Liebes Forum,
seit dem großen Knall vor drei Monaten habe ich (m38) Stunden und Tage als stiller Leser hier im Forum verbracht. Mich hat es sehr interessiert, ob noch andere solche grausamen Symptome haben und ich nicht völlig am durchdrehen bin. Dafür vielen Dank.
Ich habe festgestellt, dass jede Geschichte individuell ist, weshalb ich auch meine mit Euch teilen möchte. Vielleicht hat jemand Tipps oder anderen geht es wie mir und es hilft ein wenig.
Wir kennen uns schon aus der Schule, sind mit 19 zusammen gekommen und waren fast 20 Jahre lang das perfekte Vorzeigepaar. Gute Ausbildung (sie hat mich damals für ein Studium ermutigt), Jobs, Haus, Hund. Eigentlich alles, was man sich wünschen kann. Wir hatten immer einen sehr respektvollen Umgang miteinander, haben uns nie unter der Gürtellinie beleidigt, haben Meinungsverschiedenheiten immer analysiert und ausdiskutiert und haben viele Höhen und Tiefen gemeinsam gemeistert. Wir haben uns bedingungslos geliebt.
Meine Seite: Die letzten Jahre habe ich psychische Probleme bekommen, die sich durch nächtliche Angstzustände bemerkbar gemacht haben (Angst vor Überforderung im Job). Das hat dazu geführt, dass es doch einige Tage gab, an denen ich einfach wenig Energie hatte und schon mit dem Alltag zu kämpfen hatte. Ich weiß, dass dies für sie sicherlich eine große Rolle gespielt hat. Ich möchte aber auch betonen, dass wir bis zuletzt generell viel gemeinsam unternommen haben (Essen gehen unter der Woche, Ausflüge am WE, Urlaub) und uns nach wie vor prima verstanden haben, auch wenn die Gespräche zunehmend ins Oberflächliche abgedriftet sind.
Ihre Seite: Sie hat vor zwei Jahren einen neuen Job begonnen. Alles war aufregend. Viele neue Kollegen, Dienstreisen mit Discoaufenthalt bis in die Morgenstunden, Weiterbildungen. Rund 6 Monate vor der Trennung hat sich auf einmal etwas verändert. Sie machte vermehrt Sport und Dinge an ihrem Körper haben sie auf einmal gestört. Sie wurde zunehmend abweisend: Lieber Bestellen statt gemeinsames Kochen, am Wochenende muss gearbeitet werden, den gemeinsamen Jahresurlaub kann sie terminlich noch nicht planen, arbeiten statt gemeinsam einen Film schauen, .
Da auch Hormone einen großen Einfluss auf das Gefühlsleben haben, möchte ich ergänzen, dass sie zudem auch mit 37, also etwa 1 Jahr vor der Trennung, in die Wechseljahre gekommen ist (ja, das gibts). Ich will dies nicht als 'Erklärung für alles' mißbrauchen, aber es hat sicherlich eine Rolle gespielt.
Nun könnte man argumentieren, dass genug Anzeichen vorhanden waren und das keine plötzliche Trennung war. Die beschriebenen Verhaltensänderungen habe ich hier schon so oft gelesen. Ich war allerdings, wie es auch viele Männer beschrieben haben, entweder wie gelähmt, hab es als gewöhnliche Tiefen in einer Beziehung wahrgenommen oder hab mich extrem auf sie fokussiert, um ihr alles Recht zu machen, was sie glaube ich nur noch mehr gestört hat.
Ich hätte allerdings nie (wirklich NIE!) gedacht, dass wirklich die Beziehung auf dem Spiel steht. Für mich fühlt es sich so an, dass sie sich still und heimlich von mir entliebt hat und sie regelrecht Gründe gesucht hat, mich mehr und mehr zu hassen. Am Ende hat für sie gar nichts mehr gepasst: Wie geputzt wurde, wie die Freizeit verbracht wurde und generell allerhand Kleinigkeiten, die sie nie gestört oder die sie zumindest nie angesprochen hat. Ich möchte nochmals betonen, dass wir wirklich bis zum Tag vor der Trennung noch ohne Streitereien Essen waren und uns normal unterhalten haben. Sie hat mir den Ernst der Lage einfach verschwiegen und mir, nachdem sie sich schon mit der Situation emotional abgefunden hat, die Keule mitten ins Gesicht gehauen.
Der große Knall bestand darin, dass sie mir Dinge vorgeworfen hat, die Jahrzehnte zurückliegen. Sie hat auf einmal das gesamte bisherige Leben in Frage gestellt. Sie bekäme Panik, wenn sie daran denkt, dass wir in 30 Jahren noch in diesem Haus leben. Sie möchte beruflich noch ins Ausland, was sie ja mit mir vergessen kann. Sie findet mich nicht mehr attraktiv. Sie vermisst das Kribbeln (nach 20 Jahren Beziehung). Sie hat begonnen andere Männer attraktiv zu finden und weiß nicht, wie lange sie das noch zurückhalten kann. BAM!
Für mich begann an diesem Tag mein persönlicher Albtraum, in dem ich immer noch lebe. Jeden einzelnen verdammten Tag und jede Nacht. Die ersten zwei Wochen war es Schock. Man räumt wie wild Schränke durch die Gegend um sich räumlich zu trennen. 10 Tage lang praktisch kein Essen und kein Schlaf. In zwei Wochen wird schon alles wieder gut sein. Die nächsten zwei Wochen war es Trauer mit vielen Tränen. Doch dann begann die Angst und der wirkliche Schmerz. Langsam wurde mir die Tragweite bewusst: Wir werden das Haus verkaufen, was als Altersvorsorge gedacht war. Wir werden den gemeinsamen Hund abgeben, den wir schon als Welpe aufgezogen haben. Für mich brach mein komplettes Lebenskonzept zusammen. Nichts wird so sein wie vorher. Wie soll ich nach 20 Jahren plötzlich alleine das Leben meistern? Wer bin ich eigentlich ohne sie? Ich habe permanent Angstzustände, bin in der Arbeit völlig unkonzentriert und versuche dort jeden einzelnen Tag nur zu 'überleben'. Abends komme ich nach Hause, wo alles wie ein Scherbenhaufen vor mir liegt. Ich kann an nichts anderes mehr denken und weine jeden Tag. Permanent dreht sich alles in meinem Kopf um den Verlust meines Lebenspartners. Keinerlei Ablenkung funktioniert. Und wenn doch mal für ein paar Minuten, dann zieht sich anschließend alles in meinem Magen zusammen, wenn ich es wieder realisiere.
Ich habe schon recht kurz nach der Trennung begonnen zwei versch. AD zu nehmen und auch einen Psychotherapeuten aufzusuchen. Bisher scheint beides (noch?) nicht zu greifen. Wir wohnen zudem noch im gleichen Haus (getrennte Wohnungen), müssen uns aber täglich über den Hund absprechen, weil es alleine keine von uns beiden schafft. Jeder noch so kleine Kontakt, Blick in die Zukunft, oder sogar Geruch sorgt bei mir sofort für ein Zusammenziehen des Magens. Ich hätte in meinem ganzen Leben nie gedacht, dass es etwas gibt, was einen so unglaublich mitnehmen kann und solche unbeschreiblichen Schmerzen verursacht. Es ist mein schlimmster Albtraum.
Ich danke Euch allen, dass ich dies mit Euch teilen darf.
16.05.2023 21:08 •
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