Nachdem ich hier etliche Beiträge gelesen habe und meine derzeitigen Gefühle in vielen davon wiederentdecke und momentan ebenfalls in einem tiefen Tal negativer Emotionen feststecke, habe ich mich dazu entschlossen, mich anzumelden und Euch mein Herz auszuschütten in der Hoffnung, dass ich dann endlich etwas ruhiger werde. Sorry vorab, dass der Text etwas länger ist.
Mein Mann und ich sind/waren seit 1995 ein Paar, sind nach nur wenigen Wochen zusammen gezogen, kannten uns vorher schon jahrelang, und wir waren uns immer sicher, dass wir beide unseren Traumpartner im Anderen gefunden haben. In 2000 heirateten wir und bekamen erst einige Jahre später zwei Söhne (12 und 14). Vor elf Jahren kauften wir ein Haus. Mein Mann hat eine eigene Firma und ist schon immer sehr viele Stunden am Tag außer Haus. Ich bin für die Bürotätigkeiten zuständig und kümmere mich auch ansonsten um alles, was mit den Finanzen, Schreibkram, den Kindern etc. zu tun hat.
Im Lauf der letzten eineinhalb Jahre sind viele traurige Dinge passiert, zuerst starb seine Mutter, kurz danach sein Vater. Dann hatte mein Mann im August letzten Jahres einen Herzinfarkt und seine Diabetes wurde extrem schlimmer; er bekam fünf Stents eingesetzt, hatte eine Operation an der Halsschlagader. Seitdem hat er sich sehr verändert. Er hatte sich schon vorher irgendwie verändert, aber seit dem Herzinfarkt ist es mir besonders aufgefallen, dass er sich nur noch von uns zurückgezogen hat. Er hat kaum noch gemeinsame Zeit mit uns verbracht, hat sich alleine oder mit seinen vielen Freunden und Bekannten, die hier täglich ein und aus gehen, in seinem Büro aufgehalten und kam in den letzten Wochen eigentlich nur noch zum Essen und Schlafen rein.
Natürlich habe ich immer wieder das Gespräch gesucht, hab ihn gefragt, was denn los sei, ob es ihm nicht gut gehe, ob er Probleme habe, ob es an mir läge, aber er hat nur geblockt und dadurch, dass er sich kaum noch blicken ließ und kaum noch mit mir sprach, kam natürlich Frust in mir auf und ich war dann zickig zu ihm und habe ihn angemeckert, aber das eigentlich nur, weil ich mich so einsam und vernachlässigt gefühlt habe. Wenn ich zu ihm rausgehen wollte um mit ihm zu reden oder ihm was zu bringen, war immer irgendjemand bei ihm. Man konnte ihn nicht mehr alleine sprechen bzw. er war dann recht grantig in seiner Art mir gegenüber. Wir haben eigentlich nur noch gestritten, statt anständig miteinander zu reden, haben uns gegenseitig Vorhaltungen und Vorwürfe gemacht.
Vor etwas mehr als einer Woche sagte er spontan, dass er so nicht mehr mit mir zusammen leben könne, dass er Abstand von mir brauche. Ich habe ihn gefragt, ob er mit mir zur Eheberatung gehen würde, dass ich gerne an unseren Problemen arbeiten möchte. Er hat das kategorisch abgelehnt und gesagt, dass das alles nur Quatsch wäre und er das nicht will. Ich habe ihn gefragt, ob er eine Andere habe, das hat er verneint und gesagt, ich wüsste doch sehr genau, dass er keinen S. mehr haben könne, weil das nicht mehr so gut funktioniere, aber irgendwie traute ich ihm dahingehend nicht. Nach diesem Gespräch war er dann plötzlich für zwei, drei Tage wieder umgänglicher und hat auch tatsächlich doch nochmal etwas mehr Zeit mit mir verbracht, kam abends eher rein. Aber vor drei Tagen sagte er, dass er definitiv ausziehen werde, ich solle ihm ein paar Sachen zusammenpacken, bis dahin schlafe er auf der Couch. Er müsse sich darüber klar werden, ob ihm die Beziehung noch was bedeutet, ob er was vermissen wird, ob er noch genug Gefühle für mich habe.
Trotz der Vorankündigung ein paar Tage zuvor war das für mich ein absoluter Schock, dass er es tatsächlich durchzieht. Er hat nach dem Tod seiner Eltern deren Haus - auch hier in unserem Wohnort sozusagen um die Ecke - geerbt und wollte es eigentlich vermieten oder verkaufen, aber nun ist er gestern Mittag dort mit ein paar persönlichen Dingen und einigen Anziehsachen eingezogen. Und ich war noch so dumm oder nett, was auch immer, und habe ihm Lebensmittel eingepackt und dort in den Kühlschrank gepackt, damit er sich wegen seiner Diabetes was zu essen machen kann; habe ihm dort eine provisorische Schlafstätte hergerichtet, weil er nicht im Bett seiner Eltern schlafen könne, hab noch mit dem Kleinen zusammen aufgeräumt für ihn. Seitdem war er aber gar nicht wirklich dort sondern nur unterwegs.
Ich bin seitdem komplett im Ausnahmezustand. Und unser Kleiner leidet ebenfalls sehr darunter, will weder was über seinen Vater hören geschweige denn mit ihm telefonieren und ist total verletzt und will nichts mehr essen. Er kann es gar nicht begreifen, dass sein Vater uns alleine gelassen hat. Den Kindern hat er gesagt, er müsse sich über einiges klar werden, wolle mal für einige Zeit alleine sein. Der Große hat ihn gefragt, ob er denn wieder nach Hause kommen werde bzw. wann. Er hat gesagt, er wisse es nicht, wann. Er sagte, die Kinder oder ich könnten ihn jederzeit anrufen, wenn was wäre. Als ich ihn gestern Abend anrief, weil ich eine Frage wegen Bürokrams an ihn hatte, war er sehr abweisend und kalt, wollte offensichtlich nicht gestört werden, da er auf der Geburtstagsfeier seines besten Freundes war.
Ich bin im Wechselbad der Gefühle zwischen abgrundtief verletzt sein und vor allem verletzter Stolz, Enttäuschung, Trauer um unsere offensichtlich beendete Beziehung, Wut und das Gefühl hintergangen worden zu sein, Angst vor der Zukunft, mache mir trotzdem irgendwie Sorgen um seine Gesundheit, bin darüber verletzt, dass er lieber mit seinen Freunden über unsere nicht mehr funktionierende Ehe reden kann, aber nicht mit mir, und ich fühle mich so einsam und verlassen wie noch nie zuvor in meinem Leben. Ich habe leider kaum Freunde und keine Verwandtschaft in der Nähe, und die paar wenigen, die ich habe, wohnen weit weg. Er hat viele Freunde, mit denen er reden kann, zu denen er gehen kann, die ihm zuhören. Ich habe gestern Abend in meiner Verzweiflung sogar bei der Telefonseelsorge angerufen, weil ich einfach jemanden zum Reden brauchte, denn diese Einsamkeit macht mich am allermeisten fertig. Es war vorher ja schon recht einsam mit ihm an meiner Seite, aber nun ist es noch schlimmer für mich geworden.
Natürlich weiß ich, dass ich mit daran Schuld bin, dass es soweit gekommen ist, ich habe ihn ja einfach sich selbst überlassen und bin nicht hartnäckig genug gewesen, mehr Zeit von ihm für die Kinder und mich einzufordern. Ohne es zu wollen, habe ich ihn mit dem vielen Freiraum vertrieben statt ihn zu halten.
Seit dem Anruf bei ihm gestern Abend hab ich ihn in Ruhe gelassen, aber es fällt mir so schwer, ihm nicht zu schreiben oder ihn anzurufen. Er hat in letzter Zeit sowieso kaum noch auf meine WhatsApps reagiert und nur selten geantwortet. Allein daran habe ich schon bemerkt, wie wenig ihm noch an mir liegt. Ich befürchte, dass es für immer aus ist, dass er nicht mehr zurückkommen wird. Ich weiß tief in mir drin eigentlich schon die Antwort, aber solange er es noch nicht offen ausgesprochen hat, lebt in mir ein letzter Hoffnungsschimmer, wenn auch wahrscheinlich umsonst. Ich fühle mich, als hätte er mir mein Herz rausgerissen und ich komme nicht klar mit der neuen Situation – alleine mit den beiden Kindern und ohne Freunde, die mich aufbauen oder einfach mal ablenken könnten. Ich hoffe, dass jemand von Euch einen Rat für mich hat, wie ich mein Hamsterrad im Kopf etwas runterfahren kann und wie ich meinen jüngeren Sohn aufbauen kann, denn er tut mir bei dem Ganzen am allermeisten leid.
Dankeschön, dass ich hier mal alles aufschreiben und jemandem erzählen durfte, das bedeutet mir sehr viel!
23.01.2022 20:47 •
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