Guten Morgen, meine lieben Wegbegleiter!
Mein Thread hier ist jetzt schon ein halbes Jahr alt. Was seitdem alles passiert ist... es ist, wie @Träumchen vor kurzem gesagt hat: man ist nicht mehr dieselbe, wie damals.
Ja, genau das halbe Jahr, seitdem ich den Thread eröffnet habe, ist das schlimmste halbe Jahr meines bisherigen Lebens. Dass irgendwelche Leute, die hier zwischendurch anonym aus der Deckung auftauchen, sogar zu glauben scheinen, dass das alles erfunden ist, um Mitleid zu erheischen, führt mir selbst nochmal vor Augen, wie groß die Ar***karte eigentlich ist, die ich da gezogen habe und dass es kaum zu fassen ist, welche Pechsträhne ich in den letzten Monaten hatte - erst die erneute (endgültige) Trennung von meinem Ex, dann die Krebsdiagnose meiner Mutter mit den anschließenden Wochen des Hoffens, Bangens, Krankenhaus u.s.w., danach dann der Autobahnunfall mit dem Totalschaden und als krönender Abschluss meine eigene BK-Diagnose. Ja, so viele Tränen, wie ich in den letzten 6 Monaten geweint habe, habe ich tatsächlich in den letzten 42 Jahren zusammengenommen nicht geweint (klingt vielleicht dramatisch, is' aber leider so).
Einige meiner Kollegen und Freunde sagen mir aber, dass sie es bewundernswert finden, wie ich das alles so wegstecke, dass ich trotzdem noch (oder besser wieder) lache, jeden Tag arbeiten gehe und auch ansonsten ganz normal bin und meine Späße mache. (Gerade musste ich zwei Mal hintereinander niesen, meine Kollegin sagte: Gesundheit, ich antwortete Danke, zu spät. Und wir haben gelacht.) Aber ich glaube, das ist einfach ein Schutz. Die Seele schützt sich, um nicht vollkommen durchzudrehen. So sehr mancher Mensch den Alltag verflucht - für mich ist der Alltag gerade mein Rettungsanker. Morgens aufstehen, wie immer, arbeiten gehen, den Tag mit den Kollegen und Kunden verbringen, einkaufen, kochen, die Katzen versorgen, Freunde treffen, auch 'mal ausgehen, ab und an S. haben (wenn auch viel zu selten )... Routine schützt vor dem seelischen Absturz, hab' ich so das Gefühl.
Wobei - gestern Abend, als ich in der Küche beim Schnibbeln Radio hörte und The Blowers Daughter lief, bekam ich den totalen Heulflash und konnte mich lange nicht beruhigen. Dann kommt die Angst mit voller Wucht hoch und irgendwie habe ich das Bedürfnis, ständig den Kopf zu schütteln, weil ich einfach nicht glauben kann, dass mir das alles passiert ist.
Kennt Ihr das Lied? Das trifft bei mir mitten ins Herz.
Vielleicht liegt es auch daran, dass man in der Zeit des Wartens auf die OP und somit den Startschuss für die Behandlung ja nichts anderes tun kann, als den normalen Alltag weiterzuleben. Ja, man könnte sich auch in den Keller in eine dunkle Ecke setzen und verrückt werden. Aber das will ich nicht. Und so bin ich auch nicht. Und dafür gibt es auch zum Glück zu viele Menschen, die für mich da sind und mir helfen. Dafür bin ich unendlich dankbar.
Heute in einer Woche muss ich zum MRT, in die Röhre. Und dazu auch noch falschrum, also auf dem Bauch.
Davor hab' ich ein wenig Angst, weil ich noch nie in der Röhre war. Aber die 20 Minuten werde ich schon irgendwie überstehen. Meine Freundin meinte, man müsse sich in der Zeit einfach an einen anderen, schönen Ort denken.
Und am 30. dann die OP. Ich kann mir zwar auch 'was Schöneres vorstellen, als Silvester und Neujahr im Krankenhaus zu verbringen, aber andererseits war mir Silvester noch nie wichtig und ich hatte eh nix vor. So bin ich also zumindest beim Jahreswechsel nicht alleine zu Hause...
Letzten Donnerstag hatte ich einen ziemlichen Streit mit J. . Dieses Freundschafts-Ding ist doch nicht ganz so einfach für mich, wie ich dachte. Aber ich habe mir jetzt nochmal vorgenommen, darüber erst wieder nachzudenken, wenn die OP und die Bestrahlung vorbei ist und alles wieder halbwegs normal ist. Dann muss ich nochmal ernsthaft in mich gehen, ob ich das alles so will und vor allem auch kann. Ich hab' ihm das auch schon gesagt und er versteht das.
Das Positive momentan ist, dass es bei meiner Mama langsam aber stetig aufwärts geht. Letzten Freitag war sie das erste Mal wieder mit mir einkaufen - also wirklich im Laden mit Einkaufswagen und nicht draußen im Café geparkt. Sie läuft wieder viel sicherer und schneller, die Portionen, die sie isst, werden größer und sie hat in den letzten 4 Wochen immerhin 3 Pfund zugenommen.
So, das war jetzt 'mal wieder ein etwas ausführlicherer Bericht über die momentane Lage.
Ich bin überrascht, dass hier scheinbar viel mehr Leute mitlesen, als ich dachte... auch, wenn die wohl nur aus der Versenkung kommen, wenn ich etwas berichte, was sie veranlasst, mich beleidigen zu können oder sich sogar anmaßen, mir zu unterstellen, ich hätte meine Krebsdiagnose erfunden (mein Gott, ich wünschte, das wäre so!)...
Nunja, aber irgendwie ist das ja auch eine Form von Anteilnahme...
Euch allen, die Ihr mir wohlgesonnen seid, wünsche ich einen stressfreien Tag und umarme Euch ganz herzlich!
14.12.2015 06:58 •
x 2 #1232