Liebes Forum,
ich weiß nicht mehr weiter. Meine Frau und ich (Anfang bzw. Mitte 30) haben uns Ende 2019 nach 9 Jahren Beziehung - davon vier Jahre in Ehe - getrennt (vgl. hierzu:
ich-weiss-nicht-wie-es-weitergeht-trennung-auf-raten-t57374.html#p2020266)
Der Trennung ist eine lange Zeit, rund ein dreiviertel Jahr, eine Schwebezustand vorausgegangen, nachdem mir meine Frau Ende 2018 offenbart hatte, sie wisse nicht, wie es mit uns weitergehe. Die Trennung 2019 ging dann nicht nur von ihr, sondern auch von mir aus, da ich diesen Schwebezustand nervlich nicht mehr ausgehalten habe. Mir ging es nach der Trennung auch nicht schlecht, da endlich diese Ungewissheit weg war. Dann standen bei mir größere berufliche Änderungen an, die mich auch sehr eingenommen haben. Mittlerweile bin ich aber beruflich im neuen Umfeld angekommen, weswegen sich meine Gedanken nun wieder meiner gescheiterten Ehe zuwenden. Im Prinzip kann ich mir also erklären, warum mich der Trennungsschmerz jetzt mit Verzögerung trifft. Da ich aber jetzt natürlich trotz allem acht Monate Zeit hatte das Ganze zu reflektieren, würde ich gerne an meinen Gedanken teilhaben lassen, da ich mich die ganze Zeit im Kreis drehe. Ich nummeriere diese Gedanken mal durch, damit es etwas strukturierter ist.
1) Die Aufarbeitung der gescheiterten Ehe fällt mir besonders schwer, da es den Grund von besonderer schwere nicht gibt. Dazu möchte ich sagen, dass meine Frau - seit sie junge Erwachsene ist - psychisch schon auffällig ist. Sie hat sich als Jugendliche geritzt, hat sich runter gehungert etc. Nach eigener Aussage leidet sie an Borderline-ähnlichen Symptomen. Diese Symptome sind mir schon länger bekannt, da sie - als ich sie als Mensch (nicht als Partnerin) vor mehr als 15 Jahren kennenlernte, mit einem Freund von mir zusammen war und diese Beziehung war ein ständiges on/off. Wir hatten uns, bevor wir zusammen kamen, mehrere Jahre aus den Augen verloren (stammen aus dem selben Ort) und ich habe aus der Ferne mitbekommen, dass sie Ausbildungen/Studiengänge erst voller Euphorie begonnen, dann aber bei den kleinsten Widerständen geschmissen hatte. Dies zog sich auch durch ihre Beziehungen. Als sie dann vor neun Jahren anfing Interesse für mich zu entwickeln, führte ich mir dies zu Anfang auch stets vor Augen und sagte mir, dass sie einfach nicht eine passende Partnerin, die mir Rückhalt und Beständigkeit bietet, für mich sein kann - nur irgendwann entwickelten sich Gefühle aber ich hatte immer Angst davor, dass sie wieder in ihr altes Verhaltensmuster zurückfällt. Andererseits sorgten sich meine Freunde und Bekannte. Der Freund, der damals mit ihr zusammen war, gestand mir, dass er vor unserer Hochzeit schlaflose Nächte hatte, weil er erwog, mich zu warnen, auf was ich mich einlasse. Letztendlich brauchte ich aber keine Warnung, da mir unterbewusst klar war, auf was ich mich einlasse. Daher entwickelten sich bei mir Verlustängste, für die ich ohnehin anfällig bin, da - als ich ein kleines Kind war - erst mein Vater und dann mein Bruder länger ins Krankenhaus mussten und mich dies sehr geprägt hat.
2) Meine Verlustangst, dass ich sie auf Grund ihres Verhaltens verliere, wurde nach unserer Hochzeit immer schlimmer. Hinzu kam, dass ich zur damaligen Zeit beruflich unzufrieden war, mir bereitete insbesondere Sorge, wie es in Zukunft weiter geht, da mir verschiedene Optionen zur Verfügung standen, ich aber nicht wusste, welche die richtige sein könnte. Dies führte dazu, dass ich nach einer Konstanten in meinem Leben suchte und dies auf meine Frau projizierte. Ich fing an zu klammern und sie einzuengen. Dies ist mir bewusst. Bestes Beispiel: Ich wollte das ganze Wochenende mit ihr verbringen, am besten zusammen auf dem Sofa vor dem Fernsehen. Wenn sie mal etwas ohne mich machen wollte, war ich sauer. Aber mein kleines Kind in mir hat zur damaligen Zeit rebelliert. Mittlerweile habe ich das aber sehr gut im Griff.
3) Mein unter 2) geschildertes Verhalten war nicht nur deswegen ein Spiel mit dem Feuer, weil sich meine Frau damit auszeichnet, sehr schnell von himmelhoch-jauchzend zu zum-tode-betrübt ihr Stimmungsbild schlagartig zu verändern. Hinzu kam nämlich, dass meine Frau aus eher einfachen Verhältnissen kommt und bis zu der Zeit, in der wir uns kennenlernten, mit ihren Eltern in einer Wohnung lebte. Zu ihrem doch eher engstirnigen und bestimmenden Vater hatte sie ein schwieriges Verhältnis. Sie zog dann aber direkt von ihren Eltern zu mir und ich kann nun mit Abstand sagen, dass ich ihren Wunsch nach Freiheit nachvollziehen kann, wenn ich die Punkte 2) und 3) sehe. Das eine kam leider zu anderen.
4) Ich ärgere mich so über mich unter verschiedenen Aspekten: Einmal, dass ich so zu meiner Frau so war wie ich war. Andererseits ärgere ich mich auch darüber, dass ich das innerliche Grummeln, diese Warnsignale am Anfang nicht ernst genommen habe. Letztendlich ist mit der Trennung genau das eingetreten, wovor ich auf Grund ihres Verhaltens in der Vergangenheit immer Angst hatte. Die unter 2) geschilderte Phase war die erste (und einzige) Dürrephase in unserer Beziehung. Es lief alles gut bis dahin. Ich sehe mein Fehlverhalten ein, kann aber einfach nicht für mich akzeptieren, dass ohne gelbe Karte eine Ehe (!) weggeschmissen werden soll. Wir haben einfach in diesem Punkt zu wenig kommuniziert.
5) Meine Frau ist Ende 2018 ausgezogen, ich wohne derzeit noch in unserer gemeinsamen Ehewohnung und das fällt mir schwer. Es ist zwar nicht so, dass ich ständig irgendwelche Bilder vor Augen habe, aber es ist einfach so ein gewisses Grundrauschen da. Ich hoffe, ihr versteht, was ich meine. Ende Dezember 2018 konnte ich jedoch noch nicht ausziehen, weil da nicht klar war, wie es im Frühjahr 2020 mit mir weitergeht. Die Position, die ich jetzt inne habe, ist für mein berufliches Fortkommen von eminenter Bedeutung. Jedoch ist diese Phase auf zwei Jahre beschränkt. Nach diesen zwei Jahren werde ich eine neue Stelle erhalten, die jedoch nicht in der Stadt ist, in der ich derzeit wohne. Wo genau die Stelle jedoch sein wird, ist derzeit unklar. D.h., es ist ungewiss, wo ich zum jetzigen Zeitpunkt hinziehen sollte. Und innerhalb nicht mal mehr zwei Jahren zwei Mal umziehen ist schon sehr extrem. Es führt aber leider dazu, dass ich mich in meiner Wohnung gefangen fühle, die Zeit, bis ich hier ausziehen kann, empfinde ich phasenweise als verlorene Zeit und ich weiß nicht, was ich machen soll (ich weiß nur, dass ein berufliches Zurückstecken nicht in Betracht kommt)
6) Mein Hauptanliegen: Ich vermisse meine Frau. Abseits ihrer Probleme, die sie hat, passen wir wunderbar zusammen. Unsere Einstellung zu Leben, unsere Hobbies, einfach alles passt. Auch das führt dazu, dass es mir schwer fällt, die Trennung wegen psychischer Zwischenfälle bei ihr und mir zu akzeptieren. In der Schwebephase meinte sie, ob es nicht eine Idee sei, dass sie ausziehe und wir uns quasi neu kennenlernen. Trotz meiner Vorbehalte ihr gegenüber, weil sie, seit ich sie kenne, so schnell aufgibt, will ich sie doch irgendwie zurück. Als unsere Trennung war, hatte sie wohl wieder so eine Phase, da sie auch den Kontakt zu Freundinnen ohne rechten Grund abbrach und auch das Verhältnis zu ihren Eltern einfrieren ließ. Wir verstehen uns weiterhin gut, wenn wir Kontakt haben, verfallen wir sehr schnell in unsere während der Partnerschaft entwickelte Subkultur einschließlich Insider-Witze etc. Ich vermisse auch nicht bloß eine Frau an meiner Seite, denn ich habe ansonsten ein recht ausgefülltes Leben, viele Freunde und mittlerweile gibt es auch Frauen, die ernsthaftes Interesse an mir haben. Auch wenn ich diese Frauen interessant finde, so möchte ich nur die eine. Ich sage es auch ganz offen: Bei mir ist auch die Libido völlig verlustig gegangen. Diese ist nur da, wenn ich an meine Frau denke. Derzeit hadere ich damit, ob ich versuchen soll, den Kontakt mit meiner Frau wieder zu intensivieren. Man sagt ja immer, man solle dies aus Selbstachtung nicht tun. Aber selbst, wenn es nicht klappt, kann es mir doch egal sein, was sie von mir denkt, weil dann wäre tatsächlich ein endgültiges Aus die Folge. Andererseits habe ich auch Angst davor, dass wir uns wieder zusammenraufen und langsam neu kennenlernen (so wie es meine Frau mal vorgeschlagen hatte) und ich in ein paar Jahren wieder in so einer Phase der Trennung stecke.
Letztendlich weiß ich nicht genau, was ich machen soll und wäre sehr dankbar, wenn ihr mir vielleicht einen Rat spenden könntet.
Danke.