaktaufnahme kommen meistens große Vorwürfe von ihm - du machst mich krank, ich bin nicht glücklich mit dir, du versteht mich gar nicht und danach es ist für immer aus, meld dich nie wieder, hör auf zu schreiben. Nachdem Versöhnen in der nächsten On-Phase bedankt er sich, dass ich für die Beziehung kämpfe und ihn nicht alleine lasse. Das zwingt mich unbewusst beim nächsten Mal mich wieder als Erste bei ihm zu melden, obwohl diese Beleidigungen sehr schmerzvoll für mich sind.
Es ist auch aktuell so, dass ich eine schwierige Zeit in meinem Leben durchmache. Ich komme aus der Ukraine und meine ganze Familie (Eltern, Großeltern) leben noch dort. Trotz des Krieges wollen sie aus meiner alten Heimat nicht weg und haben sich entschieden da auch weiter zu bleiben. Ich mache mir so viele Sorgen um sie. Der Krieg hat mich verändert. Zum erstem Mal im Leben habe ich eine Überforderung gespürt. Ich konnte schlecht schlafen, kaum essen und habe die ganze Zeit nur Nachrichten gelesen. Die Arbeit machte es mir auch nicht leichter. Im Mai habe ich eine neue Stelle bekommen - meine erste Führungsposition in einem großen Konzern. Und obwohl es eine total positive Veränderung ist, hat der Arbeitsstress zur Verschlimmerung meiner Situation beigetragen. Ich begab mich in Therapie. Es wurde bei mir eine Anpassungsstörung festgestellt.
Was war mit ihm in der Zeit? Am dritten Tag des Krieges hat er mich mit der Aussage es ist mir zu viel, ich muss jetzt auf mich schauen verlassen. Danach folgten noch drei On-Off Phasen. Es ist ein ständiger Kampf. Ich verstehe einfach nicht, wie man eine Beziehung SO kompliziert machen kann und gefühlt gar keine Kontrolle über eigene Emotionen haben. Aber ich weiß auch, dass dazu immer zwei Menschen gehören. Aber ich muss mein Teil zumindest verstehen können um ihn zu akzeptieren.
Er hat es in seinem Leben auch nicht leicht. Er ist auch eine Führungskraft im gleichen Konzern und steht in der Arbeit ständig unter Strom. Vor vier Wochen ist noch sein Dad beim Radfahren gestürzt und hat sich am Kopf so verletzt, dass er nicht mehr sprechen konnte. Diese Situation mit seinem Vater hat er als Vorwand benutzt um zurückzukommen. Es hieß ich weiß nicht, wie ich die nächsten Wochen überleben soll. Ich muss es dir erzählen.
Letzte Woche gab es bei uns wieder eine Situation nach der er ging. Ich hatte einen sehr anstrengenden Tag in der Arbeit und danach meine Therapiestunde. Als wir uns später trafen, war er auch sehr müde und hat angefangen bei mir seine Probleme abzuladen: Bauch tut weh, Sonnenbrand vom Wochenende ist noch nicht vorbei, er muss husten, niesen, irgendwas ist im Auge, Schulter verspannt, er musste so viele Präsentationen für die Arbeit vorbereiten. Ich habe nur mit es wird alles gut reagiert. Nachdem wir bei mir zu Hause ankamen, habe ich realisiert, wie müde ich war und dass ich mich erstmal hinlegen muss und nicht kochen kann, wie wir es geplant haben. Er hat es akzeptiert und hat angefangen mit seiner Mutter zu telefonieren. Er wurde laut… sehr laut. Ich habe ihm signalisiert, dass er ins andere Zimmer gehen kann, was er auch machte. Nachdem das Telefonat beendet wurde, kam er wieder an und wollte doch kochen. Ich hatte keine Kraft mehr, ich war erschöpft und aufgewühlt… streng, aber dennoch ruhig habe ich gesagt, dass ich nicht mehr kochen möchte, dass er bitte beim nächsten Mal die Tür beim Telefonieren zumachen soll und dass die Gesundheitsthemen für mich zu viel waren. Dass wenn er Hilfe braucht, kann er immer mit mir rechnen, aber sonst sollen wir uns lieber auf positive Themen konzentrieren. Seine Reaktionen war ich kann dir nicht mal erzählen, wenn mir etwas weh tut, aufstehen und flüchten… die ganze Sache hat nicht mal fünf Minuten gedauert. Er war schneller weg, als ich schauen konnte. Daraufhin folge selbstverständlich die Funkstille. Und Trennung.
Seine letzte Nachricht war: Du verstehst überhaupt nichts! Ich werde nicht mehr mit dir diskutieren, es hat keinen Sinn. Null. Ich meine es diesmal ernst - es ist endgültig aus. Melde dich nie wieder!.
Ich verstehe, dass er meine Unterstützung in der Situation gesucht hat. Aber die kann ich ihm aktuell nicht so geben, wie er sie von mir haben will. Er meint, er ist buchstäblich ein Experte was seine Krankheit angeht und braucht weder Therapie, noch Medikamente. Die letzten 2,5 On-Wochen waren wirklich gut. Er war so aufmerksam, hat sich so viel Mühe gegeben und hat es wieder in so einer kurzen Zeit geschafft, mir die Angst vor Trennungen zu nehmen. Und nun habe nur das Gefühl alles kaputt gemacht zu haben. ich bin auf allen Kanälen blockiert. Ich verstehe, dass vieles dafür spricht, dass ich mich von ihm abgrenze und mich auf mich konzentriere. Doch ich liebe ihn. So absurd wie es klingt, möchte ich ihn zurück. Es tut so weh keine Möglichkeit mehr zu haben mein Alltag mit ihm zu teilen, mit ihm zu schreiben und zu telefonieren, seine Nähe zu haben. Ich möchte einfach nur leben und nie mehr in diesem stürmischen Meer der Emotionen ertrinken. Was kann ich dazu beitragen?
Ich würde mich sehr über einen Austausch freuen.
Vielen Dank im Voraus.
18.06.2022 05:02 •
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