Hallo. Ich bin verzweifelt. Nach dem ich hier einige Beiträge gelesen habe, glaube ich, dass es hier Menschen gibt, die nachvollziehen können, was gerade bei mir passiert, ohne mich und meine Situation zu verurteilen.
Ich kann mit niemandem reden über das, was gerade in meinem Leben passiert, brauche aber dringend Austausch.
Ich bin seit über 20 Jahren verheiratet mit einem sehr liebevollen Mann, zu dem ich eine sehr enge Verbindung habe.
Wir haben 2 Kinder, die gerade in die Ausbildung gestartet sind. Unser Familienleben ist sehr harmonisch. Wir verstehen uns gut und sind gerne zusammen. Unser Freundeskreis ist nicht groß, aber sehr eng.
Mein Mann ist vor ca. 10 Jahren etwas vom ehelichen Weg abgekommen und hatte Kontakt zu anderen Frauen. Wir haben das aber bei einer Paartherapie verarbeitet und ich habe ihm verziehen. Es ist kein Thema mehr zwischen uns, hat aber Einfluss auf mein Verhalten in der jetzigen Situation. Niemand weiß von seinen Ausrutschern außer ich. Deshalb stellt er für alle in meinem Umfeld den idealen Ehemann und Vater dar, der er seither auch ist.
Ich habe mich bereits als Kind unsterblich in einen Jungen verliebt, mit dem ich im Teenager-Alter auch für einige Monaten offiziell liiert war. Wir lebten in 2 kleinen Dörfern mit einer sehr strengen Dorfgemeinschaft. Ich war 14 Jahre alt, er war 15. Leider fand seine Familie mich absolut nicht akzeptabel, so dass sie ihm den Umgang mit mir verboten hat. Offiziell hielt er sich auch an das Verbot. Er war offiziell mit anderen Mädchen zusammen, traf sich aber heimlich immer weiter mit mir. Das ging damals 5 Jahre so. Ich liebte ihn abgöttisch und bedingungslos. Dass er mich immer weiter wollte, schmeichelte mir, obwohl ich sehr darunter litt, dass er mit anderen Mädchen zusammen war.
Mit 19 Jahren konnte ich die Situation aber doch nicht länger ertragen. Es war zu schmerzhaft zuzusehen, wie andere das Leben leben durften, dass eigentlich ich mit ihm haben wollte. Er war leider nicht in der Lage, seiner Familie entgegenzutreten. Ganz und gar war er zu der Zeit mit einem Mädchen zusammen, dass seine Eltern toll fanden, obwohl er sich sehr häufig bei mir darüber beschwerte, wie schlecht sie ihn behandelte. Als ich ihn endlich vor die Wahl stellte, sich für mich oder sie zu entscheiden, sagte er nichts und ging weg. Ich war maßlos enttäuscht.
Unter Schmerzen trennte ich mich von ihm und versucht, einen anderen Mann zu finden, mit dem ich glücklich sein könnte. Ich fand auch einen, der irgendwie nett war, mit dem ich mehrere Jahre verbrachte. Mit dem Mann zog ich auch in eine andere Stadt, um nicht weiter mit ansehen zu müssen, wie der Mann meines Herzens mit einer anderen zusammenlebte. Meine Beziehung zerbrach aber, weil ich doch keine Liebe für ihn hatte. Er war nur ein Lückenbüßer gewesen.
Meine 1. Liebe meldete sich in den ganzen Jahren immer weiter sehr regelmäßig bei mir. Erinnerte mich an unsere gemeinsame Zeit und hielt weiter Kontakt zu mir. Ich versuchte emotional Abstand zu wahren und nicht zu viel in diese Kontaktsuche hineinzuinterpretieren. Er war schließlich seit meinem Ultimatum noch immer mit demselben Mädchen zusammen. Irgendetwas musste sie richtig machen, wenn er bei ihr blieb, obwohl es offensichtlich weiterhin nicht gut zwischen ihnen lief. Wir hatten leider nie offen über unsere Gefühle gesprochen. Das eine Mal als ich darüber sprach, war das Gespräch, als ich ihn vor die Entscheidung gestellt hatte, sie oder mich zu wählen.
Ich glaubte, dass er sich doch letztendlich in die andere verliebt haben musste, sie lieben würde und mit ihr zusammen sein wollte. Ich nahm zwar jeden Kontaktversuch, jeden Brief, jedes Telefonat sehnsüchtig an, verbat mir aber jede Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft. Ich glaubte, dass er aus alter Verbundenheit an mir festhielt oder weil er bei mir nicht vorgeben musste jemand zu sein, der er nicht war.
Dann lernte ich meinen jetzigen Mann kennen. Er veränderte alles. Ich zog zu ihm, mehrere Hundert Kilometer weit weg von der alten Heimat. Ich erzählte ihm von meiner unglücklichen Liebe, die mich seit Jahren verzehrte. Ich sagte ihm auch, dass ich weiterhin Kontakt zu meiner 1. Liebe hätte, weil er sich immer wieder bei mir meldete und ich nicht in der Lage sei, mich endgültig von dem Mann zu lösen. Mein Mann akzeptierte dies vollständig. Er hat nie verlangt, dass ich aufhöre, mit meiner 1. Liebe zu sprechen oder Briefe zu schreiben. Er sagte sogar einmal, dass er wisse, er sei nur die 2. Wahl, aber er liebe mich so wie ich bin. Es wäre ihm egal, was vor ihm gewesen sei und dass er alles tun würde, damit ich die 1. Liebe allmählich vergesse und mit ihm glücklich sei.
Im Laufe der Jahre ist ihm das auch gelungen. Der Kontakt zu meiner 1. Liebe schlief fast vollständig ein. Er schrieb mir hin und wieder und rief mich an, aber ich ging nicht mehr so sehr darauf ein. Mittlerweile war er mit dem Mädchen, dass ihn nicht gut behandelt, verheiratet und hat 2 Kinder. Ich nahm an, dass er das Leben lebte, das er wollte. Unsere Verbindung wurde sehr lose.
Dann kam 2020. Ich hatte Gebärmutterhalskrebs, den ich glücklicherweise überwinden konnte. Meine Einstellung zum Leben hat sich in diesen Monaten sehr verändert. Ich gehe viel offener mit meinen Gefühlen um, spreche wichtige Dinge an und versuche das Leben so zu leben, dass ich nichts bereuen muss. Auch deshalb konnte die jetzige Situation sich nur so entwickeln.
Letztes Jahr dann. Ein harmloses Telefonat zum Geburtstag mit meiner 1. Liebe. Daraus ergab sich ein lockerer regelmäßiger Kontakt auf freundschaftlicher Basis. Wir schauten gemeinsam auf unsere Beziehung zurück und sprachen endlich alles aus, was uns damals bewegte. Er öffnete sich mir, was völlig unerwartet für mich kam.
Ich ahnte nicht, was das auslösen würde. Ich dachte, wir unterhalten uns nur und alles ist gut.
Dann beichtete er mir plötzlich nach ein paar Wochen, dass er als Jugendlicher einfach zu feige gewesen war, sich für mich zu entscheiden und dass er das seitdem mehr als alles bereut. Er hat sich ein Leben aufzwängen lassen, in dem er nicht glücklich ist. Er sehne sich seit 30 Jahren nach mir, er hätte nie aufgehört mich zu lieben und hoffe, er dürfe wieder Bestandteil meines Lebens sein.
Das Bittere: Ich war sofort wieder entflammt. Alles war wieder da von einer Sekunde auf die andere. Die Gefühle von damals waren und sind immer noch in mir, ich bin seit seinem Geständnis wieder vollständig davon erfüllt.
Mittlerweile haben wir sehr engen Kontakt, tauschen uns aus, reden über unsere Gefühle. Wir haben uns auch ein paar Mal getroffen. Es ist nicht zu Intimitäten gekommen, da wir beide wissen, dass das die Grenze ist, die unter Umständen unsere beiden Leben zerstören könnte.
Wir wollen unsere Leben nicht zerstören.
Meine Ehe ist glücklich. Ich liebe meinen Mann auf eine Art, die leicht und freundschaftlich ist. Mit ihm ist alles leicht. Er macht es mir leicht, ihn zu lieben. Er hat sich meine Liebe im Laufe der Jahre verdient. Ich bin in den über 20 Jahren immer treu gewesen, was mir absolut leicht gefallen ist. Aber ich muss zugeben, dass ich das eine oder andere Mal an meine 1. Liebe gedacht habe und mir mit Wehmut vorstellte, was hätte sein können, wenn er sich damals für mich entschieden hätte.
Die Situation der letzten Monate konnte von meiner Seite aus auch nur deshalb eskalieren, weil mein Mann vor 10 Jahren unseren Schwur gebrochen hat. Dadurch fühle ich mich leider auch nicht mehr so stark an mein Versprechen gebunden. So als hätte ich gefühlsmäßig auch einen Ausrutscher gut. Ich weiß nicht, ob man das verstehen kann.
Natürlich habe ich ein schlechtes Gewissen meinem Mann gegenüber. Es ist ganz schändlich, dass ich hinter seinem Rücken mit einem anderen Mann Kontakt habe. Ich versuche auch damit aufzuhören, aber es ist wie ein Sog, der mich, schon so lange ich denken kann, zu diesem einen Mann hinzieht und gegen den ich mich einfach nicht wehren kann.
Das Gefühl für meine 1. Liebe ist anders als das Gefühl zu meinem Mann. Ganz anders. Es ist ein stetes Brennen, allumfassend und lichterloh. Ich habe das Gefühl, als wäre er in mir, als wäre er ein Teil von mir, als würde ich schon immer ihm gehören.
Man kann meine Gefühle zu den beiden Männern ganz und gar nicht vergleichen. Sie existieren nebeneinander. Ich weiß nicht, ob man das verstehen kann.
Meiner 1. Liebe geht es ähnlich wie mir. Er sagte mir, dass auch er mich in seinem tiefsten Innern fühlt, als wären wir 2 Teile eines Ganzen. Sein Herz sei schon immer bei mir gewesen und er sei der festen Überzeugung, dass dies auch für immer so sein würde.
Er ist zwar unglücklich in seiner Beziehung, hält dies aber vor den Kindern, den Verwandten und Freunden geheim. Er hat sehr häufig Streit mit seiner Frau und sie haben keine Liebesbeziehung mehr miteinander, kann sich aber trotzdem nicht entschließen, sich zu trennen.
Einmal weil er immer noch in den gesellschaftlichen Zwängen lebt, die seine Familie und das dörfliche Umfeld aufstellt.
Zum anderen ist es bei ihm wie bei mir, er liebt seine Kinder über alles.
Wir hängen beide so sehr an unseren Kindern, dass wir mit einer Trennung und der Zerstörung der Familie nicht deren Ansehen verlieren wollen. Meine Kinder würden sich von mir abwenden, wenn ich ihren Vater verlassen würde. Mein Mann macht nichts falsch, er ist nur einfach nicht ER. Noch dazu ist mein Mann schwer erkrankt und braucht mich auch auf dieser Ebene. Das macht eine Trennung noch viel schlimmer für alle Beteiligten.
Meine 1. Liebe und ich sind beide davon getrieben, dass unsere Herzen sagen, dass wir zusammen sein wollen. Wir kämpfen beide mit der Eifersucht auf den Partner des anderen, die Zeit, die wir mit anderen verbringen und mit der Distanz und dass man nicht spontan Kontakt zueinander haben kann. Wir haben beide eine starke Sehnsucht nach einander wie eine Dro..
Wenn unsere Herzen entscheiden dürften, würden sich jeder von uns dafür entscheiden, mit dem anderen zusammen zu sein.
Unser Verstand aber sagt, dass das nicht geht. Wir können uns nicht trennen, die Familien zerstören. Niemand in unserem Umfeld würde verstehen, was passiert. Niemand würde das gutheißen. Wir hätten Probleme als Paar akzeptiert zu werden. Wir müssten unsere Leben komplett hinter uns lassen und irgendwo alleine neu anfangen. Wir müssten ohne unsere Kinder auskommen. Das können wir beide nicht.
Wir sind beide zu pflichtbewusst und loyal und zu sehr abhängig von unserem Umfeld.
Der Verstand gewinnt. Das Herz gewinnt nicht.
Meine Verzweiflung ist so groß, weil es mich genauso wie vor 30 Jahren bis ins tiefste Innere quält, dass ich nicht mit ihm zusammen sein kann. Ich überlege, ob eine Trennung von meiner 1. Liebe und die totale Entsagung von meiner Dro. nicht besser wäre für mein Leben und auch für seins.
Wenn wir uns von einander lösen und akzeptieren, dass wir uns vor langer Zeit mal jeder für ein anderes Leben mit einem anderen Partner entschieden haben und eben dieses Leben leben sollten mit allen Konsequenzen, ob es dann nicht leichter wäre für jeden von uns.
Diesen inneren Kampf kämpfe ich seit Wochen/Monaten mit mir. Halte ich fest an dieser Liebe und den schwierigen, quälenden Umständen oder beende ich das, um mich von den Schmerzen zu befreien?
Ich kann das wie gesagt mit niemandem besprechen, sehne mich aber nach einer Lösung.
Danke.
24.07.2023 15:58 •
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