Ein Update. Weil es scheinbar einige User hier gibt, die wissen wollen, wie die ganze Sache so läuft. Jedenfalls habe ich einige Nachrichten hier bekommen, in denen ich danach gefragt wurde...
14 Monate nach der Aufdeckung ist das Leben doch wieder erschreckend normal geworden. Man geht arbeiten, organisiert den Alltag, liegt abends völlig platt auf dem Sofa. Einziger Unterschied zu früher: man geht sensibler miteinander um. Okay, kleine Streitereien kommen vor. Aber dann setzen wir uns hin und jeder schildert ruhig seine Sicht auf die Dinge. Im Gegensatz zu früher versucht keiner von uns mehr, seine Meinung mit dem Holzhammer durchzusetzen. Vielmehr ist der Leitsatz: Das ist meine Meinung. Aber hey! Ich will mir Deine Meinung anhören und Dir die Chance geben, mich zu überzeugen.. Bisher haben wir so immer eine Lösung gefunden, bei der keiner das Gefühl haben musste, jetzt den Kürzeren gezogen zu haben. Es ist eine sehr respektvolle und angenehme Gesprächskultur, die wir da in den letzten Monaten entwickelt haben.
Leider funktioniert das nicht auf allen Ebenen. Der Seitensprung war schon lange kein Thema mehr, obwohl er es meiner Meinung nach noch mal sein müsste. Es ist eher so, dass wir da inzwischen umeinander herum tanzen - in der Angst, man könnte was falsch machen. Meine Frau war da sowieso schon immer sehr passiv. Wenn das Thema auf den Tisch kam, dann ging das von mir aus. Wahrscheinlich aus der Angst heraus, wieder an der Wunde zu kratzen. Das hat irgendwann dazu geführt, dass auch ich Angst bekommen habe, das Thema wieder anzuschneiden. Ich wollte sie nicht ewig nerven.
Nun merke ich aber, dass diese Taktik nicht ewig gut gehen kann. Auch wenn ich noch immer glaube, dass wir auf dem richtigen Weg sind, so habe ich doch den Eindruck, dass wir stehen geblieben sind. Ich würde gerne anfangen, die Vergangenheit los zu lassen. Mir reicht es jetzt. Aber irgendetwas hindert mich daran. Seit Monaten versuche ich es, aber es gelingt mir einfach nicht. Dabei hatte ich vor einigen Monaten noch den festen Willen, genau das zu tun. Ich hatte mich damit arrangiert, dass das Warum? immer eine offene Frage bleiben würde. Und dass eine Entschuldigung für all das wohl auch nicht mehr kommen würde. So wollte ich also verzeihen, ohne eine Leistung dafür zu erwarten. Einfach für mich. Mit dem Kampfruf: Ich lasse ab jetzt nicht mehr zu, dass DEIN Fehler MEIN Leben beeinflusst!. Dafür gab es sogar hier im Forum viel Beifall.
Glaubt mir... ich habe es wirklich versucht zu leben. Aber leider bin ich daran gescheitert. Warum? Weil ich für mich festgestellt habe, dass dieses selbstlose Verzeihen in dieser Situation nicht funktioniert. Es würde funktionieren, wenn der Mensch, der mir Unrecht angetan hat (um es mal biblisch auszudrücken) nicht mehr Teil meines Lebens wäre. Der Vater, der einen in der Kindheit immer schlug und nun gestorben ist. Der Freund, der einen verraten hat und nun unerreichbar am anderen Ende der Welt lebt. Auf diese Weise konnte ich zwar meinen Frieden mit dem Betrugspartner meiner Frau machen (der ja mal mein bester Freund war und zu dem nach all dem nun kein Kontakt mehr besteht), aber es funktioniert eben nicht bei einem Menschen, mit dem ich noch immer mein Leben teile. Dieser Weg fühlt sich einfach falsch an. Vielleicht zu billig, wenn man es böse ausdrücken will.
Es mag daran liegen, dass ich nie das Gefühl hatte, dass meine Frau sich gedanklich ebenso mit der ganzen Sache beschäftigt wie ich es tue. Dass sie das, was ich im Gespräch einmal als Affäre bezeichnet habe als harmlosen Flirt abgetan hat. Oder der Dinge mehr. Klar, sie hat mir immer zugehört. Hat viele meiner Fragen beantwortet. Hat versucht, mich zu trösten. Mir versprochen, es käme nie wieder vor. Aber wenn ich ehrlich bin, dann habe ich nicht das Gefühl, dass sie überhaupt weiß, was sie uns damit angetan hat. Wieviele schmerzhafte Prozesse ich eigentlich in den letzten Monaten durchgemacht habe. Wieviele Stunden ich damit verbracht habe, das alles zu begreifen. Wie schwer es war, nicht aufzugeben. Obwohl ich oft kurz davor war.
Sollte ich das auf einen Satz reduzieren müssen, so würde er lauten: Ich komme mir selbstverständlich vor. - Ich habe einfach den Eindruck, meine Frau hat überhaupt nicht verstanden, dass unsere Ehe letztes Jahr fast gescheitert wäre. Es fühlt sich eher so an, als wäre es für meine Frau vollkommen undenkbar gewesen, dass ich gehen könnte. Der ist ja immer da. Egal was ich mache. Hinterher einfach mal etwas kleiner Brötchen backen, Gras drüber wachsen lassen und dann geht das Leben schon weiter. - Klingt jetzt hart, fühlt sich unterm Strich aber leider genau so an.
Und ich denke, dass es genau das ist, was mich nicht loslassen lässt. Nicht dass mich hier jetzt jemand falsch versteht: Ich möchte kein Flehen um Vergebung. Ich möchte kein Danke dass ich noch neben Dir existieren darf!. Oder ein Du bist der heldenhafteste Mann der Welt weil Du sooooo gütig warst!. Nein, das alles möchte ich nicht. Ich denke, ich möchte ein Ich weiß, was Du durchgemacht hast und ich weiß, dass das nicht selbstverständlich war. Punkt. Aus. Mehr muss nicht. Mehr wäre wahrscheinlich sogar schon zu viel. Weniger aber eben auch zu wenig.
Das schwierige an der Sache ist gerade für mich, dass meine Frau nun aktiv werden muss. Und ich muss ihr Starthilfe geben. Das funktioniert aber nicht ganz ohne Vorwürfe. Ohne an der Wunde zu kratzen. Ohne Ich erwarte jetzt von Dir, dass Du..... Das macht mir Angst.
Nun ist mir natürlich auch klar, dass ich diesen momentanen Stillstand nicht alleine meiner Frau zuschieben kann. Auch ich habe irgendwann aufgehört zu reden und statt dessen versucht, es runter zu schlucken. Ich denke, das ist dann mein Weg zum Loslassen. Das Thema jetzt wieder aus der Versenkung zu holen wird sicher noch einmal ein schmerzhafter Moment für uns beide. Es wird noch einmal vieles hoch holen. Aber ich glaube auch, dass es sein muss. Würden wir es nicht tun, käme es irgendwann unkontrolliert wieder an die Oberfläche gekrabbelt und ich weiß nicht, ob es dann noch handelbar sein wird oder eher in einem großen Knall explodiert.
Wie und wann ich mich traue, das Thema möglichst sensibel anzuschneiden... keine Ahnung. Lange sollte ich wohl nicht mehr warten.
So, bleibt anständig. Ich werde dann mal wieder berichten, wenn es was zu berichten gibt.
Der Blechpirat
09.10.2015 10:09 •
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