Richter auf den unteren Instanzen werden in Deutschland leider nach der Ausbildung nicht mehr zur Abstraktion angehalten. Das wirkt sich besonders im Miet-, Arbeits- und Familienrecht aus.
Hast Du vor dem Amtsgericht einen Richter, der selbst Wohnungen vermietet, wird er anders entscheiden als der Richter, der zeitlebens Mieter geblieben ist.
Ein Richter, der selbst zu Hause als Vater die 50er-Jahre-Rolle übernommen oder sie als Sohn nicht anders erlebt hat, sich also gar nicht vorstellen kann, als Vater mit einem kleinen Kind allein zu sein, wird das Kind gehört zur Mutter propagieren. Insbesondere dann, wenn die Mutter mit einem neuen Ernährer wieder etwas Familienartiges für das Kind bieten kann. Ein solcher Richter hält die Aussicht, eine 6jährige von einem Junggesellen versorgen zu lassen, für absurd.
Ein Richter, der selbst privat Erfahrungen mit dem Wechselmodell gemacht hat, wird anders entscheiden.
Und in den höheren Instanzen ist die Abstraktion vom eigenen Erlebnishorizont wesentlich höher. Aber in die höhere Instanz kommt man ja leider nicht so leicht.
Das nützt Dir, Schwedus, aber jetzt alles nichts. Bis ein neues Verfahren den jetzigen Zustand ändert, musst Du mit dem derzeitigen Urteil umgehen lernen.
Mach Dich bitte über klassische Reaktionen von Kindern in Trennungssituationen schlau. Es gibt immer den Loyalitätskonflikt, der dazu führt, dass Kinder dem jeweiligen Elternteil den Teil der Wahrheit erzählen oder verheimlichen, der auf dieses Elternteil passt.
Es kann also gut sein, dass Deine Tochter Dir erzählt, dass sie gerne mehr Zeit mit Dir verbringen möchte, weil sie weiß, dass Du Dir mehr Zeit mit ihr wünschst. Und wenn die Mutter fragt, wird sie das verneinen, weil sie aus Loyalität die Wünsche der Mutter spiegelt. Und fragt das Gericht, muss sie einen von euch beiden verraten oder sich innerlich zerreißen.
Denn die Antwort des Kindes aus eigener Sicht wird immer lauten, dass Mama und Papa sich doch wieder vertragen sollen und sie alle Zeit mit beiden verbringen will.
Diesen Konflikt kannst Du nicht für sie auflösen, sondern es ihr nur leichter machen, indem Du keine Erwartungen an sie stellst und ihr versicherst, dass alles gut ist, Du immer für sie da bist, wenn sie Dich braucht, und sie sich um Dich keine Sorgen machen muss.
So schwer das auch für Dich ist: In den Zeiten, in denen sie nicht bei Dir ist, vermisst Du sie, aber sie Dich -wenn Du als Vater alles richtig gemacht hast!- nicht.
Denn durch die Trennung spaltet sie Dich dann ab, wenn es für ihr Leben in dem Moment wichtig(er) ist, loyal zu ihrer Mutter zu sein. Genauso wird sie, wenn sie bei Dir ist, ihre Mutter nicht vermissen, wenn ihre Mutter alles richtig gemacht hat und ihr erlaubt, auch zu Dir loyal zu sein.
Da muss man sich sehr zurück nehmen und die eigene Gefühlswelt von der des Kindes trennen und sich immer wieder daran erinnern, was für das Kind gut ist.
Und auch darauf achten, Deine Gefühle in Bezug auf Deine Ex nicht mit den Gefühlen in Bezug auf Deine Tochter zu vermischen. Deine Ex hat Dich als Partner ausgetauscht. Aber der Neue Deiner Ex wird damit nicht zum Vater Deiner Tochter. Deine Tochter muss und wird ihre Eltern nicht austauschen. Sie bekommt mit dem Next nur eine weitere Bezugsperson dazu. Deine Vaterrolle wird ja auch nicht von der Oma oder einem Onkel ersetzt. Also musst Du auch beim Next keine Angst in Bezug auf Deine Tochter haben.
Und versuch auch, keine Rangfolgen in Bezug auf die Zeit mit dem Kind aufzustellen. Das machst Du, wenn Du schreibst, dass ja nicht immer Deine Ex, sondern auch Oma und Next das Kind abholen. Damit stellst Du Deine Frau auf Rang 1. Und wenn die keine Zeit hat, soll nach dieser Logik der nächste im Rang (Du) vor den rangniedrigeren (Oma und Next) dran sein.
Doch es geht nicht um Rangfolgen (also die Bedienung des Egos), sondern darum, dass das Gericht Dir und der Mutter unterschiedliche Zeiten zugewiesen hat, in denen ihr frei agieren dürft.
Und weil Du das Urteil als ungerecht empfindest, dagegen aber vorerst nichts tun kannst, rationalisierst Du Dir einen Weg zurecht, wie Dir trotz Urteil dann die Oma- oder Next-Zeiten eigentlich gegeben werden müssten.
Das bringt Dich aber nicht weiter!
Du wärst gerne in einer anderen Lebenssituation. Und weil Du es nicht bist, obwohl es Dir nach Deinem Gefühl zustünde (was ich gar nicht negieren will!), fühlst Du Dich ungerecht behandelt (was ja aus Deiner Sicht auch stimmt). So lange Du Dich aber daran festklammern, dass Dir ungerechter Weise etwas versagt wird, worauf Du ein Anrecht hast, werden Deine Gedanken immer nur um diese Ungerechtigkeit kreisen und Du kommst nicht vorwärts.
Erst wenn Du loslässt und Dich Deinem Schicksal, soweit Du es nicht mehr ändern kannst, ergibst und es akzeptierst, wirst Du frei, Dein eigenes Leben zu leben.
Mit Deiner derzeitigen Einstellung wirst Du abends zu Hause sitzen und denken, dass Dein Kind jetzt bei Dir sein sollte, es jetzt mit jemand anderem ist, dieser jemand also etwas genießt, was Dir zusteht, und der Abend ist gelaufen.
Wenn Du Dein Schicksal akzeptierst, wirst Du abends Deine Tochter vermissen, Dich daran erinnern, dass das jetzt nicht zu ändern ist, Dich auf den nächsten Besuchstag freuen und die Zeit bis dahin für DICH nutzen.
Du hast zwar ganz viele der landläufigen Tipps umgesetzt (im Verein anmelden, neue Leute kennen lernen, daten, neu einkleiden, etc.). Aber es kommt mir so vor, als wären das eher Pflichtübungen für Dich gewesen, die nichts an Deiner Grundeinstellung geändert haben. Nach echter Selbstfürsorge hört sich das gar nicht an, obwohl Du auf dem Papier alles richtig gemacht hast.
Und diese Selbstfürsorge ist eben auch eine Einstellungssache. Wirklich zu verstehen, dass Du der einzige bist, der dafür zuständig ist, dass es Dir gut geht. Dass Schicksalsschläge und Ungerechtigkeiten passieren können. Und Du dann die Aufgabe hast, Dich dennoch wieder aufzurappeln und für Dich selbst einzutreten und Dir allen Staub von den Klamotten zu klopfen und Deinen Weg weiter zu gehen.
Apropos Weg: Wie sieht der denn aus, jetzt wo Dein erster Lebensentwurf beendet ist? Was willst Du in Deinem Leben noch erreichen? Wie sieht Dein zweiter Lebensentwurf aus?
Derzeit machst Du noch den Eindruck, als würdest Du auf irgendwas warten, bevor Dein Leben weiter gehen kann.
Was ist das? Und kannst Du diesen Wartegrund eventuell loslassen?
09.04.2017 02:06 •
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