Hallo VerloreneBlume,
ich danke Dir sehr für Deinen Beitrag. Es tut gerade sehr gut, wenn jemand fremdes mal das aufschreibt, was man eigentlich schon selbst die ganze Zeit denkt, sich aber immer fragt, ob man das überhaupt denken darf. Oder gar aussprechen.
Du hast recht, ich habe in den letzten vier Monaten auch viel dafür getan, alles einfach nur wieder hin zu biegen und dabei einige Gefühle einfach runter geschluckt anstatt sie auszuleben. Immer mit dem Wunsch, alles nicht noch schlimmer zu machen zu wollen. Ich bin am Anfang in einen fast blinden Aktionismus verfallen, habe mich untergeordnet, sofort versucht meine Fehler zu korrigieren. Ja, auch ich war es, der das Marshall-Buch gekauft hat. Ich war es, der viel zu dem Thema gelesen und letztlich Vorschläge gemacht und Verbesserungen in unserer Ehe angeschoben hat. Zumindest sehe ich das so. Und ich fürchte, ich könnte mich irgendwann selbst aufgeben, wenn ich so weiter mache.
Ich kann nicht behaupten, dass meine Frau eine Mit-Egal-Haltung eingenommen hätte. Ich sehe, dass sie helfen will, dass sie verarbeiten, erklären und unterstützen will. Dass sie mich liebt und ihre Tat bereut. Aber ich habe das ständige Gefühl, dass ich viel mehr an der Bewältigung arbeite als sie.
Am Anfang war es der Seitensprung von vor 12 Jahren, der mich zu 90% beschäftigt hat. Die spätere virtuelle Affäre habe ich schnell als es ist ja nichts reales geschehen abgetan und ich glaube, meine Frau hat das dankbar angenommen. Das merke ich vor allem daran, dass wenn wir miteinander reden, sie nur noch von dem eigentlichen Seitensprung spricht und die Chats total verharmlost oder ganz ignoriert.
Inzwischen hat sich mein Blick auf diese ganze Sache aber ein wenig erweitert. Viele hier haben mir schon früh geschrieben, ich solle den Chats viel mehr Bedeutung beimessen als ich es bis dato tat. Statt das zu beherzigen habe ich es weiter verharmlost und immer nach Rechtfertigungen dafür gesucht, warum ich mich mehr auf den Seitensprung konzentrieren sollte. Und dafür habe ich Erklärungsversuche meiner Frau, vor allem im Bezug auf unsere damalige finanzielle Situation, viel zu schnell angenommen.
Heute, vier Monate danach sehe ich das gesamte Chaos offen vor mir liegen. Der Nachmittag vor 12 Jahren, als sie unsere Wohnung verließ und ich noch sagte Geh nicht. Ich habe kein gutes Gefühl bei Thomas. und sie trotzdem ging. Der Abend als sie wieder kam und sie mir glaubhaft versichern konnte, dass sie nur über seine Beziehung zu ihrer besten Freundin gesprochen hätten. Die Monate danach, in denen sie dabei zusah, wie ich meine vermeintlich unbegründete Eifersucht schmerzhaft runter schluckte, bis nur noch blindes Vertrauen da war. Die zwei Jahre, in denen wir immer noch regelmäßig mit ihm und seiner Freundin verkehrten, in denen ich ahnungslos und wie ein Idiot dazwischen saß und ihn noch immer für einen echten Freund hielt.
Und dann der Sommer diesen Jahres. Als ich alle meine Kraft aufgewandt habe, um unsere eingefahrene Ehe wieder zu verbessern. Die Freude darüber, dass wir uns wieder zusammen gerauft hatten, dass es wieder Bergauf ging. Den atemberaubenden S. den wir hatten. Und in Wirklichkeit hat sie über Wochen ein regelrechtes Doppelleben geführt. Mir Freude und Glück vorgespielt, meine Aufmerksamkeit und meine Mühen voll genossen und gleichzeitig ihre Fantasien mit ihm gepflegt. Schlimmer noch: er hat sogar mehr bekommen als ich. Meine Frau arbeitet in der ambulanten Pflege. Nie konnte sie mir während der Arbeitszeit eine Nachricht schicken. Aber ihm schickte sie Selfis in einem trägerlosen Top, in einer aufreizenden Pose, direkt aus einem Patientenbadezimmer. Mir konnte sie nicht einmal die Frage beantworten, ob ich noch etwas kochen soll für uns oder ob wir was bestellen wollen, wenn sie wieder zu Hause sei. Er bekam freche Bilder, die sie zwischen Patientenwohnung und Dienstwagen im Laufen aufgenommen hatte. Mir konnte sie nicht einmal Zig. mitbringen auf dem Heimweg. Sogar in unser Haus hat sie ihn geholt und wir saßen wie damals zusammen, ich wieder ahnungslos dazwischen, während er mit meinen Kindern und meinem Hund spielte. Und weil dieses Doppelleben über mehrere Wochen lief, mit Fantasieaustausch, Bildern und was weiß ich noch alles, muss ich mir so langsam eingestehen, dass meine Frau keinen Seitensprung bzw. ein kleines virtuelles Abenteuer hatte, sondern eine echte Affäre. Gepaart mit allem was dazu gehört.
Aus dieser Erkenntnis erwächst nun wieder diese Wut, die ich bisher einfach runter geschluckt habe. Und mit ihr kommen die Fragen zurück, die ich ihr eigentlich schon viel früher hätte stellen sollen. Warum ich eigentlich glauben soll, dass sie mich nur einmal betrogen hat. Warum ich glauben soll, dass der Chat nicht doch irgendwann zu einem fröhlichen Treffen in einem billigen Hotel am Stadtrand geführt hätte. Ob sie überhaupt eine Form von Achtung und Wertschätzung mir gegenüber hat, wenn sie doch in der Lage war, mich so sehr zu erniedrigen. Wie man so eiskalt sein kann, seinem Mann die große Liebe und den Willen zum Neuanfang vorzuspielen, dabei aber doch an einen anderen zu denken. Ob es die beiden amüsiert hat, als ich ahnungslos zwischen ihnen saß und erzählt habe, wie sehr ich mich auf meinen neuen Job freue, wie sehr ich meine Familie liebe. Und die vielleicht schmackhafteste Frage: Wie kann man, als Mutter von zwei kleinen Kindern, so gewissenlos sein, dass man seine ganze Familie, sein Heim, seinen Freundeskreis und alles drumherum einfach so auf's Spiel setzt? Was wäre denn gewesen, wenn ich in der Nacht vor vier Monaten diese Sichtweise von heute schon gehabt hätte? Was wäre mit uns und unseren Kindern geschehen, wenn ich vor Verzweiflung und Enttäuschung nicht den Willen oder die Kraft gehabt hätte zu sagen: ICH BLEIBE UND ARBEITE MIT DIR DARAN.? Wäre es das Wert gewesen? Und wie schiebt man dieses Risiko über Wochen einfach beiseite?
Zu Gute halten muss ich ihr, dass sie seit vier Monaten immer da ist, wenn ich Redebedarf habe. Dass sie nie genervt wirkt oder mir das Gefühl vermittelt, ich solle sie in Ruhe lassen. Aber sie sagt oft, dass sie einfach nicht weiß, wie sie mir helfen kann. Und inzwischen denke ich, dass sie das auch tatsächlich nicht wissen kann, weil ich ihr bisher nicht wirklich offenbart habe, was in mir vorgeht, was ich von ihr erwarte und was meine Forderungen sind. Weil dieses Wissen auch in mir erst reifen musste um alles wirklich überblicken zu können. Und ich glaube, dass ihr deshalb auch überhaupt noch nicht bewusst ist, welche Dimensionen ihr Treiben für uns in Wahrheit hatte.
Tja, und nun stehe ich vor der schwierigen Aufgabe, sie an genau diese Gedanken teil haben zu lassen. Damit sie mich verstehen kann. Damit sie unserer Situation richtig bewerten kann. Und damit sie endlich sieht, wo und wie sie handeln kann. Denn dass sie handeln will, dass sie an uns glaubt und kämpfen will, das sehe ich nach wie vor. Daran habe ich bis heute keinen Zweifel. Aber auf dem bisherigen Weg kann das alles nur Flickwerk sein. Nichts, was wirklich Zukunft hat. Jeder Fehler tut früher oder später weh.
Nur... wie tue ich es? Ich weiß es nicht.