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Nichts ist wie es war

AD203
Seit du aus meinem Leben entschwunden bist, ist nichts mehr wie es war. Ich bange sogar um mein Aufenthaltsrecht. Es kommen mir plötzlich Augenblicke, in denen ich einfach nicht mehr weiter weiß. Menschen sprechen mit mir, aber ich schaue durch sie hindurch, weit fort in ein anderes Land. Wohin weiß ich nicht, aber ich bin auf einmal nicht mehr hier. Meine ganze Welt steht Kopf, seit du fort bist. Ich stehe an einer Brücke, auf der haben wir eng umschlungen gestanden und den wallenden Strömen des Mains zugeschaut. Auf dieser Brücke haben an Sylvester das Feuerwerk bestaunt. Seit du fort bist, erkenne ich diese Brücke nicht wieder. Die ganze Stadt ist mir zu einem fremden Ort geworden. Sie ist gigantisch, wüst und oft feindselig. Mir ist, als könnte sie mich verschlingen. Aber noch grauenvoller ist die Vorstellung, dass niemand an mich denken würde. Denn du scheinst dich in keiner Weise dafür zu interessieren, wo ich bin, was ich tue oder wie ich mich fühle. Nur eine kleine ängstliche Amerikanerin weit weg in einem Dorf unter Maisfeldern scheint das noch zu tun. Aber als ich abfliegen wollte, wolltest du mich auf einmal doch noch sehen. Es ist paradox: Je weiter weg der eine, umso mehr begehrt ihn der andere.

Seit du fort bist, befinde ich mich im Überlebensmodus. Leben ist das nicht. Ich frage mich gleich einem eingelochten Kriegsgefangenen, wann ich wohl wieder die Sonne auf meiner Haut spüren soll. Wann werden mich die lieblichen Strahlen des Lebens wieder wärmen, mich mit Tatendrang und Begeisterung erfüllen? Ob ich diese Quelle in mir selbst finde? ... Ob ich eine andere Wahl habe?

Ja, eine andere Wahl habe ich. Sie heißt Sterben. Ohne Melodrama. Ich bin einfach körperlich und geistig nicht weit davon entfernt. Es verhält sich so wie mit der zum Abgrund getriebenen Beute: Vor ihr das Raubtier, hinter ihr die gähnende Tiefe. Es ist nicht melodramatisch, wenn man sagt, dass sie entweder Kämpfen oder Sterben wählen muss; die Beschaffenheit der Situation bringt diese extremen Gegensätze schon mit sich.

Aber Kämpfen? Wogegen? Gegen wen? Die Situation ist leider nicht so einfach zu begreifen, wie jene der Beute. Für sie ist der Feind ganz klar definiert. Aber ich habe keine Feinde in dem Sinne. Und ich bin des Krieges leid, ich bin des Schmerzes leid, ich bin es leid, dass sich Menschen gegenseitig wehtun. Ich will Liebe vermehren, Gegenseitigkeit vervielfachen. Ich will der weite liebevolle Raum sein, in den jede Speerspitze, jedes Geschoss und jede Klinge hineindringt ... nur um sich zu verlieren.

Ich stand heute am Fluss, einen langen chaotischen Weg hinter mir, einen ebensolchen noch vor mir und ich fragte mich, was aus meiner zauberhaften Elfe geworden ist, die mir so viel Kreativität eingeflößt, die mich zum Märchenschreiben und Träumen ermutigt hat. Vielleicht bist du tatsächlich eine Elfe insofern als dass du meine Sinne getäuscht hast. Vielleicht hast du es fertig gebracht, ganz andere Eindrücke in mir hervorzurufen, weitab von der Realität. Vielleicht bin ich diesen Nebelgeistern hinterhergetapst, unfähig zu begreifen, dass sie irgendwann verdunsten. Ich frage mich, wieviel ich selbst dazu beigetragen habe und wie groß dein Anteil daran war.

25.06.2015 22:49 • x 2 #1


Traurige maus
dein text ist wunderschön.
aber lass es dir gesagt sein, kein mensch ist es wert sein leben aufzugeben...kämpfe weiter auch wenn es dir zur zeit schwer fällt..ich kenne das glaub mir...
irgendwann wirst du auch wider die Sonnenstrahlen auf deiner haut spüren und merken wie sie dich erwärmen...eine wunde braucht zeit zum heilen und gerade das Herz heilt verdammt langsam...gib ihm zeit es kommen wider schönere tage und vielleicht eines tages eine neue liebe

26.06.2015 13:56 • #2


O
Dein Leben, Deine Beziehung klingt wie ein wilder Fluss aber auch dieser wird breiter und bietet Zeit für Besinnung, es ist wohl eher eine Frage der Neuordnung Deines Lebens. Ziehe einen Schlussstrich wenn es sein muss (mag es auch noch so schmerzlich sein) und besinne Dich auch auf andere Seiten Deines Lebens welche Du allein beschreiten kannst. Sonne, Meer, Wind - Salz auf der Haut, sorry das geht auch ohne Partner (ja ich weiß, ich bin ein Armleuchter und unverbesserlicher Zyniker, aber ehrlich)

26.06.2015 21:33 • #3