Hallo zusammen
Bevor ich mein Problem schildere möchte ich mich zunächst einmal vorstellen: Ich bin Micha, 38 Jahre alt und seit inzwischen rund 8 Jahren mit meiner Freundin in einer Monogamen Beziehung. Seit 4 Jahren teilen wir uns darüber hinaus eine gemeinsame Wohnung. Meine Freundin ist 32 Jahre alt, also 6 Jahre jünger als ich und hatte vor mir weder einen festen Freund, noch S. Erfahrungen. Ich hingegen hatte bereits verschiedene, wenn sicherlich auch nicht rekordverdächtige Beziehungen und Liebschaften und habe meine Bedürfnisse festigen können.
Vor meiner Beziehung lebte meine Freundin privat stets etwas zurück gezogen und hatte große Schwierigkeiten Vertrauen in andere Menschen zu fassen. Zeitgleich ist es ihr stets ein unendliches Bedürfnis die wenigen Menschen, die sie an sich ran lässt zu erfreuen. Ich selbst war aufgrund meiner eigenen psychischen Vorgeschichte lange Zeit ganz ähnlich gestrickt und brachte daher immer sehr viel Verständnis für sie auf. Aufgrund dieser Vorgeschichte machte ich vor Jahren auch eine Therapie, die mir dabei half meine eigene eher von Angst geprägte Gefühlswelt besser kennen lernen und kontrollieren zu können. Ich bin von Beginn an stets offen zu meiner Freundin gewesen und so verlebten wir die letzten Jahre (von einigen normalen Höhen und Tiefen abgesehen) in einer konstanten und wohlfühlenden Beziehung. Während all der Jahre hatte ich nie das Gefühl, dass uns S. irgend etwas fehlen würde. Wir tauschten Wünsche und Fantasien aus und keiner schien sich nach der Haut eines anderen Menschen zu sehnen. Die Beziehung mit meiner Freundin gibt mir ja auch in S. Hinsicht alles was ich brauche: Lust, Vertrautheit, Sicherheit und völliger Hingabe. Ich brauche und will keine andere Person mit der ich all dies teile. Und da ich von meiner Freundin auch nie etwas anderes hörte gab es für mich somit auch nie einen Grund an ihrem Wunsch nach einer monogamen Beziehung zu zweifeln. Ich gebe zu: Auch ich empfinde ab und zu andere Frauen als attraktiv und würde diese (wie man umgangssprachlich sagt) nicht von der Bettkante schubsen. Aber eben auch nur als Single, wenn ich mich ohnehin nach Nähe sehne. Damit hört die Anziehungskraft anderer Frauen dann aber auch wirklich schon wieder auf. Der Gedanke mich einer anderen Frau als der hinzugeben, die ich liebe erscheint mir daher genauso abstoßend wie der Gedanke den Körper meiner Freundin mit jemandem teilen zu müssen. Das (Nach Meinung einiger Wissenschaftler) gesellschaftlich anerzogene Konstrukt der Monogamie stellt für mich also keineswegs eine Art Gefängnis dar. In dieser Konstellation fühle ich mich eben wohlsten.
Für mich selbst stand es zeitgleich jedoch stets fest, dass ich (im Gegensatz zu ihr) neben meiner Freundin weitere freundschaftliche Kontakte zu anderen Menschen suchen wollte, mit denen ich die Hobbys teilen kann für die sich meine Freundin bis dahin eben nicht begeistern konnte. Eines davon waren mehr oder weniger regelmäßige Besuche in der Diskothek um tanzen zu gehen. Nach vielem hin und her und der Angst meiner Freundin ich könne während eines Tanzabends vielleicht auf die Idee kommen mir eine passendere Freundin versuchte ich ihr Vertrauen in mich zu stärken und ging schließlich wieder mehr aus. Irgendwann war es dann soweit und ich lernte während eines Abends ein älteres Ehepaar kennen. Es entwickelte sich zunächst so etwas wie eine lose Bekanntschaft und dann. kam Corona. Die Tanzabende waren vorerst vorbei und man verlegte die Treffen in die heimischen 4 Wände. Anfangs hatte meine Freundin auch hier große Bedenken und hätte am liebsten die Besuche abgelehnt. Erneut konnte ich meine Freundin jedoch (weil mir die Freundschaft eben viel bedeutet) mit sehr viel Einfühlungsvermögen vom Gegenteil überzeugen und so freundete selbst sie sich mit den beiden an.
Ich weiß nicht mehr wie genau es dazu kam, doch irgendwann stellte sich heraus, dass dieses Ehepaar sich nach über 20 Jahren Ehe dazu entschieden hatte ihre Beziehung zu öffnen und dem jeweiligen Partner weitere S. Kontakte zu erlauben. Ich selbst habe nichts gegen diese Form der Beziehungsführung und kann sie respektieren, doch für mich selbst kommt sie eben einfach nicht in Frage. Ab und zu lässt die weibliche Hälfte des Pärchens schon durchblicken, dass sie auch nichts dagegen hätte, wenn sich ihr Mann mit meiner Freundin vergnügen würde, doch da von seiner Seite aus derartige Andeutungen praktisch nie gemacht wurden, habe ich auch nie mehr dazu gesagt als dass ich sowas nicht möchte. Um es weiterhin übersichtlicher zu gestalten nennen ich die beiden ab jetzt einfach nur noch T (Sie) und S (Er)
Man ahnt vielleicht schon jetzt was kommt.
Am Montag hatte ich mit meiner Freundin ein längeres Gespräch und sie fragte mich ob ich S irgendwie böse angeschaut habe, weil er zwischendurch angeblich erschrocken von ihr weg zuckte. Ich wusste nicht einmal von welcher Situation sie da sprach, da es meiner Ansicht nach von S keinerlei Annäherungsversuche gab, die mich irgendwie gestört und Grund zur Eifersucht gegeben hätten. Sie seufzte und schien irgendwie bedrückt zu sein. Da ich mir einfach keinen Reim auf ihr Verhalten machen konnte fing ich an etwas nachzubohren und so stammelte sie dann nach einigem Zögern hervor, dass sie nach langem Überlegen beschlossen habe nicht monogam leben zu wollen. Man hätte mir in dem Moment offen gesagt keinen stärkeren Schlag in die Magengrube geben können. Ich war völlig entsetzt und wusste nicht mehr was ich sagen sollte. Der Verdacht, dass ganze sei einfach eine blöde Ausrede und sie habe sich lediglich in S verschossen lag natürlich am nächsten, also fragte ich genau dies bei ihr nach. Sie war ebenso entsetzt über mein mangelndes Vertrauen, dass ich das überhaupt vermuten könnte und beteuerte unter vielen Tränen, dass es da wirklich nichts gäbe was über eine körperliche Anziehung hinaus geht. Sie fing an alles etwas mehr zu erläutern und erklärte mir, dass sie Gefühle nur für mich empfinden würde. Sie könne S. und Liebe eben von einander trennen und ärgere sich, dass sie sich in ihrer früheren Vergangenheit S. Erfahrungen verwehrte habe und nun das Gefühl habe es gäbe da eine Leere die gefüllt werden müsse. Allerdings sei dies eben an die Bedingung geknüpft, es mit Menschen zu tun, den sie bereits kennt und gern habe. Ein völlig Fremder käme für sie nicht in Frage. Wer damit gemeint war, war natürlich nicht schwer zu erraten und ich fragte sie erneut nach dem warum ausgerechnet S. Der Grund für sie war die offene Beziehung von S und T. Diese sei für sie der ideale safe space um sich ausprobieren zu können.
Man mag mich vielleicht naiv nennen, vielleicht sogar dumm doch ich schenkte ihr erneut mein Vertrauen und glaubte ihr die Geschichte, doch mein Herz war zunächst wie versteinert. So stellte ich klipp und klar fest, dass ich einer Öffnung unserer Beziehung nicht zustimmen werde. Ich habe mich bewusst für eine monogame Lebensweise in Beziehungen entschieden und möchte daran auch nichts ändern. Und auch wenn es etwas egoistisch erscheinen mag, so käme für mich auch keine einseitige offene Beziehung in Frage. Den Gedanken, sie *beep* in den Armen eines anderen Mannes zu wissen treibt mir sogar während ich dies hier schreibe die Tränen in die Augen und erfüllt mich mit einer Mischung aus Wut, Verlustangst und Traurigkeit. Das würde ich langfristig nie und nimmer Aushalten und dann lieber den Schlussstrich unter die Beziehung ziehen. Daher sagte ich ihr schweren Herzens, dass ich ihre Neigungen zwar nicht verurteile, doch wenn sie ernsthaft an ihrem Vorhaben festhielte würde dies zwangsläufig auf eine Trennung hinauslaufen. Meine Freundin sagte mir unter weiteren Tränen, dass sie dies unter keinen Umständen wolle, da sie mich innig liebe, da sie nur bei mir das Gefühl habe gänzlich sie selbst sein zu können. Sie bat mich inständig ihr Zeit zu geben, da sie nicht mit einer so heftigen Reaktion von mir gerechnet hatte und sich nun erst einmal neu ordnen müsse. Die folgende Nacht schliefen wir beide nicht und mein folgender Arbeitstag war ein reinstes Chaos, sodass ich früher nach Hause fuhr. Ich war immer noch erfüllt von diesem Wechselbad der Gefühle und ich bemerkte wie sich meine Wutphasen gegen S richtete. Ich schrieb meiner Freundin über unser Gespräch und sie erklärte erneut dass sie zwar verstanden habe, dass ich keine Intimitäten zwischen ihr und S tolerieren würde, es aber eben unvermeidbar sei, dass sie unsere Freunde mögen würde. Wie man von ich mag jemanden zu ich will ihm das zeigen, indem ich mit ihm schlafe kommen kann, wird mir wohl ewig verschlossen bleiben. Ich schrieb ihr, dass ich mit S reden möchte, doch sie bat mich dies zunächst selbst mit ihm zu machen, wenn die Gelegenheit günstig sei.
Hier, so gebe ich zu konnte ich meiner Freundin einfach nicht noch weiter vertrauen. Zu verletzt war ich und zu sehr nagte die ungeklärte Situation an mir. Ich weiß nicht weshalb. vielleicht war es etwas unbewusstes, was mir einst die Therapie lehrte und nun aus mir hervor brach, vielleicht war es auch einfach nur Blödheit, doch anstatt zum Telefon zu greifen und vor lauter Wut und Eifersucht S anzupampen, dass er bloß seine Finger von meiner Freundin lassen soll, entschied ich mich ihm eine Nachricht auf whatsapp zu schreiben und ihn um ein vertrauliches Gespräch zu bitten. Ich schilderte ihm den kompletten Vorfall und bat ihn um eine ehrliche Antwort auf die Frage wie das ganze denn aus seiner Perspektive ausschaue. Er war völlig überrascht von meinen Erzählungen und seine Unwissenheit über die Gefühls- und Gedankenspielchen meiner Freundin schienen ehrlich zu sein. Er beteuerte keinerlei Andeutungen oder Handlungen vorgenommen zu haben, die meine Freundin hätte fehlinterpretieren können und zeigte Sorge das Gerede über offene Beziehungen könnte meiner Freundin irgend einen falschen Floh ins Ohr gesetzt haben. Wir unterhielten uns lange über sein eigenes Beziehungsmodell und er erklärte mir, dass es lange Jahre dauerte bis er und seine Frau überhaupt selbst bereit zu diesem Schritt waren. Außerdem bestünde eine der Regeln ihrer offenen Ehe darin, dass bei außerehelichen Abenteuern stets alle Beteiligten ihr Einverständnis geben müssten, was zum in meinem Fall nicht der fall sei, da ich als ihr Freund damit nicht einverstanden sei. Und nicht zuletzt sei ihm die Freundschaft viel zu wichtig, um sie wegen sowas aufs Spiel zu setzen.
Gestern unterhielt ich mich erneut mit meiner Freundin, da ich noch immer nicht aus diesem Gefühlschaos entkam und erneut bat sie immer wieder um Verzeihung. Sie habe naiverweise nicht damit gerechnet, dass sie mit ihrer Bitte wohlmöglich unserer Beziehung mehr schaden könnte und es täte ihr unendlich weh, wenn mich zwischendurch erneut diese ablehnende Gefühlskälte ergreifen würde.
Lange Geschichte, obwohl mir das Schreiben durchaus gut tat. Meine Gefühle sind noch immer recht aufgewirbelt und ich weiß einfach nicht, wie ich mit der Situation umgehen soll. Ich bin niemand, der seiner Partnerin egoistisch gegenüber tritt und ihr krampfhaft Ketten anlegt. Doch wir hatten uns einst auf eine monogame Beziehung geeinigt und daran möchte zumindest ich eben auch nichts ändern. Dafür bin ich der falsche. Immer wieder erwische ich mich daher bei dem Gedanken doch die Reißleine zu ziehen und das ganze Spiel zu beenden. Auch wenn ich meine Freundin nach wie vor liebe und mich eine Trennung wahnsinnig schmerzen würde. Ich bin mir noch nicht einmal sicher ob ihr Wunsch nach einer Öffnung der Beziehung überhaupt echt ist oder ob sie nicht einfach nur glaubt sie müsse irgendwie die Chancen ihrer verlorenen Jugend nachholen. Des weiteren weiß ich natürlich immer noch nicht ob ich S und T trauen kann. Ein Teil in mir würde die Freundschaft am liebsten direkt quittieren, ein anderer möchte den beiden vertrauen. Irgendwie fühlt sich gerade alles nur noch falsch an und ich treibe zwischen Traurigkeit, verlorenem Vertrauen, Eifersucht, Zukunfts- bzw Verlustängsten und dem Wunsch nach der Liebe meiner Freundin umher.
Vielleicht hat ja hier jemand einen Rat oder zumindest ein paar aufmunternde Worte
Liebe Grüße
Micha
04.11.2021 11:28 •
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