Nach-Weh
Es ist einen Ozean: mal ist das Gewässer einladend flach und friedlich, blau schimmernd, mal weht es Sturm und schlägt riesige grauen Wellen hoch, die imstande sind, alles, aber wirklich alles mit sich in das Nichts zu reißen.
Nie zuvor hat es mir derart an etwas gefehlt. Oh! Nein, nichts Materielles! Die Rede ist vielmehr von diesen Werten, die man in sich trägt, tief im Herze. Es kommt sehr überraschend, denn niemals zuvor war mir so bewusst wie nun, wie wichtig mir „meine Familie“ ist…
Nach einer ganzen Weile des Interpretierens wendet sich jetzt langsam alles um und ich stehe da wie vor nahezu fünf Jahren, als die Dämme brachen. Als die Betäubung durch Schmerz nachließ schien mir eine Erkenntnis gewonnen zu sein: es bot sich eine Möglichkeit an, mich nicht mehr anpassen zu müssen (wollen?), stattdessen endlich ich selbst sein zu können, d.h. gewissermaßen das Ende der Selbstverbiegung zu Gunsten Dritter, aber auch eine Möglichkeit, nicht länger mich fragen zu müssen, ob die Erwartungen Dritter erfüllt wurden oder werden können.
So langer Zeit nach dem harten Bruch jedoch wird mir etwas ganz anderes deutlich: Manches ist niemals zu ersetzen, ad acta zu legen, als Dahin und Vergangen zu betrachten…
Genau so deutlich wird mir bewusst, dass das Vergangene niemals wiederkehren wird und kann. Niemals.
Eine gedankliche Handlungsunfähigkeit nimmt Platz ein und einer Art Lähmung ist die Folge. Eine Lähmung, die Verneinungscharakter besitzt. Verneinung – zunächst nicht wahrnehmbar –, die auf den Lebensablauf insgesamt Einfluss nimmt und übt. Negativem Einfluss? Wer vermag dieses schon zu klären? Descartes sagte und argumentierte einst: „Ich denke, also bin ich“; ich bin versucht ohne Fatalismus zu sagen: „Ich lebe, also denke ich“. Sicherlich ist meine Interpretation nicht die günstigste und auch nicht klerikaler Art, doch sehe ich hier durchaus eine grundlegende Differenz: so lange man lebt, denkt man (denkt man denn, bevor man lebt, oder umgekehrt – das Huhn und das Ei –?). Unausweichlich. Was man dann denkt ist gewiss anders zu betrachten und zu urteilen als dem, was Descartes meinte, denn es folgt dann besagten Wellen und die Betrachtung verschiebt sich zum Gegenpol. Unweigerlich richtet man dann den Blick in Rousseaus Richtung…
Ich setze voraus, dass des bewusst denkenden Mensch Bestreben ist, es vermeiden zu wollen, Dritter Schmerz zu zufügen. Und plötzlich sich man sich in der ungemütlichen Position, Schmerz verursachen zu müssen, um sich selbst zu retten. Schmerz bei Denen, die nach einer Trennung durchaus eine wahre Chance sehen, einen Neubeginn zu unternehmen. Wie fügt sich dieses zusammen? Wie ist so etwas vereinbarungsfähig? Alles Ignorierenwollen hilft nicht: der Gedanke ist geboren, die Empfindung zugegen und die Selbsteinsicht da!
Selbstverständlich kann man die Schuld der Gesellschaft in die Schuhe schieben… Selbstverständlich. Ist es aber nicht etwas einäugig und einfach „zu einfach“? Selbstmitleid hat noch nie weiter getragen als zu die eigene Kragenweite. Denn Selbstmitleid ist es auch, die Schuld an Allem bei Dritter zu suchen, sich selbst lediglich als „Opfer“ zu sehen, oder sehen zu wollen!
Gestern versus Heute – umgekehrt wäre fatal falsch, denn es würde Vergleiche implizieren –: ein vielzerstörender Kampf hat begonnen.
Danke für Kontroversen.
13.09.2005 15:17 •
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