Die Tage vergingen und ich machte weiter in meinem neuen Leben, so gut ich konnte. Bäume ausreissen, hm, ja, der Versuch war da ... ich fing erstmal mit Bonsai-Bäumchen an. Ich fühlte mich von Tag zu Tag besser, wie so eine zuvor halbvertrocknete Pflanze, die man wieder gießt, die sich so stückchenweise erholt und wieder aufrichtet, kennt ja jeder, der mal Pflanzen vergessen hat zu gießen, manchmal geht sie dann auch ein, aber ich bin keine Pflanze, die eingeht.
Neue Frisur war schon da, radikal anders als vorher, ich fand mich tiptop. Mein Friseur ist wirklich (klischeehaft) der typische Friseur aus dem Bilderbuch von Lieschen Müller, jung, männlich, steht nicht auf Frauen Wahrscheinlich konnten wir deshalb auch so gut miteinander, wenn ich da war, dann waren wir so lustig, wir rockten den Salon ... das war herrlich, wir zogen gemeinsam über meinen Ex her und ich lachte mir in diesen Momenten jede sentimentale Ader einfach weg.
Nächstes Projekt war ein Tattoo, wollte ich schon immer haben, eigentlich nur ein gaaaaaaaaaaaaaaaaaaaanz kleines, Innenseite Handgelenk, wurde von Herrn Ex von der Agenda gestrichen. Jaaaaaaaaaa, ich weiß, mein Körper, mein Ding ... aber ihr wisst es doch selber, hätte ich es gemacht, hätte es ordentlich Stress gegeben, ich konnte auch ohne. Ich bin nicht die erste und letzte, die sich sowas verkneift, weil es die andere Ehehälfte nicht haben will. Aber jetzt wollte ich es eben doch. Ich hatte schon den Termin gemacht, dann verließ mich fast wieder der Mut.
Ich fuhr da mehr als rechtzeitig hin und schlich ums Eingangstor. Schlicht gesagt, ich traute mich da nicht rein. Ha, da kam ein DHL-Bote, der klingelte und ihm wurde aufgetan. Mit dem schlüpfte ich gemeinsam ins Treppenhaus. Der wollte auch ins Tattoo-Studio, ich folgte dem und blieb auf dem letzten Treppenabsatz stehen. Der Bote wurde abgefrühstückt, da rief der bis zur Halskrause zugehackte Typ mir zu ... na, Du, wie kann man Dir denn helfen? Ich wurde bestimmt knallrot, jedenfalls wurde mir mehr als heiß, ich so, ähm, ich hab einen Termin. Der so, na dann her mit Dir
Ey, das war ein Typ ... wie er im Buche steht Ich sagte ihm, was ich gerne haben will und dachte, jetzt macht er mit mir den festen Termin, nö, machen wir gleich und jetzt. Ich hatte wieder meine große Klappe wiedergefunden und sagte natürlich, gerne, klar, als wäre das für mich total normal.
Und dann machte er mir auf den Unterarm, allerdings nicht versteckt, sondern sichtbar, ein Herzschlag-Tattoo, so wie ich es haben wollte, ich hatte es aufgemalt mitgebracht.
Wir quatschten die ganze Zeit, er wollte natürlich wissen, wieso ich jetzt damit anfange ... Ich hab ihm ein bissl davon erzählt, was in meinem Leben gerade los ist ... wir haben uns auf Anhieb gut verstanden, ich glaube, solche Leute können eh mehr als nur auf die Haut kieken. Bei den vielen Lebensgeschichten, die zu so manchem Tattoo gehören.
Ich war wie unter Strom, er musste mich echt manchmal wieder runterholen, wie so ein Höhentrip ... es war so gut.
Ich grinste wie ein frisch lackiertes Hutschpferd. Es war nur toll. Ich bedankte mich artig, wollte schon ohne Folie am Arm losrennen, da pfiff er mich zurück ... aber in einem Ton, holla die Waldfee. Wir machten noch ein gemeinsames Foto, zur Erinnerung ... ich zahlte und verabschiedete mich. Er meinte, Du kommst eh wieder ... Dasselbe dachte ich auch
Ich war so voller Adrenalin, ich konnte gar nicht nach Hause radeln, ich setzte mich erstmal auf eine Bank und hab einfach diesen Moment genossen. Konnte mir gar nicht vorstellen, wie sowas einen beflügeln kann ... war aber so. Ich fing also doch an, Dinge zu tun, die ich schon längst tun wollte ... und ich ließ mir ja nun echt nicht allzu lange Zeit, seit dem Auszug waren 44 Tage vergangen. Und ich fühlte mich wie auf Wolken.
10.07.2020 11:47 •
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