Liebe Leute,
gern möchte ich meine Geschichte mit euch teilen und eure Perspektiven hören. Ich bin gerade so unendlich traurig, weil etwas schönes zu Ende zu gehen scheint.
Vor etwa 2,5 Jahren habe ich einen Menschen kennengelernt, der mein Leben sehr durcheinander geworfen, aber auch sehr bereichert hat. Er ist aus politischen Gründen geflohen und wir haben uns in einer Zeit kennengelernt, in der er sehr uferlos war und meine damalige Beziehung schon ganz abgekühlt. Er war damals gerade einmal ein paar Monate in Deutschland. Wir sind über politische Aktivitäten miteinander in Kontakt gekommen und haben relativ bald über alles Mögliche geredet, uns die Nacht um die Ohren gehauen, hatten viele Gemeinsamkeiten und Gefallen an unserer wechselseitigen Gesellschaft und unseren Ansichten gefunden. Bis hierhin meint man, das könnte eine schöne Liebesgeschichte werden.
Doch die Geschichte wurde durch einige Umstände kompliziert. Wir haben beide von Anfang an mit offenen Karten gespielt: Er ist verheiratet und hat Kinder - in Syrien. Ich hatte noch eine Beziehung, die nach glücklichen Jahren immer enttäuschender wurde. Bald trafen wir uns heimlich und knutschten die ganze Nacht im Park, hatten intensive Gespräche und viele gemeinsame Erlebnisse. Wir verliebten uns und ich beendete meine damalige Beziehung, da ich die Heimlichtuerei nicht mehr ausgehalten habe. Das war eine schwierige Entscheidung, da ich in dieser Beziehung viele glückliche Jahre erlebt habe. Doch es gab keinen Weg zurück. Schon damals wusste ich allerdings, dass seine Familie irgendwann nach Deutschland kommen würde, denn der Familiennachzug war schon beantragt. Mein neuer Freund vermisste seine Kinder und irgendwie hofften wir beide - auch ich damals noch - dass die durch den Krieg getrennte Familie wieder zusammen käme. Trotzdem entschied ich mich für ihn. Diese unbändige Leidenschaft und diese intensiven Gespräche sowie das Vertrauen und das Abenteuer zwischen uns waren einfach unersetzlich geworden. Wir sagten uns, wir machen uns eine schöne Zeit zusammen und dachten, das würde eine Affäre von ein paar Monaten werden. Es war jedoch bald klar, dass wir beide wirklich verliebt waren.
Die Zeit verging und seine Familie kam und kam nicht. Wir trennten uns nicht und zogen sogar zusammen in eine WG. Die Wohnung mit meinem Ex löste ich auf. Wir erlebten unseren Alltag gemeinsam, hatten gemeinsame Bekannte, diskutierten, kochten, tanzten, joggten, stritten und lachten und schliefen miteinander. Alle Bekannten kannten uns bald als Paar. Kaum einen Tag waren wir voneinander getrennt. Im letzten Herbst dann die Nachricht: Der Termin für Frau und Kinder bei der Botschaft kam. Während unseres gemeinsamen Urlaubs folgte dann die erwartete nächste Stufe des Dramas: Das fertige Visum war da. Vor wenigen Wochen folgte dann die Ankunft seiner Frau und der Kinder hier in Deutschland - nach etwa 3 Jahren Wartezeit. Die 2 Wochen vor unserer Trennung wiederum waren furchtbar. Wir schafften es nicht gut, uns aus dem Weg zu gehen und verbrachten unsere Zeit bis zum letzten Tag vor ihrer Ankunft miteinander, liebten und küssten uns wiederholt ein letztes Mal und hassten uns zwischendurch beinahe vor Schmerz, weil wir wussten, dass seine Familie einmal angekommen nicht ohne ihn würde auskommen können und wir uns wohl kaum sehen würden. Seine Frau wusste nicht viel von der ganzen Sache. Sie hatte einmal gefragt, ob es eine andere gibt und er hat ja geantwortet. Danach breiteten sie einen Mantel des Schweigens über diesem Thema aus, der bis heute wohl nur von wenigen spitzen Fragen ihrerseits durchbrochen wird. Er möchte mit ihr reden und alles erzählen, aber wann? Es besteht durchaus die Gefahr, dass sie über Bekannte Genaueres hört, da fast alle in der Stadt und auch Freunde von ihm von uns wissen, aber vielleicht sagt er es nie genauer, wer weiß. Sie jedenfalls ist hier traurig - vielleicht auch deshalb.
Nun sind sie also da und unsere Realität hat sich schlagartig verändert. Der Kontakt ist auf wenige Stunden in der Woche zusammengeschrumpft. Mein Freund ist jetzt 24 Stunden-Papa und schickt mir Bilder von sich und den Kindern. Er ist müde und hat kaum Zeit für sich. Einmal kurz habe ich sie und die Frau am Bahnhof gesehen. Ich habe Hallo gesagt und bin weiter gegangen, um niemanden in Verlegenheit zu bringen und nicht in Ohnmacht zu fallen. Es war von Anfang an klar, dass er die Verantwortung für seine Familie übernehmen muss und ich habe ihn stets darin bestärkt und die Tapfere gespielt. Er wollte mich nicht verlieren, doch es gab keine Lösung. Und jetzt, wo die Trennung Realität ist, ist es alles so viel schwerer. Ich vermisse ihn unendlich und frage mich, wie ich die ganze Zeit so optimistisch und selbstlos davon ausgehen könnte, dass es schon ok werden würde, wenn seine Familie kommt. Ich würde so gern seine Kinder kennenlernen, von denen ich in den letzten Jahren so viel gehört habe und die mir ans Herz gewachsen sind, obwohl ich sie vorher nie gesehen hatte. Jetzt versinke ich in Verzweiflung und frage mich Was hast du dir nur angetan (bzw. wir allen Beteiligten)?
Alles weitere ist eher ernüchternd: Unser Kontakt ist noch nicht abgerissen, wobei er eher derjenige ist, der versucht, ihn zu halten. Ich schreibe ihm nicht (bzw. versuche es), um mich nicht noch mehr zu verletzen und ihm und mir Zeit zu geben, mit der neuen Situation zurecht zu kommen. Aber ich bin ein so wichtiger Mensch für ihn und er will mich nicht komplett verlieren. Ich sei die einzige, mit der er über seine Situation redet, sagt er. Für eine Freundschaft bin ich allerdings nicht bereit, dafür fehlt mir seine Nähe zu sehr. Im Stich lassen will ich ihn bzw. sie aber auch nicht. Die Familie ist seit wenigen Wochen da und es wird Monate bis Jahre dauern bis sie sich hier zurecht finden.Wir haben uns trotzdem getroffen, seit sie da sind - und sind beim ersten Mal prompt miteinander im Bett gelandet. Er hatte schlechtes Gewissen, was mir nach all der gemeinsamen Zeit fast absurd anmutete. Beim zweiten Mal haben wir uns an einem öffentlichen Ort getroffen und lange geredet. Mein lieber Mensch hat allerdings versucht, mir nicht zu Nahe zu kommen. Das hat mich sehr verletzt, war aber natürlich auch verständlich, wenn man gerade versucht, seine Familie bzw Frau wieder kennenzulernen. Beim Abschied habe ich ihm gesagt Ich kann nicht einfach eine Freundin für dich sein, es schmerzt mich zu sehr. Ich hatte das Gefühl, ich muss das sagen und gleichzeitig dachte ich zu früh. Seit unserem letzten Treffen am Freitag war dann Funkstille, da wir uns beide nicht gemeldet haben. Heute hat er aber wieder angerufen und für Morgen ein Treffen vorgeschlagen. Ich war wütend, dass er sich nicht gemeldet hat. Er hat sich entschuldigt. Obwohl ich besser weiß, das ich es lassen sollte, habe ich einem Treffen zugesagt.
Was mache ich nun mit diesen Treffen und mit dieser Perspektive? Ich will keine Affäre sein. Ich will eine Freundin sein, aber befürchte, ich bin nicht stark genug. Ich liebe ihn und mir fehlt seine Nähe. Er liebt mich auch und versucht, es nicht zu tun, was mir wiederum wehtut. Welche Perspektive habe ich bzw. haben wir schon? Nur, wenn seine Frau nicht mehr wollen würde, gäbe es vielleicht einen Weg. Aber die ist hier 100% von ihm abhängig und könnte ihm sogar drohen, die Kinder wieder mit nach Syrien zu nehmen. Oder sie trennen sich nach einigen Jahren, wenn Kinder, Wohnen, Finanzen, Sprachkenntnisse sicher sind. Aber darauf kann ich doch nicht warten! Es ist eine besch. Situation. Mein Verstand sagt: Ich muss vorläufig Abschied nehmen und ihm und mir Zeit geben, um nicht vor die Hunde zu gehen.
Das war meine Geschichte. Entschuldigt, dass es etwas lang geworden ist. Ich hoffe, man konnte sie verstehen. Danke, dass ihr sie gelesen habt und Anteil nehmt!
Herzliche Grüße und gute Nacht!
Segeltuch
28.08.2018 02:05 •
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