Liebe Hinundher,
Ich bin so eine Hinundher, und zwar wie in der Position deines Mannes. Ich hatte, obwohl ich meinen Mann bis zum heutigen Tage sehr liebe, vor 6 Jahren eine Affäre mit einem ebenfalls verheirateten Mann. Seitdem gab es mit diesem ein Hinundher. Das heißt, wir hatten immer wieder Kontakt, dann wieder Funkstille. Nach wenigen Monaten flog unsere Affäre auf, damals passierte auch etwas Körperliches. Seitdem nie wieder. Alle weiteren Kontakte waren schriftlich, telefonisch und wir hatten auch Zeiten, in denen wir uns trafen, spazieren gingen oder Essen. Wie gesagt, unsere Partner wussten davon und litten, denn sie waren sich der großen Gefühle zwischen uns bewusst.
Ich hätte gerne eine Freundschaft mit dem Anderen gehabt, ich habe ihn sehr geliebt und tue es noch. Ja, ich liebe zwei Männer gleichzeitig und habe auch keinen Ausweg aus diesem Dilemma gefunden, denn selbst wenn die beiden plus die Ehefrau des Anderen zu einer Hippie-Kommune bereit gewesen wären, so richtig vorstellen konnte ich mir das auch nicht...
Außerdem haben mein Mann und ich einen Sohn, und das ist nun mal ein Gesamtpaket an Geborgenheit und Schönheit einer Partnerschaft, wenn man auch gemeinsam ein Kind großzieht, ein lebendiges Zeugnis tiefer Liebe.
Also haben wir versucht, unseren Partnern so wenig wie möglich wehzutun, und haben uns körperliche Leidenschaften verkniffen. Aber die Gefühle, die wir füreinander hatten/ haben, waren genauso schmerzhaft und haben meinen Mann und seine Frau im Laufe der Jahre zermürbt.
Zwischendurch verließ der Andere seine Frau mal, hatte eine kurze neue Beziehung ( in der Zeit hatten wir keinen Kontakt), und kehrte dann zu seiner Frau zurück.
Das ( vorläufige) Ende vom Lied war, dass es dann meinen Mann erwischte und er sich auch verliebte. Er hatte einige Monate eine Affäre, dann verließ er mich. Seine Reaktion war eher hysterisch, mittlerweile hat er sich da etwas abgekühlt.
Der Andere wiederum verknallte sich auch erneut aushäusig und verließ wieder mal seine Frau, um eine neue Beziehung einzugehen. Diese ist aber auch schon wieder vorbei.
Jetzt sind wir beide Single und haben wieder Kontakt, haben uns aber noch nicht gesehen.
Mit meinem Mann habe ich gerade wieder gesprochen, dass wir uns einfach immer noch lieben. Dass aber so viel passiert ist an gegenseitigen Verletzungen, dass wir an dem Punkt nicht einfach so weitermachen können. Wir können uns nur freigeben.
Wir haben uns schon darüber lustig gemacht, dass wir offenbar ein wenig wie Richard Burton/Elizabeth Taylor sind.
Das gibt es also, liebe Hinundher. Ein Wirrwarr der Gefühle.
Es kann dir durchaus passieren, dass auch du in einem anderen Mann etwas findest, was dir deiner zu geben gerade nicht fähig ist. Das macht eure Beziehung deshalb nicht beliebig. Es hat auch nichts mit der Kälte unserer Wegwerfgesellschaft zu tun, wie es häufig propagiert wird. Die Frage ist eher:
Was ist natürlich in zwischenmenschlichen Beziehungen? Lebenslange Monogamie in einer Ehe? Oder ist es nachvollziehbar, dass wir auch während einer Beziehung in einem weiteren Menschen einen liebenswerten Aspekt finden? Oder sollten wir uns einfach vor Pauschalisierungen hüten?
Ich denke schon, dass dein Mann für dich tiefe, vertraute Gefühle hat. Dass er sein Leben an deiner Seite, als Teil einer Familie liebt. Klar können ihn seine Mitmenschen, darfst du ihn einen Egoisten schimpfen. Du selbst weißt es am besten: wie ist er, wenn er bei dir ist? Aufmerksam, liebevoll? Ist er ein guter Vater? Fühlst du dich wohl mit ihm, könnt ihr gemeinsam lachen, habt ihr euch noch etwas zu erzählen, funktioniert es auch noch im B.ett?
Ich kann mir vorstellen, wie du dich fühlst. Mein Mann hat mir seine Kränkung sehr anschaulich beschrieben, und natürlich hatte ich in all den Jahren große Schuldgefühle. Abstellen konnte ich die Liebe für den Anderen deshalb leider nicht.
Wie du merkst, kann ich dir keinen echten Rat geben. Es ist nur eine weitere Geschichte, die deiner ähnelt, und ich kann nur betonen, dass es selten den Bösen gibt und die Guten, nur den Täter und das Opfer. Selten wollen Menschen bewusst verletzen.
Das Leben ist so bunt, und gerade in einem gewissen Alter stellen wir uns oft die Frage:
Was soll hinein in dieses Leben? Wofür lohnt es sich, hier zu sein? Was bedeutet mir etwas?
Oft lösen die Begegnungen mit anderen Menschen die großen Sinnfragen in uns aus.
Und vielleicht kannst du auch für dich in dieser Zeit die Antworten auf deine großen Lebensfragen finden.
Verurteile deinen Mann und die andere Frau nicht. Selten geht jemand abends ins Bett und denkt sich: wie toll, heute habe ich wieder jemanden verletzt, der mich liebt! Und die wenigsten denken bewusst: mir ist es egal, wie ein anderer fühlt, es geht hier nur um mich, ich, ich, ich! Eher möchten die meisten nicht darüber reflektieren, dass die Handlungen, die sich für sich tun, die ihnen selbst Erfüllung geben, anderen wehtun. Dieser Widerspruch ist schwer auszuhalten.
Wenn du reden kannst mit deinem Mann, dann sprich mit ihm. Höre ihm zu. Versuche zu verstehen. Sei und bleib seine Vertraute. Früher oder später wird der Wegweiser am Horizont erscheinen, der dir sagt, in welche Richtung sich euer Leben entwickeln wird.
Alles Gute für dich, Aprilrose