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Neid, Missgunst und Eifersucht - wie damit umgehen?

M
Jetzt kann ich Deine Sehnsucht nach großen Gefühlen eher nachvollziehen. Du hast schon als Kind zu selten große Gefühle gehabt und wenn Du die bei anderen siehst, dann erwacht auch bei Dir der Wunsch danach. Dir wurde körperliche Zärtlichkeit, die auch Geborgenheit und Sicherheit vermittelt, verweigert, weil Deine Eltern sie Dir nicht geben konnten.

Die waren vermutlich selbst schon so aufgewachsen und was man nicht mitbekommen hat, kann man schlecht weiter geben oder besser gesagt, gar nicht.

Dann warst Du also auch ein gut dressiertes Kind, was mich total an mich erinnert. Sei brav, schrei nicht auf der Straße rum, sag Guten Tag und mache einen Knicks, mach Dich nicht schmutzig. Ich litt oft unter der Launenhaftigkeit meiner Mutter. Einen Tag war sie zufrieden und sang, den anderen wirkte sie geladen und unzufrieden. Und wer bekam es ab? Ich als die Erstgeborene, bei der man auch noch alles richtig machen will.
Ich war froh, als ich endlich in die Schule gehen durfte. Ich war unglaublich scharf darauf und ich vermute, dass es deswegen war, weil ich so ihrem Diktat zeitweise entfliehen konnte. Keine Frage, dass ich eine gute Schülerin war. Hier war ein Platz, wo ich mich bewähren konnte und nicht Gefahr lief, wieder mal was falsch gemacht zu haben.Ich habe mich mein Leben lang in der Schule wohl gefühlt, wurde aber keine Lehrerin, denn das Lehren liegt mir nicht.

Das ist eine Bürde fürs Leben, weil Kind lernt: Liebe und Anerkennung gegen Leistung. Das führt zwangsläufig dazu, dass man seine Leistung mit der anderer vergleicht und merkt, dass die es vermutlich leichter haben und nicht so dressiert werden. Es entsteht im Inneren eine Leerstelle und Du brauchst Jemanden, bei dem Du das nachlebst.
Und wenn Du den gefunden hast, willst Du ihn an Dich binden, mit allen Mitteln, weil Du Dir unbedingt die Sicherheit verschaffen musst, dass Du gut genug und liebenswert genug bist.
Denn in Dir wüten Verlustängste, die nach Kompensation schreien.

Affären sind übrigens immer ein Zeichen für einen Mangel, den man ausgleichen will. Sagte mir mein Psychotherapeut, bei dem ich zur Beratung war. Dir fehlt was und dieser andere Mann kann es Dir vermeintlich geben. Dann merkst Du, dass Du blind vor Liebe nicht gemerkt hast, dass der Dich gar nicht als Lebenspartnerin haben will und musst die Zurückweisung verkraften. Wieder hast Du erfahren, dass Du nicht gut genug warst.

Du lebst halt das nach was Du kennst. Das tut jeder, was auch sonst? Deine Seele schickt Dich in die Wiederholung, weil sie tieftraurig ist. Du nimmst Dich ihr ja auch nicht an und anstatt zu versuchen, in Dir diesen Mangel ein wenig auszugleichen, suchst Du Dir einen Mann, der das dann für Dich leisten soll.
Das geht in der Regel schief, weil der Mann Deine Blessuren heilen soll, Dir die vermisste Zärtlichkeit geben soll, die er aber Jemand anderem lieber gab und der Dir die Sicherheit geben soll, dass er immer für Dich da ist. Mein Mann, mein Bedürfniserfüller.

Ich habe es auch erst spät kapiert und nach einigen Bauchlandungen, dass die Wurzel dieser Schläge in mir selbst lag. Irgendwann war mir klar, dass es kein Zufall war, dass sich Beziehungsmuster wiederholten und praktisch Blaupausen waren.
Ich habe dann irgendwann angefangen, mich selbst zu hnterfragen, mich zu erinnern, was damals alles so vorfiel und das war eine ganze Menge, was die schmalen Mädchenschultern tragen mussten.
Durch die Rückbesinnung wurde mir auch klar, dass ich mich selbst immer wieder systematisch boykottiert hatte. Ja, Andere, die haben es gut, aber Du! Ach ja, Du wärst auch so gerne auf der Sonnenseite des Lebens, aber die ist für die Anderen und nicht für Dich.
Meine Versagensängste leisteten ganze Arbeit, indem sie mich in Frage stellten. Ach, hast wohl gehofft, das große Los zu ziehen, aber es war nichts damit. War doch klar, dass das nichts wird, das hätten wir Dir gleich sagen können! Akzeptiere es, dass Du leider nicht so toll bist wie Du gerne wärst!

Diese Stimmen habe ich abgestellt. Ich habe diese fiesen Kobolde weggeschickt und in einen Schrank gesperrt und gesagt: ihr habt mich viel zu lange drangsaliert und ich habe Euch alles geglaubt. Aber damit ist jetzt Schluss, ich höre nicht mehr auf Euch.

Wenn Du in Dir mehr Sicherheit findest, dann klammerst Du Dich auch weniger an den Partner. Denn Du brauchst ihn weniger zum Auffüllen Deiner Defizite, die sowieso nie genug aufgefüllt werden. Dann verändert sich auch Deine Beziehung, denn alles, was Du fühlst und glaubst, teilt sich auch ohne Worte dem Partner mit. Das kann für ihn dann auch eine Entlastung sein, als wenn er den Klammereffekt von Dir fühlt. Das nimmt viel Druck aus einer Beziehung.
Er bleibt Dir dann sogar eher, weil er es freiwillig macht und nicht, weil er Angst haben muss, dass Du dann zusammenbricht.

Du hast wohl einiges vor Dir, aber die Zeit, die Du Dir widmest, ist nicht umsonst. Du kannst gestärker und reifer daraus hervorgehen. Ein Psychotherapeut kann dabei ein guter Begleiter sein, ein Coach, der Dich vielleicht auch auf manche Zusammenhänge bringt, die Du selbst nicht erkennst.

13.08.2024 17:06 • x 7 #16


Heffalump
Zitat von Margerite:
kann dabei ein guter Begleiter sein

Auch ein guter Begleiter - sind solche Beiträge. Das Forum nicht das schlechteste ist - um sich zu eichen

13.08.2024 17:11 • x 2 #17


A


Neid, Missgunst und Eifersucht - wie damit umgehen?

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L
@Heffalump

Du schreibst. Ich könnte nach der Trennung zuhause kaum darüber reden, da hieß es nur, sei froh - er ist weg.

Der Grund, warum ich mich niemandem anvertrauen wollte, als die Affären aufgedeckt wurden, liegt auch in der vermuteten Reaktion meiner Mitmenschen. Vor allem, da ich nach so was noch mit so einem zusammen sein könnte.

Selbst unsicher, was ich fühlen und wie es weitergehen sollte, wollte ich mich zu Anfang bewusst von Ratschlägen und Meinungen anderer fernhalten. In dieser Zeit war ich am Boden, so enttäuscht und verletzt wie nie zuvor - und doch meinem Inneren so nah wie nie zuvor. Ich habe ausschließlich auf meine innere Stimme gehört.

Mit den Monaten und der Aufarbeitung haben sich meine Gefühle verlagert. Da ich rückwirkend auch mich selber und mein Erlebtes anders sehen und verstehen kann, wünsche ich mir jetzt jemanden, der mir zuhört, mich tröstet, mir Mut macht und mich unterstützt. Mein Mann übernimmt einiges davon, kann sich als Täter (wie er es ausdrückt) aber in einige Dinge nicht fallen lassen, ohne seine Schuld zu spüren.

Unser beider Eltern sind Kriegskinder und mussten ihr Leben lang kämpfen. Sie selbst wurden ebenfalls streng erzogen (die Mütter) und haben diese Erziehung nie hinterfragt. Sie haben sie 1:1 weiter gegeben. Ich mache ihnen keinen Vorwurf deswegen. Auch ich wollte anders sein, durfte oder konnte es aber nicht, weil es nicht zu mir (bzw. dem Bild von mir im Außen) gepasst hätte.

Meine Kindheit in den 70ern und Jugend in den 80ern war ähnlich wie bei den meisten hier auf dem Land.

Die Erkenntnis, dass mit meinen Glaubenssätzen so einiges im Argen liegt, kam bei mir erst mit den Wechseljahren, in meinen Anfang 50ern, also die letzten 5-6 Jahre.
Ich habe teilweise meine Jugend versucht nachzuholen (Partys, Alk.) und musste feststellen, dass die neuen Freunde keine echten Freunde sind. Es war sehr anstrengend, mich dort einzufügen, mich entsprechend zu benehmen. Und verletzend, wenn ich dann nicht dazugehörte, nicht eingeladen oder nicht oder als Letzte gefragt wurde.
Ich fühlte mich zurück versetzt in die Jugendzeit, verstand es aber nicht wirklich. Habe es nur empfunden und gegen diese Gefühle versucht anzukämpfen. Mein Ehrgeiz, auch dazuzugehören war groß. Ich habe Dinge mitgemacht, die mich nicht interessierten, Gespräche über Themen geführt, die mich langweilten. Mit Menschen meine Zeit verbracht, die mich nicht kannten, um gemocht zu werden. Wenn ich das so schreibe, merke ich selber, wie krank und kaputt mein Innenleben war.

Ich beneidete diese Menschen um ihre Erfolge, obwohl ich diese niemals selber haben wollte. Um Shoppingerlebnisse udn Urlaube, die mir nie Spaß gemacht hätten. Aber nicht eingeladen oder gefragt zu werden hat mich verunsichert und verbittert. War ich wütend, habe ich alle schlechten Eigenschaften in ihnen gesucht und aufgeführt (manchmal sehr subtil erwähnt). War ich verunsichert oder enttäuscht, habe ich stundenlang nach den Auslösern in mir gesucht.

Ach, und was mir gerade einfällt: ich habe hin und wieder Tagebuch geführt. Aber von Kind an immer so, dass meine tiefsten Emotionen und Gedanken nicht aufgeschrieben wurden. Immer aus Angst, was derjenige, der es zufällig finden könnte, von mir denken würde. Ich habe eigentlich Tagesberichte verfasst, kein echtes Tagebuch geschrieben.

Die Angst, jemand könnte mein wahres ICH erkennen, ist bis heute größer, als der Wunsch, meine Gefühle aufzuschreiben. Es tut gut, dass ich das hier endlich darf und mir zutraue. Dass es mir egal ist, wie man mich hier sieht.

Danke dafür...

13.08.2024 18:29 • x 2 #18


Heffalump
Meine Eltern auch, vor dem Krieg geboren.
Ein anderer Erziehungsstil, ein ganz anderes Leben.

Ich weiß ja auch nicht, wie man es schafft, die Söhne voll Selbstwert zu erziehen und den Töchtern zu vermitteln, du bist nix, außer du hast einen Mann, der was hat.
Die gesamten Sprüche kenn ich noch aus meiner Jugend.

Nur war ich die, die aufbegehrt hat. Trugen alle karierte Hosen, war meine gestreift. Mutter sagte, wenn du dich tätowieren lässt, wirst du enterbt, also ging ich los und fand einen Tätowierer, als alle Mädchen lange Haare trugen, waren meine kurz. Irgendwann gab meine Mutter es auf, die Spitzen ab + an blieben. Ich hätte gern studiert, aber das vermieste mir Sie richtig.

Ist lange her - und auch nicht mehr zu ändern. Sie konnte ja auch nicht aus ihrer Haut schlüpfen.
Zitat von Liliana6:
Die Angst, jemand könnte mein wahres ICH erkennen

Mein wahres Ich - schmunzel, das war bunt und wild und zart und verspielt, da rückten die älteren Freunde meines Bruders an, um mir die Freunden der körperlichen Lybe zeigen zu wollen - und ich lachte sie alle aus. Alles Spinner, ich würde mein *laut meiner Mutter, mein edelstes Gut, nicht an solch ... verschwenden.

Schade, das ich dir ihr Gesicht nicht beschreiben konnte, als sie heraus fand, das ich die Pille nahm, sie verdächtigte mich gleich samt und sonders, bald hätte ich einen dicken Bauch und würde ihr Enkel bescheren, ihre größte Angst. Dabei hat sie mit mir am längsten warten müssen, auf Enkel.
Weil unverheiratet, mit Kind, da würde ich keinen mehr abbekommen, so ihr Denken - und ich dachte mir, was soll ich mit so einem schreienden Bündel, solches wollte ich damals nicht, nie im Leben.

Ich merke gerade, es muss ziemlich extrem für meine Mutter gewesen sein. Fast tut sie mir leid, aber nur fast.
Zitat von Liliana6:
Der Grund, warum ich mich niemandem anvertrauen wollte, als die Affären aufgedeckt wurden, liegt auch in der vermuteten Reaktion meiner Mitmenschen. Vor allem, da ich nach so was noch mit so einem zusammen sein könnte.

Ach du, meiner ist ja gleich auf und davon, auch weil ich ihn nach 23 Ehejahren raus warf, wer mich nicht will - darf gehen. PUNKT. Keine Gefangenen.
Ich hätte aufgrund meiner Persönlichkeitsstruktur nicht darauf gewartet, das er sich besinnt, zurück kommt und dann läuft das Leben weiter mit Schema F.

Aber es kam irgendwie schlimmer, weil mein Exemplar ein ganz besonderer Vogel war, das lernte ich aber erst hier im Forum.

Ich habe alle Hochachtung vor Paaren, die es trotzdem noch miteinander versuchen und es schaffen wollen, da würde ich nicht mit dem Finger zeigen, aber ich wuchs auch am Rand der Großstadt auf, dörfliche Wir tratschen über jeden Geschichten, kann ich mir vorstellen - ist schlimmer. Aber auch da, gibt es viel hinter verschlossenen Türen, was sich keiner vorstellen will und wo man wohl schreiend davon laufen würde.

Die vermutende Reaktion meiner Mitmenschen war mir sch egal. Denn es waren nie meine Mitmenschen, - es waren Mutters Mitmenschen. Else Kling / Lindenstraße, das war bestimmt ihre beste Freundin gewesen, sowie Heid Kabel bei Tratsch im Treppenhaus, Deren Leben so traurig, so fade, so langweilig ist, das Sie damit von Tür zu Tür laufen, etwas dazu erfinden, etwas weglassen um Farbe in das triste Leben zu bringen.

Nicht meine Welt.
Zitat von Liliana6:
Vor allem, da ich nach so was noch mit so einem zusammen sein könnte

Weil du liebtest? Weil du vertrautest? Weil du wusstest, zusammen schafft ihr das?
Es könnte natürlich auch trivialer sein, weil die Angst vor dem Prozedere von Trennung, Scheidung größer war, als das bisschen Missgunst der Weiber um dich herum.

Was auch immer.

Zitat von Liliana6:
War ich verunsichert oder enttäuscht, habe ich stundenlang nach den Auslösern in mir gesucht.

ja - Mäuschen, da ist der Unterschied, ich hab das auch alles, aber ich habe irgendwann auch gedacht, das kann nicht alles meine Schuld sein, das Andere sich wie Schimmelkäse benehmen. Warum soll dann ich dafür das Büßerhemd tragen.

Schlimm genug, was ich in meiner Ehe ertrug, ohne zu wissen, das jenes alles, viel Kalkül von ihm war, seine *Erziehungsmethode, die mir durch Mutters Erziehung ja bekannt war, mir aber nicht so groß auffiel. War alles sehr fließend.
Zu meinem Glück landete ich hier. Ich lernte ne Menge über mich, meine Ehe und was diese kleinen Spitzen alles bewirken können.

Ich kann mich ganz gut als fehlerhaftes Modell akzeptieren, unvollkommen - wie in Gottes Plan erdacht, voll Zweifel, voll Selbsthass, der aber nicht immer raus darf, weil er nervt. Meine Schulterteufel versuchen immer Regie zu übernehmen, mir einzureden, das dies alles mein Ich ist - und ich lache dann beide oft aus, so schlimm kann ich gar nicht sein, wenn ich mir dann Anderen anschau - die viel schlimmer sind, als ich es je könnte.

Was ich jedoch, auch noch nach all den bisher gelebten Jahren für mich mitnehmen kann, mein Rasen ist genauso grün, wie der, der Anderen. Wenn er dir nicht gefällt, dann musst du woanders schauen - für den Blickwinkel deiner Augen kann ich nix.
Oder die Wahrnehmung anderer, das ist tages- und Stimmungsabhängig, wie man es aufnimmt, wie man es wieder gibt, oft denke ich zu kompliziert, als das man mir folgen könnte und auch, manches mal, bin ich voll auf Konfrontation, wenn wieder von der Seelenverwandtschaft geschrieben wird, weil wenn die Seelen so verwandt wären - würde er/sie dann nicht so agieren.

Dir wünsche ich den Punkt, das du erkennen kannst, das du nur ein kleines Rädchen bist, wie wir alle - und Gottes Plan - auch nicht durchschaust, somit auch nicht die Ursache allen Übels sein kannst.


Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

14.08.2024 04:14 • x 6 #19


M
Zitat von Liliana6:
Der Grund, warum ich mich niemandem anvertrauen wollte, als die Affären aufgedeckt wurden, liegt auch in der vermuteten Reaktion meiner Mitmenschen. Vor allem, da ich nach so was noch mit so einem zusammen sein könnte.

Wer redet schon gerne darüber, wenn er betrogen wurde? Und ob Du mit so einem noch zusammen sein willst oder nicht, ist allein Deine Entscheidung. Die Umwelt hat darüber nicht zu befinden.
Ich finde es eher gut, wenn man versucht, die Beziehung trotzdem weiter zu führen. Denn warum alles gleich hinschmeißen im ersten Sturm der Gefühle? Außerdem kann es immer noch zur Trennung kommen, aber dann hat man es zumindest versucht.


Zitat von Liliana6:
Ich habe ausschließlich auf meine innere Stimme gehört.

Die ist meistens ein guter Ratgeber. Der Bauch weiß oft mehr als der Verstand, das sollte man nicht unterschätzen.


Zitat von Liliana6:
Meine Kindheit in den 70ern und Jugend in den 80ern war ähnlich wie bei den meisten hier auf dem Land.

Damals war das, was die Leute sagen und denken könnten, enorm wichtig. Es war oft der Gradmesser, nach dem Entscheidungen getroffen wurden. Denn man war dann auch sehr schnell geächtet. Das kann man finden wie man will, es war aber so, dass jeder bemüht war, ein gutes Bild von sich und der eigenen Familie zu zeichnen.

Ich erinnere mich noch gut, dass in den 70iger Jahren sich die Eltern einer guten Freundin trennten. Die Mutter ging und heiratete erneut. Als ich das Wort Scheidung hörte, wusste ich gar nicht, worum es sich handelte. Ging das überhaupt, eine Ehe aufzulösen? Es war mir völlig fremd, obwohl ein Onkel von mir mit seinem 3jährigen Söhnchen wieder bei den Eltern einzog. Aber dass sich Angelikas Eltern trennen konnten, habe ich zunächst nicht begriffen. Und darüber wurde dann abgelästert, dass sich die Balken bogen. Tagesgespräch in unserem Vierte! Ein Wahnsinn!
Dabei habe ich Angelika immer beneidet. Sie war ein Einzelkind und hatte viele Sachen, z .B. einen Schrank voller Barbie-Klamotten. Und dann ging sie ins musische Gymnasium und lernte flugs mal zweihändig Klavier spielen. Ach, wie gerne hätte ich das auch alles gehabt, aber wie es in der Ehe aussieht, kriegt man als außenstehendes Kind gar nicht mit.


Zitat von Liliana6:
Die Erkenntnis, dass mit meinen Glaubenssätzen so einiges im Argen liegt, kam bei mir erst mit den Wechseljahren, in meinen Anfang 50ern, also die letzten 5-6 Jahre.

War bei mir auch so. Dieses Alter ist offenbar eine Phase, in der viele Frauen ihr Leben nochmals auf den Prüfstand stellen und merken, wie sehr sie durch Erziehung und Umfeld geformt wurden. Eine richtig freie Entfaltung war damals ja gar nicht möglich, zumindest nicht für mich.

Zitat von Liliana6:
Ich habe teilweise meine Jugend versucht nachzuholen (Partys, Alk.) und musste feststellen, dass die neuen Freunde keine echten Freunde sind. Es war sehr anstrengend, mich dort einzufügen, mich entsprechend zu benehmen. Und verletzend, wenn ich dann nicht dazugehörte, nicht eingeladen oder nicht oder als Letzte gefragt wurde.
Ich fühlte mich zurück versetzt in die Jugendzeit, verstand es aber nicht wirklich. Habe es nur empfunden und gegen diese Gefühle versucht anzukämpfen. Mein Ehrgeiz, auch dazuzugehören war groß. Ich habe Dinge mitgemacht, die mich nicht interessierten, Gespräche über Themen geführt, die mich langweilten. Mit Menschen meine Zeit verbracht, die mich nicht kannten, um gemocht zu werden. Wenn ich das so schreibe, merke ich selber, wie krank und kaputt mein Innenleben war.

Ich hatte auch mal eine Phase, in der ich den Sport fand. Als Blitzableiter, aber ich merkte, wie gut es mir tat, mich bei Aerobic und Co. zur Musik auszupowern. Ich hatte inwendig eine große Wut (auf wen oder was, hätte ich nicht sagen können) in mir und da war dieser Sport, in dem dann auch Fortschritte erzielte, genau richtig für mich. Die Gedanken nur bei der Schrittfolge, den Anweisungen der Trainerin folgend und dazu eine schmissge Musik. Und da lernte ich dann auch Leute kennen, mit denen ich mich unterhielt. Aus einigen wurden sogar private Treffen. Ich genoss das damals und mein Mann war mir ziemlich egal damals. Er begriff abe, dass ich jetzt rennen musste und ließ mich.

Warum verurteilst Du Dich für diese Phase? Alles was wir ausprobieren, ist auch nützlich. Entweder man merkt, es passt jetzt genau zu dieser Lebensphase oder eben nicht. Es ist nicht krank, Du warst eine Suchende, die ihren Weg suchte. Dafür musst Du Dich nicht verurteilen. Am Ende steht die Erkenntnis, dass man die scheinbar verlorene Jugend mit 40 oder darüber nicht mehr nachholen kann, auch wenn es sich einbildet.

Du darfst ruihig auch nachsichtig mit Dir sein, das würde Dir gut tun. Nur wer etwas probiert, macht Erfahrungen, gute oder schlechte, aber man lernt daraus und das ist das eigentlich Wichtige.

Zitat von Liliana6:
Ich beneidete diese Menschen um ihre Erfolge, obwohl ich diese niemals selber haben wollte. Um Shoppingerlebnisse udn Urlaube, die mir nie Spaß gemacht hätten. Aber nicht eingeladen oder gefragt zu werden hat mich verunsichert und verbittert. War ich wütend, habe ich alle schlechten Eigenschaften in ihnen gesucht und aufgeführt (manchmal sehr subtil erwähnt). War ich verunsichert oder enttäuscht, habe ich stundenlang nach den Auslösern in mir gesucht.

Du hast zwar gemerkt, dass dieser Lebensstil nicht richtig zu Dir passt, aber warst dennoch gekränkt, wenn Du übergangen wurdest. Ich schätze, diese Anderen haben auch gemerkt, dass Du nicht unbedingt aus diesem Holz geschnitzt bist. Die spüren das oft instinktiv, Du darfst zwar dabei sein, aber bist im Grunde mehr geduldet als angenommen. Dieses Nicht-dazu-Gehören ist vermutlich auch etwas, was Du bereits aus der Kindheit kennst. Und da drängte es wieder aus der Tiefe an die Oberfläche und äußerte sich in Gekränktheit und Verunsicherung. Wo gehöre ich hin, wo werde ich akzeptiert, wie ich bin? Hier nicht, wo dann? Irgendwie passe ich hier nicht dazu, aber ich mache trotzdem mit, vermutlich weil mir sonst nichts einfällt, wie ich mit mir umgehen könnte. Aber das gibt ja keiner gerne zu, auch nicht vor sich selbst.

Zitat von Liliana6:
Ach, und was mir gerade einfällt: ich habe hin und wieder Tagebuch geführt. Aber von Kind an immer so, dass meine tiefsten Emotionen und Gedanken nicht aufgeschrieben wurden. Immer aus Angst, was derjenige, der es zufällig finden könnte, von mir denken würde. Ich habe eigentlich Tagesberichte verfasst, kein echtes Tagebuch geschrieben.

Kenne ich auch, eins zu eins. Schreibe nicht zu viel von Deinen innersten Gedanken, denn Du weißt nicht, wer das womöglich irgendwann liest. Ganz ehrlich, ich möchte auch nicht die Tagebücher von anderen Menschen, die ich kenne, lesen. Ich tausche micht gerne aus, aber es bleibt alles eher oberflächlich. Richtig über mich zu reden, mag ich nicht. Über meine Gedanken, meine Gefühle. Ich fühlte mich oft als einen singulären Menschen.

Zwar fühlte ich manchmal eine Sehnsucht nach Zugehörigkeit, aber letztendes habe ich es akzeptiert, dass ich kein Gruppenmensch bin. Das überfordert mich und es baut sich eine innere Barriere auf. Ich schätze aber, dass sie wichtig und bedeutsam ist und daher lebe ich damit.

Ich bin jedes Jahr auf einem Kongress mit mehreren Tausend Teilnehmern, der logischerweise immer in Großstädten stattfindet. Auf diese Weise kam ich vor über 10 Jahren nach Berlin in einer Phase, in der es mir nicht allzu gut ging. Affäre vor Monaten beendet, aber die Nachwirkungen waren immer noch gelegentlich spürbar. Mein AM ist dort auch regelmäßig zu finden.
Und jetzt? Berlin, ausgerechnet Berlin, die Hauptstadt! Oh Schreck, nein, das kann ich nicht. Was, wenn ich dem über den Weg laufe, was macht das mit mir? Schreckliches Szenario, ich sah mich mit Tränen in den Augen aufs Klo hasten, um meine Tränen, die sicher fließen würden, abzuwischen. Und dann im Hotelzimmer am Abend! Ich würde mich furchtbar einsam fühlen und trauern und mich nicht auf die Straße trauen. Es würde furchtbar werden ganz sicher, abgesehen von den Öffis, die ich eh nie kapieren würde.

Und trotzdem war in mir beständig eine innere Stimme, die mir sagte: Fahr dorthin, denn Du bist nur feige und denkst Dir alles Mögliche aus, was vielleicht gar nicht eintreffen wird.
Eines Tages traf ich die Entscheidung und buchte meine Teilnahme und obendrein ein Zimmer auf dem Alex und nicht im Kongressgebäude, denn das wäre zu einfach gewesen.

Und dann fuhr ich und es ging alles leichter als gedacht. Ich verfuhr mich nur einmal, aber da waren Kollegen dabei und wir hatten allesamt nicht aufgepasst und fanden es sehr erheiternd. Jeden Abend war ich unterwegs, ich lernte neue Leute kennen und ich blieb dann noch zwei Tage allein dort. Und da merkte ich es, dass es mir gut tat, allein unterwegs zu sein. Etwas, was ich mir früher nie zugetraut hätte, tat sich auf. Ich entspannte mich, kaufte mir eine Filzweste in einem Laden mit einer Verkäuferin mit türkisfarbenen Lidschatten, die mir erzählte , dass sie bald mit ihrem Freund für 3 Monate nach Brasilien reisen würde. Es war nett, auch wenn wir total verschieden waren.
Als ich heimkam, schrieb ich einer Freundin: Berlin war mein Freischwimmer.
Ich habe das beibehalten und hänge immer noch zwei oder drei Tage an, in denen ich allein unterwegs bin. Das ist mir unheimlich wichtig geworden und Berlin wurde meine Lieblingsstadt und das blieb so.
Ach, übrigens, der AM war damals gar nicht zugegen. Oh Wunder, hatte er vielleicht gekniffen und wollte einem Wiedersehen aus dem Weg gehen? Er war schon immer feige, das fiel mir damals schon auf. Aber im Grund genommen war es egal, denn es gibt schließlich Wichtigeres als diesen Menschen und das bin ich selbst.

Zitat von Liliana6:
Dass es mir egal ist, wie man mich hier sieht.

Du kommst mir, wenn ich das so sagen darf, sehr sympathisch und in vielem bekannt, vor. Wir wurden einfach so erzogen, mit Maßregelungen, Vorgaben, Liebesentzug, wenn man nicht spurte. Das Kind spürt dass es Leistung bringen muss und es kennt nur zwei Wege, damit umzugehen. Die einen wählen den Weg der Anpassung, die anderen den der Rebellion. Gesund ist keiner von beiden, aber ein Kind weiß das nicht. Man bleibt mit beiden Strategien auf dem Kriegsschauplatz und kann sich nicht entziehen, weil man abhängig ist von den Eltern und dem Umfeld.Anpassung ist die bequemere Variante, das krampfhafte Anderssein kostet jede Menge Energie.

14.08.2024 10:08 • x 1 #20


M
Zitat von Heffalump:
Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

Das ist ein toller Satz, der voller Weisheit ist. Gelassenheit ist ein tolles Gefühl, denn damit steht man über den Dingen und betrachtet sie ohne sie zu verurteilen. Und manches kann man halt nicht ändern, auch sich selbst nur sehr beschränkt. Also sollte man danach trachten, mit sich auszukommen und das eigene Unvermögen ebenfalls gelassen hinzunehmen. Manches lässt sich nachträglich reparieren, aber vieles eben nicht und damit muss man dann auch leben.
Das Leben ist selten bis nie vollkommen.

14.08.2024 10:19 • x 2 #21


L
@Margerite

Ich danke dir von Herzen für jedes deiner Worte. Ich bin immer sehr ausführlich, mit meinen Worten, Gedanken, Gefühlen, dass ich oft höre komm doch mal zum Punkt. Das kann ich nicht so gut, weil da so viel mehr ist, als einen Satz einfach so ohne Hintergrund hinzuknallen.

Ich glaube auch, manchen Männern bin ich zu viel, wenn du verstehst. Musste ich erst lernen, dass sie nicht so einen Gefühls- und Gedankenhintergrund haben wie ich. Besonders in der Aufarbeitung ist es mir mit meinem Mann aufgefallen. Ich war froh, stundenlang über jedes Detail und jedes Gefühl reden zu können. Er hörte nur bestimmte Schlagworte heraus, deutete sie anders oder wollte nicht reden, weil er dachte, mich würde es mehr verletzen, wenn er die Wahrheit sagt.

Mich hat mehr verunsichert, dass in meinem Kopf die wildesten Spekulationen nebst unschöner Bilder vorherrschten. Sie ließen mich nicht schlafen, sie beherrschten meinen Tag. Meine Gefühle verstärkten sich und immer mehr fand ich in meinem Kopf, was da nicht passen konnte.
Blöderweise hat er nie von sich aus irgendetwas erzählt. Er hat über Monate Salami-Taktik gefahren und nur das zugegeben (nicht mal dann direkt), was ich beweisen konnte. Das hat mich mehr verletzt und enttäuscht, als die Tatsache des Betruges.

Ja, auch hier reagierte ich wie in meiner Kindheit anerzogen. Was weiß die Andere von DIR, von MIR, von UNS?
Das hat mich extrem belastet. Und ja, ich habe es keiner gegönnt. Ich fühlte mich für dumm verkauft und besonders von der gemeinsamen Bekannten hochgradig verarscht. Rückwirkend erlebte ich alle Gemeinheiten noch einmal. Es würde zu lange dauern, sie aufzuführen. Aber für mich stand fest: die beiden haben sich zusammen was ausgedacht, wie man mich hintergehen konnte, mir was vorspielen konnte, und sich hinter meinem Rücken nicht nur körperlich vergnügt, sondern über mich kauttgelacht.

Ich habe alles auf mich bezogen. Nach Monaten von Gesprächen, etlichen Büchern (die ich gelesen habe), nach Therapiestunden kam ich so langsam dahinter, dass mein Ego mir hier einen Streich spielt. Ich glaube inzwischen meinem Mann, dass die jeweiligen Partner während der Affäre keine Rolle gespielt haben. Sie haben uns ausgeblendet und sich ganz den hormongeschwängerten Glücks- und Aufregungsgefühlen hingegeben.

Im ersten Schock und in meiner Hass-Phase war für mich aber klar, dass ich bewusst benutzt und ausgenutzt wurde. Weil ich so verständnisvoll und nett bin. Das hat mir sehr weh getan und wieder dachte ich mit mir kann man es ja machen.

Daher rührt auch die Angst vor der gemeinsamen Zukunft. Was, wenn es wieder passiert? Wenn ich zu schnell verzeihe, wenn ich nachgebe, wenn das normale Zusammensein sich wieder schön anfühlt, habe ich dann den Grundstein gelegt, dass man mit mir ja alles machen kann? Dass ich ihn noch ein drittes Mal damit durchkommen lasse?
Vor allem, nachdem ich mehrmals fragte ist das jetzt wirklich alles oder ist da noch mehr? und jedes, wirklich jedes Mal (es waren viele Male) kam immer die gleiche Antwort: mehr als du jetzt weißt, war da nicht.

Ein Satz, den du geschrieben hast, ging mir in diesem Zusammenhang auch durch den Kopf:

Wer redet schon gerne darüber, wenn er betrogen wurde?

Das ist mein anfängliches Denken gewesen. Typisch wie früher: was sollen die anderen von mir denken, dass mein Mann mich betrogen hat? 1,5 Jahre mit der Bekannten und dann nochmal ein 3/4 Jahr mit der Zweiten.
Was muss das für eine dumme, naive, schlechte Frau sein?

Ja, ich habe mich entwürdigt gefühlt. Als Ehefrau. als Partnerin. Als Mensch.
Und kleingemacht natürlich auch. DIE kann man ja hintergehen, belügen, betrügen und verarschen.
Und in meinem gekränkten Selbst sah ich immer nur die Andere, wie sie sich hämisch freut, von meinem Mann etwas ohne viel Mühe zu bekommen, was mir vorenthalten wird. Dass er ihr tolle Sachen schreibt, mit ihr Bilder tauscht, für sie Plätze zum fi... sucht, sich so viel Mühe gibt. Mit ihr Aktivitäten unternimmt während ich arbeiten gehe. Mit ihr shoppen fährt und ihr Kleider kauft. Tageshotels bucht, um sich in einer anderen Stadt mit ihr zu vergnügen.

Soviel Aufwand. Ich bin mir gerade nicht mehr sicher, ob das Neid ist. Missgunst schon eher. Und abgrundtiefer Hass.
Weil ich von mir ein gutes Bild hatte, was mir durch solch gemeine Aktionen zerstört wurde.

Ungerechtigkeitsgefühl trifft wohl auch zu.

Ich bin intelligent, sehe gut aus, bin freundlich, kommunikativ, sehr empathisch und meine Figur ist auch nicht das Thema, denn mit der bin ich dank vielem Sport mega zufrieden.
Und die immerwährende Frage: WARUM gibt er sich bei DER so viel mehr Mühe, wo sie ihm doch nicht ansatzweise das bietet, was ich ihm geboten habe?

Gleiche, innere Antwort : du bist nicht gut genug. Du bist nicht wie SIE.

14.08.2024 14:00 • #22


L
Ich muss mir selber gegenüber gerade beim Schreiben etwas eingestehen:

Ich bin nach dem Aufdecken der Affären missgünstig und eifersüchtig gewesen. Mehr, als ich anfangs enttäuscht und verletzt war (das kam erst später).
Ich hätte ihr meinen Mann nicht gegönnt. Deshalb habe ich ihn nicht vor die Tür gesetzt. Aus Angst, er kämpft nicht um mich, um unsere Ehe, sondern geht mit fliegenden Fahnen zu ihr. Ziemliche minderwertig, ich weiß.
Ich wollte nicht, dass sie auf meine Kosten glücklich sein würde. Nicht den Mann meiner Träume einfach so übernehmen kann. Wäre es eine Fremde gewesen, die mich nicht ebenfalls hintergangen hat, hätte ich das nicht so gesehen.

Aber die beiden zusammen, vor allen anderen ? Nein, das konnte ich damals am wenigsten ertragen in meinem Kopf.

Ich weiß inzwischen, dass alle Reaktionen möglich und normal sind, wenn man einen solch traumatisches Erlebnis hatte. Aber wenn ich ehrlich bin: ich wollte ihn zu Anfang nicht um seinetwillen oder um meiner Liebe willen zurück.
Auch nicht aus Angst vor dem Alleinsein. Aus reinem Missgunst, Hass und Neid.

Puh, das vor mir selber in Worte zu fassen und mitzuteilen (statt mich wie gewohnt zu verstellen) ist nicht einfach. Aber das bin / war ich. Und das akzeptiere ich jetzt, obwohl ich mich dafür schäme und es bei anderen veruteile, so zu denken und zu handeln.

Erst in der Aufarbeitung habe ich wieder langsam tiefe Gefühle für ihn entwickelt. So tief, dass ich aber jetzt wieder drohe, Verlustangst zu entwickeln.

Darum die Therapie. Weil ich zu mir selber und meinen besten, von mir akzeptierten ICH finden will.
Weil ich merke, dass ich emotional abhängig war, mein Leben lang. Und weil loslassen zwar ein schönes Wort und verständlich für mich ist, aber nicht so einfach durchzuführen.

14.08.2024 14:15 • x 2 #23


Heffalump
Zitat von Liliana6:
Missgunst, Hass und Neid

solche Gefühle machen halt einsam, genauso ist Angst ein schlechter Ratgeber. Wenn dein Mann weg will, kannst du ihn nicht halten.
Aber - möchte ich jemanden halten, der mich absichtlich betrügt?

14.08.2024 14:20 • x 1 #24


L
@Margerite

Zitat:
Dann warst Du also auch ein gut dressiertes Kind, was mich total an mich erinnert. Sei brav, schrei nicht auf der Straße rum, sag Guten Tag und mache einen Knicks, mach Dich nicht schmutzig. Ich litt oft unter der Launenhaftigkeit meiner Mutter. Einen Tag war sie zufrieden und sang, den anderen wirkte sie geladen und unzufrieden. Und wer bekam es ab? Ich als die Erstgeborene, bei der man auch noch alles richtig machen will.
Ich war froh, als ich endlich in die Schule gehen durfte. Ich war unglaublich scharf darauf und ich vermute, dass es deswegen war, weil ich so ihrem Diktat zeitweise entfliehen konnte. Keine Frage, dass ich eine gute Schülerin war. Hier war ein Platz, wo ich mich bewähren konnte und nicht Gefahr lief, wieder mal was falsch gemacht zu haben.Ich habe mich mein Leben lang in der Schule wohl gefühlt, wurde aber keine Lehrerin, denn das Lehren liegt mir nicht.

Das ist eine Bürde fürs Leben, weil Kind lernt: Liebe und Anerkennung gegen Leistung. Das führt zwangsläufig dazu, dass man seine Leistung mit der anderer vergleicht und merkt, dass die es vermutlich leichter haben und nicht so dressiert werden. Es entsteht im Inneren eine Leerstelle und Du brauchst Jemanden, bei dem Du das nachlebst.
Und wenn Du den gefunden hast, willst Du ihn an Dich binden, mit allen Mitteln, weil Du Dir unbedingt die Sicherheit verschaffen musst, dass Du gut genug und liebenswert genug bist.
Denn in Dir wüten Verlustängste, die nach Kompensation schreien.


Genau so war meine Kindheit, mein Leben. Ich habe Gänsehaut, wenn ich das lese, weil es mich so gut beschreibt.

Endlich fühle ich mich nicht mehr allein damit ... ich danke dir

14.08.2024 14:22 • #25


L
@Margerite

Zitat:
Wenn Du in Dir mehr Sicherheit findest, dann klammerst Du Dich auch weniger an den Partner. Denn Du brauchst ihn weniger zum Auffüllen Deiner Defizite, die sowieso nie genug aufgefüllt werden. Dann verändert sich auch Deine Beziehung, denn alles, was Du fühlst und glaubst, teilt sich auch ohne Worte dem Partner mit.


Danke, daran muss ich arbeiten. Ich bin froh, dass mir das klar ist und ich den Sinn verstanden habe. Jetzt muss ich nur lernen ihn zu leben - von innen heraus ehrlich so zu empfinden.

Vielleicht kommen dann diese Trigger zwar nicht seltener, aber von mir anders wahrnehmbar.

14.08.2024 16:57 • #26


L
Zitat von Heffalump:
Aber es kam irgendwie schlimmer, weil mein Exemplar ein ganz besonderer Vogel war, das lernte ich aber erst hier im Forum.


Darf ich fragen, was du im Forum gelernt hast und was dein Mann für ein Exemplar ist?

Ich war zu Anfang einfach zu missgünstig, um ihn einer anderen zu überlassen. Das ist böse, aber so war ich nunmal.
Mit der Zeit und unserer Aufarbeitung haben wir beide uns mit anderen Augen gesehen und sind uns näher als vorher.

14.08.2024 17:13 • #27


M
Zitat von Liliana6:
Endlich fühle ich mich nicht mehr allein damit ...

Das, was Du erlebt hast, gibt es Tausendfach, ist also nichts Besonderes. Aber es freut mich, wenn es Dir gut tut, darüber zu schreiben.

Ich schreib Dir mal zusammen, was ich aus dem Beratungsgespräch beim Psychotherapeutin behalten habe:

1. Wir leben immer das nach, was wir kennen, Ob das nun gut oder schlecht ist, spielt keine Rolle.

2. Defizite, Verletzungen der kindlichen Seele werden meist ins Unterbewusstsein verschoben, weil sich ein Kind damit auch gar nicht auseinander setzen kann. Man spürt die Verletzungen zwar nicht, aber das Unterbewusstsein ist alles andere als ein abgeschotteter Raum. Was da drin liegt, drängt an die Oberfläche. Im Erwachsenenleben. In der Jugend könnte man manche Dionge auch bemerken, aber man hat nicht die Zeit und die Reife sich damit zu befassen.

3. Wenn wir etwas nicht bewältigen konnten, leidet unsere Seele. Sie strebt nach Entlastung, nach Heilung, aber sie kann es nicht von sich aus tun. Und daher schickt sie uns in wiederkehrende Situationen, die wie ein Boomerang immer wieder zurückkommen. Wir leben es durch und nochmal und nochmal und das so lange, bis wir dem Beachtung schenken und uns mit unsere verletzen Kleinmädchenseele auseinander setzen und ihr zuhören.
Es geht also um Integration des Erlebten auf die bewusste Ebene. Und was dort liegt, damit können wir besser umgehen. Die Seele braucht Aufmerksamkeit, Zuhören und auch Pflege. Was damals geschah, hat uns geformt, gutes wie schlechtes, aber es gibt uns nur als Gesamtpaket.
Wenn Du wiederkehrende Beziehungsmuster feststellst, ist es eine Botschaft der Seele, da mal bitte genauer hinzuschauen.

4. Es gibt sehr sensible Kinder, aber auch robuste. Was das eine Kind nicht weiter beeindruckt, kann bei einem anderen Kind einen großen Rückschlag bedeuten. Man kann es sich nicht aussuchen, wie empfindsam man ist und wie schwer man manche Dinge nimmt oder auch nicht. Ich war mit Sicherheit sehr sensibel, sehr empfindlich und auch empfindsam. Schon mit ca. 4 Jahren lernte ich , die Stimmung meiner Mutter zu lesen.

Ich fand viele Dinge bei ihr total widersprüchlich. Es kam vor, dass sie wieder mal geladen und unzufrieden war. Ich fühlte durchaus, dass es eigentlich selten an mir lag, aber ich war der Adressat ihrer Stimmungen, die ich dann stumm und ängstlich aushielt, immer bemüht, das berühmte Fass nicht zum Überlaufen zu bringen. Wenn sie unzufrieden war, merkte ich das natürlich, dies und jenes passte nicht und sie fand immer einen Grund zum Schimpfen.
Wenn wir dann aus dem Haus gingen, war ich immer noch bedrückt und traurig und dann begegnete ihr oft eine Bekannte. Damals waren die Menschen viel mehr zu Fuß unterwegs und man traf mal Frau Wagner oder Frau März, wenn man einkaufen ging. Und dann war sie auf einmal wie ausgewechselt und lachte und trällerte. Ich stand stumm daneben und überlegte mir, wie passt das zusammen? In der Wohnung war sie grantig, disharmonisch und mit einem Mal wechselte sie die Stimmung wie ein Chamäleon seine Farbe.
Diesen Widerspruch nahm ich wahr, aber ich begriff ihn nicht. Wie kann man nur so wechselhaft sein? Aber da kommt dann eben die berühmte Außendarstellung zum Tragen. Trifft man Bekannte, stellt man sich dar und ist furchtbar freundlich und lacht viel. Es kam mir oft so verlogen vor, diese zwei Seiten.

Das zweite, was mich auch beschäftigte, war ihr Glauben. Sie neigte zur Frömmelei und natürlich war der sonntägliche Gottesdienstbesuch der ganzen Familie Pflicht. Wir waren immer hübsch angezogen und frisiert, denn auch dort traf man viele Bekannte und wollte sich darstellen als happy family mit glänzenden Kindern, die natürlich gut in der Schule und gut erzogen sind.
Sie sprach gerne mal von ihrem ach so großen Glauben.
Und doch fragte ich mich dann oft, warum sie eigentlich die dort gehörten Dinge nicht in das Alltagsleben einbaute und umsetzte. Es heißt doch, dass wir vergeben sollen und sanftmütig sein sollen. Ja, aber mir gegenüber war sie das sicher nicht.
Wieder ein Widerspruch.
Sie lebt schon lange nicht mehr, denn sie bekam mit Ende 30 eine schwere Autoimmunerkrankung, die unheilbar war wie alle Autoimmunerkrankungen. Über Jahre musste sie das Allheilmittel Cortison in hohen Dosen nehmen, später kamen noch Immunsupressiva hinzug und jede Menge anderer Medikamente. Die Krankheit verläuft schubweise und man weiß nie, wo sie als nächstes angreift.
Sie war manchmal über Wochen in der Klinik, oft ziemlich weit weg in einer Uniklinik. Keine Frage, das mich das sehr belastete, aber ich schob es weg, wollte es nicht spüren. Aber es zeigte sich dann doch, weil ich auf einmal in der Schule nachließ, Dinge vergaß usw. Als Kind willst Du nicht traurig sein, sondern fröhlich und Du schiebst alles, was Du nicht spüren willst, weg. Weit weg, aber weg ist im Menschen eben nicht weg.

Vielleicht kommt Dir einiges bekannt vor. Heute tut sie mir leid, denn sie musste viel durchleiden und mit Sicherheit spielten auch Kriegstraumata bei ihr eine große Rolle. Sie bekam die gewaltsame Vertreibung aus dem Sudetenland mit, hatte Angst vor den Tschechen, die grob und fies vorgingen. Dann Neuanfang im Westen. Sie berichtete vom Leben in Holzbaracken in einem winzigen Dorf unweit von hier. Aber es gefiel ihr dort wegen der vielen Kinder.
Ich war mal dort und sprach zufällig mit einem alten Mann von dort. Ich sagte ihm, meine Mutter muss mit ihrer Mutter und Schwester in einer Barackensiedlung gehaust haben, wo man Leute aus dem Osten reinstopfte. Ja, sagte er, das war da drüben. da hatten die Amis Holzbaracken für ihre Zwecke hingestellt und die waren dann übrig. Die Leute, die dort hinkamen, erwischten es vergleichsweise gut, weil die Lage besser als in den Städten war.

Seltsamerweise fühlte ich eine Erleichterung als ich das hörte. Im Menschen stecken total widersprüchliche Emotionen. Einerseits Entlasung, andererseits an die Dinge, die nicht gut liefen. Einerseits Abneigung, andererseits eben doch Liebe. Man muss sich in diesem Kuddelmuddel zurecht finden, aber es geht nicht. Und so lasse ich das so stehen Es war eben vieles widersprüchlich und ist es noch, aber daran muss man nicht verzweifeln. Nur wahrnehen, das reicht schon, denke ich.

14.08.2024 18:25 • x 2 #28


Heffalump
Zitat von Liliana6:
Ich danke dir von Herzen für jedes deiner Worte

Och - ich hoffe auch auf Dank - es muss an mir liegen (motz, motz)
Zitat von Liliana6:
Weil ich so verständnisvoll und nett bin. Das hat mir sehr weh getan und wieder dachte ich mit mir kann man es ja machen.

ja - du, den Weg zu folgen, immer zu der Frage des Warum führt.
Warum kann man es mit dir machen?

weil du zu nett und zu verständnisvoll bist, du könntest ja auch zu ihm sagen, hast du noch alle Tassen im Schrank? Schau zu das du Land gewinnst.
ich hab das auch hinter mir, dieses um Harmonie betteln und bitten, stellte sich nur nie ein - und warum? Weil man Harmonie erstreiten, erkämpfen muss, Grenzen setzen und auch schützen, auch mit letzter Instanz.
Und immer wieder!

Zitat von Liliana6:
Und die immerwährende Frage: WARUM gibt er sich bei DER so viel mehr Mühe, wo sie ihm doch nicht ansatzweise das bietet, was ich ihm geboten habe?

Schau genau - was bietest du

nicht böse sein - ich schreib das ganz allgemein und nicht auf dich bezogen
du bietest keine Grenzen, keine Ecken, keine Kanten, keine Reibungspunkte. Sie wird ihm wohl Paroli bieten, ihn anstacheln. fordern, Frauen. die man(n) erobern muss, auch wenn sie noch so blöde sind, wiegt der Preis der Eroberung mehr, als die Frau zuhause, die ich ohne Eroberung jederzeit haben könnte
Zitat von Liliana6:
Gleiche, innere Antwort : du bist nicht gut genug. Du bist nicht wie SIE.

ja - du bist nicht sie. Gut, aber sie ist auch nur Arme, Beine, Hupen und S.. Die Grundvoraussetzung also gleich, was also bietet sie mehr?
Reibungspunkte.
Anreize - Männer jagen gern, erlegen Wild.
Die Jungfrau, die man dem Drachen abjagen muss, wesentlich reizvoller ist, auch wenn ihre Zähne krumm und schief.
Zitat von Liliana6:
Darf ich fragen, was du im Forum gelernt hast und was dein Mann für ein Exemplar ist?

Was ich im Forum gelernt - das ich nicht Ursache war, warum er ist/ wie er ist. Manipulativ. Ähnlich Frankenstein, der sein Monster zu erschaffen versucht - und als ich dann zu dem Monster mutierte, er sich eine neue suchte, die er formen konnte, ich war da zu krank in Seele und körperlich, das hat er bewirkt. Ich wusste wie ich vor ihm war - und was ich damals war, als ich hier aufschlug. Ich wollte wieder werden, was ich vor ihm war.

Fröhlich, glücklich, nett, fidel, kommunikativ, frech, bunt, wild, der springende Punkt, das i-Tüpfelchen. Nicht für Andere - nur für mich. Ich muss weder Karl-Heinz noch Uschi gefallen - ich muss mich mögen.

Mein Mann - könnte man als Energievampir (lässt sich sogar googlen) titulieren. Führe ich jetzt auch nicht näher aus. Er ist den Aufwand nicht mehr wert.
Soviel nur dazu - ich konnte bei ihm nicht gewinnen - weil sein Spiel mir zur Gänze unbekannt und er als Gamemaster konnte jederzeit die Regeln ändern, da kann man nur verlieren.

15.08.2024 03:08 • x 2 #29


L
@Margerite

Ich möchte dir von Herzen danken für deine Worte, deine Geschichte, deine Empfindungen. Ich fühle mich verstanden. Mir kommt einiges mehr als bekannt vor, besonders die Erzählung deiner Mutter. Es könnte Meine sein...

Das Sprichwort außen hui - innen pfui sehe ich jetzt nicht mehr krass. Immer mehr wird mir klar, es gibt nicht nur Gut und Böse, Schwarz und Weiß. Da ist soviel dazwischen und noch mehr an Erklärungen, warum manchmal HUI und manchmal PFUI gezeigt wird.

Zitat:
Seltsamerweise fühlte ich eine Erleichterung als ich das hörte. Im Menschen stecken total widersprüchliche Emotionen. Einerseits Entlasung, andererseits an die Dinge, die nicht gut liefen. Einerseits Abneigung, andererseits eben doch Liebe. Man muss sich in diesem Kuddelmuddel zurecht finden, aber es geht nicht. Und so lasse ich das so stehen Es war eben vieles widersprüchlich und ist es noch, aber daran muss man nicht verzweifeln. Nur wahrnehen, das reicht schon, denke ich.


Großartig. Ich kann nur DANKE sagen und bin bewegt, aber gleichzeitig so gelöst und ruhig...

15.08.2024 11:34 • #30


A


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