Zitat von Rentnerin: nd ich habe immer noch grosse Angst, ihm über den Weg zu laufen.
Das verstehe ich, aber wahrscheinlich hat auch er Angst vor einer Begegnung. Er würde das wohl nie zugeben, weil es sich mit dem männlichen Selbstbild nicht verträgt, aber sicher wüsste auch er nicht, wie er sich verhalten sollte und wie er sich vor allem fühlen würde. Also ist die Angst gleich verteilt. Sich das bewusst zu machen, kann schon hilfreich sein.
Ich traf diesen Mann ja nach der Trennung niemals mehr persönlich, wir hatten eh eine Fernbeziehung. Im Jahr nach der Trennung erschien er nicht auf dem Kongress, der damals in Berlin stattfand. Ausgerechnet Berlin, denn er kannte Berlin gut, hatte da auch bei einer Bekannten einen Stützpunkt. Mein Traum wäre es gewesen, dass er mir mal Berlin zeigte (weil ich es mir ja nicht allein anschauen kann, dachte ich kleinmütig und feige).
Dann hatte ich Bedenken wegen der Größe der Stadt, aber nach einigem Übelegen siegte dann doch nicht meine Feigheit, sondern ein Jetzt-erst-Recht-Gefühl. Wäre ich nicht gefahren, hätte ich mich hinterher geärgert und hätte mich auch beschämt gefühlt, weil ich einfach feige ferngeblieben wäre.
Also fuhr ich und es kam alles anders als gedacht. Er war nicht da und ich dachte mir, dass er wohl einer Begegnung aus dem Weg gehen wollte, Diese Vorstellung gefiel mir sehr gut - wie Du Dir vorstellen kannst, denn es tat meinem lädierten Selbstgefühl sehr gut.
Ich saß auch nicht einsam, allein und verlassen in meinem Hotelzimmer, wie ich befürchtet hatte. Denn obwohl die Trennung fast 10 Monate her war, war ich immer noch damit beschäftigt. Nicht mehr traurig, aber abgeschlossen hatte ich immer noch nicht ganz.
Ich war tagsüber auf dem Kongress und für Abends ergab sich immer etwas. Ich war total überschwänglich als ich wieder heimfuhr, weil ich es mir bewiesen hatte, dass ich es allein konnte und den doch gar nicht brauchte. Ich hatte sogar noch zwei Tage drangehängt. Wenn schon, denn schon. Seither war ich öfters in Berlin und zwar immer allein. Mir gefällt es dort und ich fühle mich auch immer wohl dort. Ich möchte nicht dort leben, aber für ein paar Tage, immer gerne.
Erst im Jahr darauf sah ich ihn wieder und zwar in Hamburg. Und das zu einem Zeitpunkt an dem ich überhaupt nicht damit gerechnet hatte. Ich saß in einem Vortrag, der eher spärlich besucht war im Block auf der linken Seite. Auf der rechten Seite war die Eingangtür. Ich wusste nicht, ob er da sein würde und fragte den Kollegen der neben mir saß, ob er ihn gesehen hätte. Am Tag zuvor war ein EDV-Treffen, auf dem er sicher war, wenn er überhaupt in Hamburg war. Und genau zu dem Zeitpunkt, als ich den Kollegen fragte, geht die Tür auf und wer kommt rein? Er! Ich dachte mir, will mich das Leben verar... ?!? Was ist das für eine seltsame Überschneidung?. Gerade als ich ein Wort über ihn sprach, kommt er daher. Das gibt es doch nicht. Doch, das gibt es.
Das überforderte mich erst Mal total. Herzrasen von jetzt auf gleich, ich spürte, dass mein Magen gefühlt zu einem Klumpen wurde und meine Hände wurden wässrig. Ich hatte totale Stressreaktionen und wäre am liebsten geflüchtet, aber das hätte nur Aussehen erregt. Außerdem hätte er gleich gewusst, dass ich seinetwegen gegangen wäre und das gönnte ich ihm schon gar nicht. Also still sitzen und warten bis die Stresshormone wieder abgebaut wurden.Und ihn gar nicht bemerken.
Zum Ende des Vortrages verließ er fluchtartig den Saal, er war ja auch näher an der Tür gesessen. Ich dachte mir insgeheim belustigt, na, Du warst jetzt wohl auch überfordert und willst einer persönlichen Begegnung aus dem Weg gehen. Er war schon immer feige.
Später sah ich ihn nochmals, weil er an mir vorbei ging. Es war in der Firmenhalle, ich stand nah beim Eingang und unterhielt mich angeregt und lachend mit einer Firmenvertreterin über irgendwas. Und genau zu dem Zeitpunkt sah ich ihn herantrotten, dieses schlenkerige Gangwerk und sein immer maskenhaftes Gesicht. Was um Himmels Willen hatte mich seinerzeit so zu ihm hingezogen?. Wie er daher trottete, wenig Spannkraft und kein Leben im Gesicht. Er lachte nie, er weinte nie, er lächelte allenfalls und in so was hatte ich mich verliebt? Echt jetzt? Ja, er hatte was in mir angesprochen.
Als er vorbei ging, sagte er freudlos Hallo und ich erwiderte den Gruß lachend, weil ich ja mit der Frau lachte. Ich dachte mir nur, meine Güte, es hat sich nichts geändert bei ihm. Er war schon immer so und er blieb so Und seinetwegen hatte ich eimerweise Tränen vergossen. Aber aufgegeben hatte ich mich nie. Dafür bin ich zu stolz. Ich bin mutiger als er, das weiß ich und das in vielerlei Hinsicht.
Aber er ist sehr gescheit, gründlich und mit Sicherheit sehr intelligent. Er hat sich aufgrund seiner immensen Begabung für die EDV einen Ruf in unserer Sparte erworben. Ja, es ist typisch. Er beherrscht die leblose Materie, das liegt ihm, aber alles Lebendige macht ihm eher Angst und bereitet ihm Unbehaben. Ein Mann mit Angst vor Gefühlen.
Ich hatte ihn mal gefragt, wann er das letzte Mal geweint hätte. Er weine praktisch nie, meinte er. Ich sagte, aber vor ein paar Jahren ist doch Dein Vater verstorben, das wird Dir doch nahe gegangen sein?. Er sagte ja. Und ich fragte nicht weiter, denn ehrlich war er auch selten. Er sprach nicht über Gefühle, vielleicht weil er kaum welche hatte. Und ob er beim Tod seines Vaters, mit dem er sein Leben lang Probleme gehabt hatte, überhaupt geweint hat, wer weiß das schon? Er war immer irgendwie lauwarm, aber nie richtig herzlich oder fröhlich oder traurig.Seltsam unbeteiligt und damit das Gegenteil von mir.
Ich dachte mir manchmal, dass er wahrscheinlich auch irgendwie von mir profitiert hatte. Er war eher kalt, ich warm. Und dann profitiert er von der Emotionlät der Partnerin, die ihm das zeigt, was ihm verwehrt bleibt.
Irgendwann war auch das vorbei und wenn er mir jetzt über den Weg läuft, empfinde ich eigentlich gar nichts. Ich denke mir nur, das hätte es zwar jetzt nicht gebraucht, dass er mir begegnet, aber im Grund genommen ist es auch egal. Es löst nichts mehr in mir aus.
Vielleicht geht es Dir mit Deinem Ex. auch mal so. Dass Du ihn siehst und Dir denkst, mit dem war ich mal lange Jahre verheiratet. Was band mich nur an ihn, was fand ich nur an ihm?. Menschen, die einem mal nahe standen, können einem fremd werden. So unvorstellbar das auch ist.
Zieh nur nicht den Schw.... ein vor Angst. Geh raus und irgendwann wirst Du ihm begegnen. Dann sagst Du freundlich lächelnd Hallo und gehst weiter. Worüber solltest Du denn auch mit ihm reden? Ach, wie geht's denn so? Gut und Dir? Ja, danke, super ....
Belanglos und gelogen, das musst Du Dir dann auch nicht geben.
Jetzt steh mal auf, Rücken aufrecht, Schultern zurück und den Kopf bitte aufrecht. Und das übst Du dann eine Zeitlang immer wieder, denn auch Deine Körperhaltung beeinflusst Dein Gefühlsleben.
Wird schon, hab Geduld und nimm Dir die Zeit dafür. Nichts bleibt wie es ist und es wird vergehen.