Hallo,
Ich bin Mitte 30, männlich, und in einer mittlerweile 8 Jahre andauernden Beziehung. Im Jahre 2018 hatte ich eine 3-monatige Affäre mit einer ehemaligen Arbeitskollegin. Meine Partnerin war zu diesem Zeitpunkt beruflich für fast ein ganzes Jahr in die Welt verreist und wir haben uns nur äußerst selten gesehen. Ich war bis dahin treu - mit allen meinen Partnerinnen. Das mit meiner Arbeitskollegin hatte sich unscheinbar angebahnt, es gab von meiner Seite aus keinerlei Absichten dahingehend. Wir gingen mal ins Museum, mal auf einen Kaffee, haben geredet, waren Freunde! Sie war verheiratet, hat ein Kind, war unglücklich, weil es nach ihrer Aussage zu wenig abwechslungsreich geworden war in ihrer Ehe. Die Frau hat mich auf eine Weise berührt, wie es nie ein Mensch zuvor getan hat. Sie hat mich verzaubert, ihre ganze Art, ihr Auftreten, wie sie spricht, was sie anzieht, wie sie riecht, was sie denkt. Es war Magie. Und es war eine Magie, die ich in meiner Partnerschaft nie erlebt habe.
Wie auch immer, wir haben uns in diesen 3 Monaten fünf oder sechs mal getroffen. Es war wie ein Rausch und ich habe es schließlich beendet. Einige Monate, bevor meine Partnerin wiederkam, mein Gewissen ein einziges Trümmerfeld, habe ich mich mit ihr noch einmal getroffen, habe ihrem Angebot widerstanden, habe wenigstens das geschafft. Wir hätten gerne beide weiter gemacht, aber meine Beziehung war mir wichtiger.
Meine Partnerin weiß bis heute nichts davon. Ich war in einer Therapie, habe versucht das zu verarbeiten. Mich auf meine Beziehung zu konzentrieren. Habe alle Mails, alle Nachrichten von dem Kontakt gelöscht. Es lief dann einige Jahre sehr gut. Bis Anfang 2022. Ich habe meinen Arbeitsplatz gewechselt, in die Stadt, in der die Ex-Affäre wohnt.
Und hier begann der Albtraum.
Diejenigen von euch, die Fremdgehen verteufeln und verurteilen, werden sicher denken geschieht ihm recht. Ich akzeptiere das. Ich weiß, was ich getan habe und bin nicht stolz darauf. Wenn ich gewusst hätte, was das mit mir macht, hätte ich einen großen Bogen um die Versuchung gemacht.
Seit dem Stellenwechsel war ich ständig mit Orten konfrontiert, an denen wir beide gewesen sind. Konfrontiert mit Gedanken, ob ich ihr zufällig über den Weg laufe, was aus ihr geworden ist, was wohl gewesen wäre, wenn ich damals eine andere Entscheidung getroffen hätte. Meine Ratio sendet auf allen Kanälen, dass ich einer Idealisierung, einer Überhöhung des Erlebten nachhänge. Nostalgie. Ich lese hier im Forum so viele Beiträge, kluge Gedanken, Ratschläge, dass es wie in jeder anderen Beziehung zu Alltag und Normalität geworden wäre.
Ein Jahr lang habe ich versucht die Gefühle zu ignorieren, zu unterdrücken. Diese Jahr im Februar habe ich es nicht mehr ausgehalten. Ich habe einen langen Brief geschrieben, weil ich einfach nicht anders konnte, als meine Gedanken zu Papier zu bringen. Ich wollte sie wissen lassen, dass es mir leid tut, dass ich damals die Magie zwischen uns beendet habe, dass die Erinnerung an sie lebendig ist und ich sie vermisse. Dass ich weiß, dass sie weitergegangen und einen neuen Partner gefunden hat. Den Brief habe ich eigenhändig in ihren Briefkasten geworfen, auf dem ihr Name stand sowie ihr Geburtsname. Mir war sofort klar, dass sie sich geschieden haben musste.
Die ganze Gedankenspirale hat sich seitdem fortgesetzt. Ein Teil von mir denkt, ich bin Polyamor oder zumindest dazu befähigt. Zumindest dahingehend habe ich mich meiner Partnerin geöffnet. Wir haben unsere Beziehung probeweise geöffnet und zwar beidseitig. Die Affäre habe ich damals nicht gebeichtet, weil ich sie nicht verletzen wollte und mir eingeredet habe, dass die Umstände besonders waren und es schon in Vergessenheit gerät. Jetzt damit anzukommen würde zu viel zerstören und wofür?
Es geht mir ohnehin nicht um mein Gewissen. Es ist nicht so, dass unsere Beziehung oder mein Leben des Ausrutschers wegen auf einer einzigen großen Lüge basiert. Meine Partnerin und ich, wir funktionieren gut, wie schätzen uns, wie haben S. und rein beziehungstechnisch ist alles paletti. Die Beziehung zu öffnen ist ein interessantes Experiment und wir sind gespannt wie es weitergeht, aber tief in mir weiß ich, dass es nicht die Frage beantworten wird, ob es eine Zukunft mit meiner Affäre gegeben hätte. Ich denke, dass Körperlichkeit nicht die Emotionalität aufwiegen kann.
Auf den Brief habe ich keine Antwort bekommen. Ich habe ihr noch eine Whatsapp-Nachricht an ihrer Nummer geschickt. Sie wurde wohl auch gelesen, aber es kam keine Reaktion. Ich denke, dass ist ein deutliches Zeichen, dass sie nichts mit mir zu tun haben will. Ich sträube mich aber dagegen und denke, dass es mir zusteht ihr diese eine Frage zu stellen.
Jetzt habe ich Angst, dass diese Gedanken niemals aufhören und dass ich eine Grenze übertrete. Vielleicht rufe ich aus Verzweiflung irgendwann an oder stehe vor ihrer Tür. Ich möchte so aber nicht sein. Ich war noch nie von irgendetwas besessen und bin kein Stalker. Ich mag diese Frau viel zu sehr, als nun als störendes Element in ihrem Leben auftauchen zu wollen.
Wenn sie mir doch nur sagen würde, dass es nie eine Zukunft hätte geben können, dass ich in ihren Augen kein Beziehungsmaterial bin und überhaupt nur ein netter Zeitvertreib war. Alle Beziehungen, die ich zu Frauen hatte wurden entweder von ihr beendet, weil sie nicht mehr wollte, oder von mir, weil ich nicht mehr wollte. Und es war jedes Mal eine klare Sache. Doch hier, fühlt es sich nun so an, als hätte ich meinen Seelenverwandten gewaltsam aus meinem Leben entfernt.
Ich spüre, dass mich das krank macht.
Liebe Grüße
C.