Hallo!
@Blanca
Ich glaube, der Grund, weshalb wir auf keinen grünen Zweig kommen werden (was ja auch nicht sein muß und weder von Dir noch von mir beabsichtig ist / sein wird), ist ganz einfach - und das meine ich in keiner Weise wertend! -, daß Du die Dinge, was Beziehungen betrifft, halt vorwiegend pragmatisch, rational, ordnungsgemäß siehst, ich hingegen vor allem gefühlshaft.
Ich möchte hier auch gleich @elisabeth123 erwähnen, die geschrieben hat, wenn eine Ehe nicht das deutlichste Zeichen sei, daß jemand in einer festen Verbindung lebt und nicht zur Verfügung steht, was dann? Ja, wenn man es formal sieht, stimmt das. Aber die Tatsache, daß jemand verheiratet ist, sagt ja absolut nichts aus weder über den inneren Zustand der Beziehung noch über den inneren Zustand der beiden aneinander Gebundenen. Ehe ist kein Zeichen von Liebe. Das heißt, jede Festbeziehung, jede Ehe kann gefühlsmäßig ein völliges Brachland sein, die reinste Wüste. Und wenn dann einer der Gebundenen jemandem begegnet, der seine Gefühle aufflammen läßt, dann kann es eben, formelle Bindung hin oder her, zu einer Liebesbeziehung kommen (in diesem Fall Affäre genannt). Und mir, da ich es eben nicht vom Formalen, sondern von den Gefühlen her sehe, ist eben nicht einsichtig, weshalb die eine Liebe etwas Anständiges sein sollte, die andere etwas, das am besten auf dem Scheiterhaufen verbrannt wird. Von den Gefühlen her gibt es eben zwischen einer Affäre und einer Noffäre keinen Unterschied, beides kann große Liebe sein, beides kann einfach Spaß sein. Und ich glaube eben nicht, daß man Liebe gleichsam zweiteilen kann: in die gehörige und die ungehörige, in jene, die irgendwie zum Himmel gehört, und in die andere, die verteufelt werden muß.
Grundsätzlich kommt es halt darauf an, worauf man meint, daß eine Beziehung beruhen soll. Soll sie auf tatsächlich vorhandenen Gefühlen beruhen oder geht es in erster Linie um die formale Zusammengehörigkeit (inklusive exclusiver S....tät), also um etwas Inneres oder Äußeres. Anders gesagt: setzt man auf die Wahrhaftigkeit von Gefühlen oder setzt man auf einen zwischenmenschlichen Vertrag, in dem alles geregelt und festgeschrieben ist und an den sich beide zu halten haben, ähnlich wie bei einem Geschäftsvertrag oder einem Militärbündnis.
Es hat früher ja häufig sogenannte Standesehen gegeben und gibt sie teilweise auch heute noch. Und in diesen Fällen, in denen Gefühle eher nebensächlich sind, können solchen vertraglichen Bindungen auch funktionieren. Die Aufgaben sind klar verteilt, die Rechte und Pflichten festgelegt, und als Sahnehäubchen gibt es noch mehr oder weniger jederzeit verfügbaren S.
Wenn das jemand so machen will, wenn das seinen Vorstellungen entspricht, ist ja auch nichts dagegen zu sagen. Für mich wäre es allerdings ganz und gar nichts. Auf so etwas kann ich gerne verzichten. Entweder meine Partnerin ist mit mir zusammen, weil wir uns lieben (und nicht aufgrund eines Vertrages oder eines irgendwann einmal gemachten Versprechens), ist mir ganz freiwillig treu (und nicht, weil sie sich dazu gezwungen fühlt oder Angst vor Konsequenzen hätte), empfindet das Gemeinsame als etwas Schönes, Bereicherndes, als etwas, das man nicht verlieren möchte, das einem etwas bedeutet - oder dem ist eben nicht so und die Beziehung findet ihr natürliches Ende. Ich brauche jedenfalls nicht diese Nibelungentreue, diese Gewohnheitsrechte, diese Zwangsgemeinschaftlichkeit. Für mich, da mir eben die Gefühle am wichtigsten sind, wäre das einfach nur Humbug, mit dem ich auch nichts anfangen könnte. Was wollte man mit einer Beziehung, in der es keine Liebe (mehr) gibt? Aber gut - wie gesagt, mich stört es in keiner Weise, wenn es anderen reicht, irgendwann ihren Leibeigenen ergattert zu haben und damit zufrieden zu sein.
Ich weiß nicht, ob Du Dich schon einmal eingehender mit Leuten unterhalten hast, die mit Betrug zu tun hatten, ob aktiv oder passiv. Wenn man einmal von den Schürzenjägern und Hosenjägerinnen absieht (denn da geht es wieder um etwas ganz anderes), folgt es immer demselben Schema: die Gefühle zumindest eines der beiden sind deutlich abgekühlt, dann taucht jemand anderer auf, auf welchen Wegen auch immer, und die Gefühle leben wieder auf. Dann ist die Frage: ist die bestehende Festbeziehung insgesamt bereits ganz zerfleddert oder sind nur die Gefühle entschwunden. Ist die Beziehung ganz im Eimer, dann kommt es zumindest in vielen Fällen auch zu einer Trennung (die neue Liebe wird dann gewissermaßen als Absprungbrett benutzt) - besonders Frauen sind hier konsequent. Funktioniert die bestehende Beziehung, von den Gefühlen und meist auch der ero. abgesehen, aber ganz gut, läuft es in der Regel auf eine Affäre hinaus. Aus dem nicht ganz unverständlichen Grund, weil man ab einem gewissen Alter weiß, daß diese anfängliche Hitzewelle auch bald wieder abflauen kann und man dann lieber dorthin zurückkehrt, was einem bereits vertraut ist, anstatt munter ins Ungewisse zu springen. Ausgenommen vielleicht, die Liebe oder auch die se...lle Anziehungen wäre ganz außerordentlich.
Das mag dem ursprünglichen Partner gegenüber natürlich sehr unfair sein, es mag feig sein, es mag dumm sein, es mag egoistisch sein, was auch immer - aber ein Teil der Menschen lebt eben vorwiegend aus den Gefühlen heraus und hat nicht diese kühle Verstandesmacht über sich und will sie vielleicht nicht einmal haben. Und für solche sind Gefühle eben überwältigend.
Zudem muß man ja auch bedenken, daß der Mensch sich im Lauf der Zeit verändert, ob er das will oder nicht. Das heißt, es kann durchaus sein, daß jemand vor 10 Jahren seinen Partner aus vollstem Herzen geliebt hat, er ihm in diesem Zustand und aus fester Überzeugung gesagt hat, er werde ihn immer lieben, nie verlassen usw. Aber nichts wird verhindern können, daß sich die Dinge ändern können, kein Versprechen, kein Vertrag, keine gemeinsamen Kinder, kein Haus. Und was hat man dann von all der Leere, auch wenn man einen Vertrag in der Hand oder ein Versprechen in der Erinnerung hat?
Ich möchte dazu kurz etwas von mir selber erzählen, auch wenn man sagen wird, man könne das nicht vergleichen (aber ich bin sicher, auch die meisten anderen werden Ähnliches schon erlebt haben). Mich hat von Kindheit an die Astronomie sehr interessiert, ich war fasziniert davon, und oft bin ich sogar bei bitterster Kälte draußen gewesen und habe mir durch das Teleskop die verschiedensten Himmelsobjekte angesehen. Im Lauf der Zeit aber, so ab Anfang 40, ist dieses Interesse mehr und mehr geschwunden. Ohne daß ich wüßte, warum, ohne daß ich es verhindern hätte können. Und so kann es eben mit allem anderen auch geschehen, das sollte man sowohl sich als auch dem Partner zubilligen. Man hat darauf weder Einfluß noch Anrechte. Und bei mir ist es eben so, daß ich nicht aus irgendwelchen formalen Gründen mit einer Frau zusammenbleiben möchte, die mich nicht mehr liebt. Das wäre für mich mehr und sinnlosere Hölle als irgendwelche Affären, Betrügereien, virtuelle Chatausraster, verdächtige Handykontakte oder sonst etwas. In diesem Fall nämlich würde auch ich mich betrogen fühlen (oder müßte mich selber betrügen, um nicht seelisch zu verkümmern) - und so ungefähr die schlimmste Vorstellung für mich wäre, würde mir am Ende meine Partnerin sagen: Ich war dir immer treu, aber geliebt habe ich dich schon lange nicht mehr. Das wäre ein wahrer Anlaß, sich in Grund und Boden und um das Leben betrogen zu fühlen und bis in die Grundfesten erschüttert zu sein.
Ja, auch wenn die Alten sich konsequenter und für längere Zeit geweigert haben, zumindest der weibliche Teil, bald einmal ins Bett zu hüpfen, ändert das nichts am eigentlichen Ziel. Aber es mag natürlich die Sicherheit steigern, nicht allein S.-Objekt zu sein. Man müßte halt die Minnezeiten wiederbeleben, in denen es in allererster Linie um die geistige Liebe gegangen ist, während die körperliche abgelehnt worden ist als etwas Sündiges und Niedriges. Wobei aber wohl nicht ganz auszuschließen ist, daß nicht auch jene bisweilem vom Trieb überwältigt worden sind.
Und ob Du es glaubst oder nicht - ich hätte auch damit keine Probleme. Aus dem einfachen Grund, weil mir selber die seelische/geistige Liebe um einiges mehr bedeutet als die körperliche. Auch wenn ich Dir vielleicht bei dem, was ich schreibe, nicht diesen Eindruck erwecke .
Liebe Grüße