Lieber Udi,
Es tut mir so unendlich leid, daß Du Dich so fühlst. Wie viele in diesem Forum lese ich Dich gern und würde mir wünschen, daß es Dir nicht so ginge.
Eine beeindruckende Liste hast Du da angesammelt. Und natürlich ist es unglaublich schade, daß sich die nicht anders liest. Da könnte ja auch stehen mit 18 das erste Mal verliebt, mit 22 das zweite Mal. Erstes Haus mit 5 repariert etc. Die ewige Frage der Perspektive, nicht wahr. Aber wenn man ausgebrannt ist, dann hat man eben nur noch eine und die gilt es, da schließe ich mich meinen Vorrednerinnen an, ernst zu nehmen.
Und wie ernst Du die nehmen solltest, möchte ich Dir hiermit gern sagen:
Weißt Du, was mich wirklich traurig gemacht hat an dieser Liste? Was mich so unglaublich besorgt?
Das Du glaubst, daß es einer solchen bedürfte.
Leistungsdenken! Lieber Udi, kein Mensch muß wie Herkules gearbeitet haben, um sich hinterher eingestehen zu dürfen, daß es so nicht mehr weiter geht oder daß er müde ist, weil er es sein darf. Bei Lichte betrachtet, weißt Du genausogut wie ich, daß Depressionen, Burn-out etc jeden treffen können. Absolut jeden. Egal wie gut oder schlecht die im Leben aufgestellt sind.
Damit meine ich natürlich nicht, daß es nicht Ursachen für diese Erkrankungen gibt und ja, Streß ist eine davon, aber hier noch mal, jeder Mensch kann in eine Krise geraten und dafür braucht es KEINE Begründung. Diese Idee, daß so etwas Zeichen einer Schwäche ist und man(n) Gründe bräuchte, um schwach (geschwächt) sein zu dürfen, ist nicht haltbar.
Depressionen sind wie Zahnschmerzen, sie können jeden treffen. Natürlich kann ich mir täglich zweimal die Zähne putzen und immer brav zur Vorsorge gehen, das verringert das Risiko ein wenig, aber es schließt es nicht aus.
Was mich also wirklich besorgt, ist Deine Haltung. Der Glaube, daß Du Gründe brauchst, um ausgebrannt zu sein. An dieser Stelle glaube ich auch, daß Du da ohne Hilfe halt auch nicht einfach wieder herauskommst. Und ich bin mir noch nicht sicher, wie weit Du diesen Gedanken tatsächlich schon angenommen hast. Du sprichst von Therapie, Du sprichst von Tagesklinik aber es scheint ein wenn-dann-Spiel.
Ja die meisten Therapeuten haben Wartezeiten von 6-9 Monaten, aber eine Therapiestunde kostet etwa 70-90 Euro, wenn man sie privat bezahlt. Das ist sicher nicht wenig Geld, aber vielleicht auch nicht so viel oder wenigstens fürs erste machbar und deutlich besser als gar nichts, weil Du die ersten Schritte erarbeiten könntest, in welche Richtung es für Dich gehen könnte.
Ich verstehe, daß Haustiere versorgt werden wollen. Habe selbst welche. Aber denen ist auch nicht geholfen, wenn du für immer ausfällst.
Ich mußte mich mal zu einer OP entschließen, ohne Rückhalt von Familie, aber mit zu betreuenden Haustieren. Dritter Stock, Mietswohnung ohne Lift und Aussicht auf Krücken für eine Weile. Ich hatte keine Ahnung, wie das gehen sollte und das hat mich eine ganze Zeit davon abgehalten, es anzugehen, aber irgendwann merkte ich, daß mich der Gedanke, es auf irgendwann zu verschieben auch nur belastete. Ich wußte wirklich nicht, wie das gehen sollte, dennoch bin ich ins Krankenhaus und hab einen Termin ausgemacht. Drei Tage später hat jemand, den ich nur über drei Ecken kannte, eine vorübergehende Bleibe gesucht. Wir hatten die lustigsten 6 Wochen zusammen. Will sagen, wenn man den ersten Schritt macht, dann finden sich auch Lösungen für all die anderen Dinge.
Lieber Udi,
Depressionen, Burn-out etc sind nicht umsonst auch als Antriebsschwächen bekannt. Das ist das Tragische, um da herauszukommen soll und muß man sich kümmern, obwohl man dafür gar keine Kraft mehr hat. Ich kann Dich an dieser Stelle nur ermuntern und Dir virtuell Energie schicken.
Lieber Udi! Du darfst schwach sein und Du verdienst Hilfe. Nicht weil Du besonders viel geleistet hast, sondern weil Du es unabhängig davon als Mensch verdienst. Es braucht keinerlei Begründung und vor allem braucht es keine Erlaubnis, auch Deine nicht.
Du bist wertvoll.
Fühl Dich umarmt und laß regelmäßig etwas von Dir hören!
31.07.2017 14:52 •
x 4 #39