Ich weiß ja nicht, ob mein Leben hier noch jemanden interessiert... aber ich schreib' es trotzdem auf, weil ich dringend loswerden muss, was gestern passiert ist! Also, ich weiß nicht, langsam komme ich mir selber vor, wie in einem schlechten Film.
Jetzt bin ich auch noch Geheimnisträger eines wirklich sehr pikanten Geheimnisses. Das ist mir in meiner momentanen Situation, in der ich mich mit möglichst wenig anderen Dingen belasten soll, ja eigentlich gar nicht recht. Aber nu' isses zu spät, nu' weiß ich es ja.
Gestern bat mich ein sehr lieber und langjähriger Kollege (wir arbeiten seit 20 Jahren in derselben Firma), der mir in den letzten Jahren viel geholfen und oft zugehört hat, der unwahrscheinlich intelligent ist und der neben seinem Job hier auch noch einen Geschäftsleiterposten in einer unserer Niederlassungen im Ausland hat, um ein Gespräch unter vier Augen. Nun hätte er tatsächlich 'mal etwas in eigener Sache.
Wir gehen in den Besprechungsraum, und da sagt mir der Mann, den ich seit 20 Jahren als engen Kollegen kenne und schätze, ganz unverblümt und ohne Einleitung auf den Kopf zu: Ich bin Tra**gender.
Ich denke nur: Äh, wie?! Was? Ach so. Okay. Tra**gender, nee, is' klar. WIE BITTE?!
Nachdem die Info langsam in mein Bewusstsein gesickert war, berichtete mir der Mensch, der 55 Jahre als Mann gelebt hat und den ich seit 20 Jahren als Mann kenne, dass er sich als Frau fühlt, seit er 5 Jahre alt ist. Und dass er nun endlich die Entscheidung getroffen hat, sein Frausein auch leben zu wollen. Ich wäre da nie drauf gekommen! Ich glaube, davon ahnt hier wirklich keiner etwas!
Ich denke, man kann sich gar nicht vorstellen, wie schrecklich es sein muss, nicht mit der Identität leben zu können, mit der man leben möchte. Wir haben dann lange geredet, er hat mir vieles erklärt, ist sehr informiert.
Da er nun Behandlungen eingeleitet hat (Hormontherapie etc.) und sich sein Aussehen ganz allmählich zu verändern beginnt, möchte er peu à peu die Leute informieren. Ich bin nach dem Geschäftsleiter, den er eine Stunde vor mir informierte, der 2. Mensch im Unternehmen, der es erfahren sollte. Das Vertrauen ehrt mich natürlich sehr. Aber dass ich mit diesem Hammer (das muss man schließlich erstmal verdauen) nun rumlaufen muss und die nächsten 3 Monate, die er wieder im Ausland ist, niemandem etwas sagen darf, ist schon irgendwie hart für mich.
Ich habe ihm natürlich meine volle Unterstützung zugesagt, sofern ich da irgendwas tun kann, was akzeptanzfördernd ist etc. Obwohl ich fürchte, dass meine Möglichkeiten da begrenzt sind.
Naja... jetzt bin ich es wenigstens hier 'mal losgeworden. Ich frage mich, ob es in meinem Leben denn nicht einfach 'mal wieder langweilig werden könnte, bitte!