Hallo zusammen,
ich bin schon vor einiger Zeit auf dieses Forum gestoßen und finde es ganz toll, wie sich hier alle gegenseitig unterstützen. Ich dachte, es würde mir schon genug helfen, die Probleme und Ratschläge anderer zu lesen, aber ich muss mich jetzt leider doch aktiv selbst äußern, da ich einfach nicht mehr weiter weiß.
Ich war vor 11 Jahren, als ich 20 war, mit einem Kommilitonen zusammen. Vorher waren wir ein Jahr befreundet gewesen. Die Beziehung dauerte nur drei Monate, weil er für ein Jahr nach Amerika ging. Das war auch, bevor wir zusammengekommen sind, schon klar, aber naja, wir fühlten uns irgendwie so zueinander hingezogen, dass uns das in dem Moment egal war. Es war wie ein Blitz, der plötzlich eingeschlagen hat, und die ganze Beziehung war so unglaublich intensiv und schicksalhaft. Ich war fest davon überzeugt, meinen Seelenverwandten gefunden zu haben. Ich hatte so ein Gefühl von: Wir beide gegen den Rest der Welt. Ich muss dazu sagen, dass ich damals frisch aus meiner ersten richtigen Beziehung kam, die drei Jahre gedauert hatte. Ich glaubte damals sehr an Schicksal und Seelenverwandtschaft etc. Heute habe ich einen viel rationaleren Blick auf Beziehungen.
Wir hatten uns also Hals über Kopf ineinander verliebt, verbrachten ein paar Tage in Prag, machten zusammen Musik, malten, schrieben Geschichten, etc. Wir stritten tatsächlich auch viel, es war einfach die volle Wucht Gefühle und Leidenschaft, und ich glaubte eben, dass er mein Schicksal wäre und wir schon wieder zusammenfinden würden, wenn er aus Amerika wieder da wäre. Wenn es eine große Liebe in meinem Leben gab, dann diese.
Ich hatte nicht das Gefühl, dass er irgendwie mit mir spielte oder ich einfach jemand war, den er vor Amerika noch schnell mitnehmen wollte. Ich glaube, dass seine Gefühle aufrichtig waren, obwohl er mir schon nach drei Wochen oder so sagte, dass er mich liebt.
Es gab in dem Sinn kein Schlussmachgespräch. Ich meinte (natürlich in diesem ganzen Bohemian-Vibe gefangen), dass ich ihm gerne die Freiheit gebe, ungebunden nach Amerika zu gehen, weil ich auch dachte, dass unser Band eh so stark ist, dass wir trotz der Distanz geistig miteinander verbunden wären und danach wieder zusammenkommen würden.
Im ersten Monat nach der Trennung ging es mir noch einigermaßen gut. Er schrieb mir in der Zeit einige Emails und auch einen Brief, in dem stand, dass er mich liebt und an mich denkt. Bald drehten sich meine Gedanken nur noch um ihn. Ich wollte für ihn irgendwie besondere Dinge tun, die ihn nicht vergessen lassen sollten, was für eine besondere Beziehung wir hatten, aber auf der anderen Seite nicht zu klammernd oder aufdringlich wirkten (ich schickte ihm z.B. eine Flasche B. aus unserer Stammkneipe, die es nur dort gibt, drehte einen kleinen Film unserer Lieblingsorte, schickte ihm Musik, die mich an ihn erinnerte. ). Ich erwartete irgendwie, dass unser Band bestehen bliebe und ich mich nur von Woche zu Woche hangeln müsste und mich an Nachrichten oder Aufmerksamkeiten von ihm festhalten könnte. Ich erwartete eigentlich auch, dass er irgendwann von sich aus fragen würde, ob ich ihn mal besuchen komme.
Um es kurz zu machen: Das fragte er nicht. Er schickte mir auch nach wenigen Wochen keine Emails oder Briefe mehr und mir ging es zusehends schlechter. Ein weiteres Problem war, dass wir einen gemeinsamen Freundeskreis hatten. Eine Freundin von mir war mit seinem besten Kumpel zusammen. Da wir alle am Anfang des Studiums waren und alle das gleiche studierten, kann man jetzt auch nicht irgendwie sagen, wer wen zuerst kennengelernt hat oder welche Freunde jetzt zu wem gehörten. Ich verbrachte einfach weiter Zeit mit der Clique, und ich muss zugeben, vielleicht auch, um weiter seinen spirit um mich herum zu haben. Ich hatte aber auch keine anderen Freunde. Jedenfalls setzte mir die Situation zunehmend zu, ich heulte mich bei diesen Freunden aus (im Nachhinein nicht die beste Idee), die fanden es irgendwann nervig und erzählten meinem (Ex-)Freund in Amerika davon, wie emotional ich reagiere, was ihn wiederum nervte. Und ich sah mich zusehend isoliert - zum ersten Mal kam der Gedanke, was passieren würde, wenn er nach seiner Rückkehr nicht mehr mit mir zusammen sein wollte. Wäre ich dann aus der kompletten Clique ausgeschlossen?
Dazu kam, dass die eine Freundin, die ich jetzt eher auf meine Seite gezählt hätte, ziemlich intrigant war und in der Clique Lügen über mich verbreitete und irgendwie auch nicht wollte, dass ich mich ohne sie mit den anderen treffe, weil sie jetzt sozusagen meine einzige Tür in die Clique wäre. Es war alles richtig kompliziert und so entschloss ich mich nach einem halben Jahr, selbst ins Ausland zu gehen, und zwar für ein Semester nach Mexiko.
Dort ging es mir zwar ein bisschen besser und ich gewann mehr Selbstvertrauen, aber ich konnte ihn immer noch nicht vergessen. Ich absorbierte quasi seine Facebook-Seite, verschlang seinen Blog, schrieb selbst einen Blog, in der Hoffnung, dass er ihn lesen würde, etc.
Im Spätsommer 2010 war es dann soweit: Wir waren beide von unseren Auslandsaufenthalten wieder da. Ich hatte mich etwas von der intriganten Freundin gelöst, die mir noch während ich in Mexiko war, alle möglichen Dinge vorgeworfen hatte (dass ich mich ständig in den Mittelpunkt drängen würde etc). Sie wollte aber trotzdem weiter Kontakt - ich habe es bis heute nicht geschafft, ihr zu sagen, wie sehr sie mich damals verletzt und im Stich gelassen hat.
Es kam zu einem Treffen mit besagtem Seelenverwandten. Wir erzählten uns von unseren Auslandsaufenthalten. Als zur Sprache kam, wie es jetzt mit uns weitergehen sollte, sagte er nur: Ich finde dich immer noch attraktiv, könnte mir eine Affäre mit dir vorstellen, aber ich bin nicht in dich verliebt. Ich kann mich nicht erinnern, ob ich dem irgendwas entgegnet hatte. Gefühlt haben wir überhaupt nicht über uns gesprochen. Es war halt auch so komisch, weil ich nicht wusste, was über seine Freunde zu ihm gelangt war und ich um alles in der Welt cool bleiben wollte und ihm gegenüber keine Schwäche zeigen wollte.
Da wir dasselbe studierten und irgendwie übereinkamen, dass wir Freunde bleiben sollten, sahen wir uns in den nächsten Jahren immer mal wieder sporadisch. Wir luden uns zu unseren Geburtstagsfeiern ein, schrieben Prüfungen zusammen, erlebten zahlreiche Beziehungen des anderen mit. Nach außen war wohl alles normal, als ob wir nie diese intensive Verliebtheitsphase gehabt hätten. Aber ich glaube, ich muss mir eingestehen, dass ich ihn nie mehr nur als Kumpel gesehen habe und meine Beziehungen, die danach folgten, mussten sich immer an ihm messen.
Als wir das Studium beendeten, hatten wir kaum noch Kontakt, wir hatten uns bestimmt ein Jahr lang nicht gesehen und ich hatte ihn fast vergessen. Nach dem Studium musste ich ins Referendariat (habe Lehramt studiert). Dafür wechselt man meistens nochmal die Stadt (die man sich nicht aussuchen kann). Ich staunte nicht schlecht, als bei meiner Vereidigung als Beamtin auf Widerruf plötzlich wieder ER vor mir stand - wir wurden zufällig demselben Seminar zugeteilt. Natürlich schrie eine Stimme in mir wieder lauter als je zuvor Schicksal! und die ganze Chose begann von Neuem, nur diesmal noch viel krasser, da wir uns im Referendariat jeden Tag sahen und das sowieso eine sehr aufreibende Zeit ist, in der man extrem mit seinen Mitreferendaren zusammenwächst.
Wir waren also im gleichen Seminar, dann auch noch in derselben Clique und die gesamte Clique bestand wirklich aus super Leuten. Er und ich waren die einzigen, die sich vorher schon kannten, und bald fanden die anderen auch heraus, dass wir mal zusammen waren. In seiner Gegenwart versuchte ich eigentlich, mich so normal wie möglich zu verhalten, aber es kostete mich viel Kraft. Natürlich erzählte ich wieder einer Freundin aus der Clique, wie schwer es mir fällt, mit ihm zusammen im Ref zu sein und dass ich mir meiner Gefühle ihm gegenüber nicht sicher bin etc. und das gelangte mit Sicherheit auch zu ihm, aber wir taten immer weiter so, als ob wir ganz normale Freunde wären. Zu Beginn des Refs waren wir beide in einer Beziehung.
Das Ref dauerte zwei Jahre. Gegen Ende war es tatsächlich für mich kaum noch auszuhalten. Meine Beziehung bröckelte stark (Wochenendbeziehung, extremer Druck und Stress im Ref), seine ging schließlich kaputt. In der Zeit, als er dann Single war, bahnte sich etwas zwischen ihm und einer Freundin aus der Clique an (obwohl sie auch in einer Beziehung war) und das war für mich kaum auszuhalten. Ihr könnt euch diese Situation gar nicht vorstellen - das Ref bringt einen eh schon so dermaßen an seine Grenzen, alle stehen in einem Konkurrenzkampf miteinander, aber gleichzeitig wollten wir auch alle befreundet sein, und dann noch dieses ständige Zusammenreißen ihm gegenüber. Die Frage, die in meinem Kopf immer lauter wurde, war: Habe ich ihm jemals dasselbe bedeutet wie er mir? Und hat er eigentlich überhaupt keine Gefühle mehr für mich?
Aber ich traute mich nicht, es anzusprechen, auch weil mir rational eigentlich ziemlich klar war, dass er nicht so cool ist, wie er tut und wie ich dachte, und dass er auch kein Mann ist, zu dem ich aufschauen würde (er ist im Grunde ziemlich faul, ohne Ambitionen, ohne Visionen, also nicht mehr so, wie ich ihn damals romantisiert habe - aber trotzdem konnte ich nicht aufhören, ihn auf ein Podest zu stellen und nervös zu werden, wenn wir alleine zu zweit in einem Raum waren). Durch einen Zufall kam ich später mal ins Gespräch mit einer seiner Ex-Freundinnen, mit der er über drei Jahre zusammengewesen war. Sie meinte, dass er extrem egoistisch sei, sich wie ein kleiner Pascha verhalte, selten über seine wahren Gefühle spreche und absolut unempathisch sei. Dieses Gespräch half mir enorm und als das Referendariat zu Ende war, dachte ich wirklich, das wars jetzt. Jetzt komme ich endlich von ihm los.
Es verging ein halbes Jahr. Ich war mittlerweile verlobt, er wieder in einer anderen Beziehung. Da wir so eine tolle Clique im Ref waren, trafen wir uns alle für ein Wochenende in den Bergen - und schon waren die Gefühle wieder da. Ich bin es einfach so Leid. Ich weiß rational, dass er NICHT der Richtige für mich ist, dass er NICHT verliebt in mich ist, dass ich mit ihm NICHT glücklich werde. Und trotzdem spukt er in meinem Kopf herum. Zum Beispiel träume ich von ihm (immer, dass wir wieder zusammen sind oder er sagt, dass er mich liebt) und fühle mich am nächsten Tag dann richtig schlecht. Oder ich ertappe mich dabei, dass ich alte Lieder von damals höre und das Bedürfnis bekomme, ihm das auf subtile Art und Weise mitzuteilen, indem ich es z.B. in Facebook teile. Oder ich poste irgendwas in Instagram und hoffe, dass er es sieht oder bin enttäuscht, wenn er es nicht liked (sehr kindisch, ich weiß). Es gibt einen Teil in mir, der ihm unbedingt gefallen will und unbedingt seine Bewunderung oder Bestätigung braucht. Gleichzeitig darf ich aber nicht bedürftig wirken. Es ist so anstrengend und ich wünschte, dieser Drang, ihm zu gefallen, würde endlich weggehen!
Versteht mich nicht falsch - ich liebe meinen Mann. Nicht auf dieselbe Weise, wie ich damals ihn geliebt habe (auf diese fatalistische, überromantische Art und Weise), sondern rationaler, wenn man das so sagen kann. Mein Mann ist unglaublich gut zu mir, ich kann mich auf ihn verlassen, er ist immer für mich da - er tut mir gut und ich weiß, dass es eine dauerhafte, stabile Beziehung ist. Es gab halt nicht dieses Drama, das Feuerwerk, das ich damals mit ihm hatte, aber ich bin jetzt alt genug, um zu wissen, dass es für eine stabile Beziehung mehr braucht als Schicksalsgläubigkeit. Ich habe mit meinem Mann auch über die Sache mit meinem Ex-Freund gesprochen, die beiden haben sich kennengelernt; er und seine Freundin waren auch auf unsere Hochzeit eingeladen. Es könnte alles so normal sein - wenn ich nicht so oft an ihn denken würde und es mir nicht so wichtig wäre, was er von mir denkt.
Jedenfalls sind mein Mann und ich gerade im Urlaub, ich habe viel Zeit, um nachzudenken und werde fast irre, weil mir jetzt gerade besonders auffällt, wie abhängig ich noch immer von besagtem Ex-Freund bin. Eigentlich sagt bei jeder Entscheidung, die ich für mein Leben treffe, eine kleine Stimme in mir: Und was wird ER darüber denken? Ich suche Dekoration für die Hochzeit aus - wie wird ER sie finden? Ich wähle eine Location für ein After-Wedding-Shooting aus - wird ER sie besonders genug finden? Ich poste Urlaubsfotos - sehe ich darauf so aus, dass ich IHM gefalle? Er hat mein Bild geliked - mein Tag ist gut. Er hat es nicht geliked - ich bin voller Selbstzweifel.
Ich drehe langsam wirklich durch! Ich fühle mich so, als ob ich mein ganzes Leben nur darauf aufbaue, ihm zu gefallen - und das wegen drei Monaten, die über 11 Jahre zurückliegen! Soll das ewig so weitergehen? Momentan zweifle ich sogar ernsthaft daran, ob ich Kinder bekommen soll, weil ich mir dann denke, dass ich dadurch unattraktiver für ihn werde - obwohl ich rational ja weiß, dass wir nie wieder zusammenkommen werden, und dass ich aufhören sollte, mir mein Leben wegen ihm so zu verbauen. Ich fühle mich so schwach und abhängig und weiß einfach nicht, was ich tun kann, um mich von ihm zu lösen - ohne die Clique aus dem Ref zu verlieren. Denn wir treffen uns alle in regelmäßigen Abständen von ca. einem halben Jahr, sind auch schon wieder auf die nächste Hochzeit eingeladen und ich genieße ja auch die Zeit mit der Clique (zu der er zwangsläufig gehört) total. Ich bin vor, während und nach den Treffen immer total euphorisiert und habe das Gefühl, dass mich das immer sehr glücklich macht (kann allerdings auch nicht ganz unterscheiden, ob ich so glücklich bin, weil ich ihn dabei treffe oder weil es das zusammensein in der Gruppe ist).
Ich könnte jetzt noch mehr erzählen (ich habe ihn vor Kurzem tatsächlich mit meinen Gefühlen konfrontiert, aber das hat es eher Schlimmer gemacht), aber ich glaube, ich habe eh schon viel zu viel geschrieben.
Ich hoffe sehr, dass sich das irgendjemand durchliest und einen Rat für mich hat. Ich möchte diese Stimme endlich aus meinem Kopf bekommen und ein selbstbewusstes, selbstbestimmtes Leben führen
19.02.2020 22:02 •
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