Tratschke fragt: Wer war´s denn nun?
Lösungen in Spiegelschrift, Hoffmann Campe
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Bis zuletzt immer wieder Ärger mit den Frauen
Ich bin der Politik müde und satt, schrieb der Neununddreißigjährige seinem von ihm bestellten Nachfolger und fuhr zur Erholung in die Schweiz. Aber nicht nur die Politik und Verfolgung von Polizei und Staatsanwaltschaft hatten ihn müde gemacht, sondern auch die Frauen. In den letzten Jahren hatte es da einigen Ärger gegeben, was indessen nicht verwunderlich ist, denn der Kreis seiner Freundinnen war nicht gerade klein. Während er mit einer zwanzig Jahre älteren (und recht wohlhabenden) Frau zusammenlebte, machte er einer seiner jüngeren Gefährtinnen ein Kind, verführte die Frau seines Verlegers, hätte zugleich eine Affäre mit einer anderen Dame der Gesellschaft und unterhielt Beziehungen zu einem Arbeitermädchen und einer Verkäuferin.
Ärger gab es, weil ein Freund jener Verlagsfrau eifersüchtig wurde und ihn zum Duell forderte. Er lehnte ab, mit der Begründung, er sehe im Duell ein bürgerliches Requisit, das gegen seine politischen Prinzipien verstoße. Daraufhin wurde er eines Nachts von seinem Herausvorderer und dessen Freund überfallen. Zwar konnte er die beiden in die Flucht schlagen, aber der Zwischenfall kam an die Öffentlichkeit. Und nun dachte er seinerseits daran, seinen Gegenspieler zu fordern.
Aber zunächst bat er brieflich einen Freund um Rat:
Ich habe das Duellieren stets als versteinertes Überbleibsel einer vergangenen Epoche angesehen und unvereinbar mit den Prinzipien der Demokratie. Doch wenn ich nichts unternehme, könnte man mich der Feigheit zeihen... Der Freund sprach sich gegen ein Duell aus. Und er befolgte den Rat.
Wenig später lernte er jenes Mädchen kennen, das ihm zum Verhängnis wurde. Es kam aus guter Familie und war verlobt. Er sagte.Wir fühlten, wir waren unser Schicksal. Und das Mädchen schrieb ihm:Ich will und werde Ihr Weib sein.
Diesen Brief erhielt er, als er in der Schweiz war. Aber nicht nur den Bief. Die Schreiberin selbst war von zu Hause fortgelaufen, hatte ihre Verlobung für gelöst erklärt, und wollte nun - wie sie es ihm geschreiben hatte - von ihm geheiratet werden. Er aber wollte nicht, sondern schickte sie zu ihren Eltern zurück. Damit hätte die Geschichte zu Ende sein können, zumal das Mädchen ihm jetzt schrieb:In tiefster Reue über die von mir unternommenen Schritte habe ich mich mit meinem Verlobten ... ausgesöhnt und dessen Liebe und Verzeihung wiedergewonnen ... Ich erkläre Ihnen freiwillig und aus voller Überzeugung, dass von einer Verbindung zwischen uns nie die Rede sein kann und das ich mich von Ihnen in jeder Beziehung lossage...
Aber jetzt kam es zum Skandal. Denn er fühlte sich zutiefst getroffen, ja beleidigt. Und maßlos übers Ziel hinausschießend, schrieb er einen Brief an den Vater des Mädchens, sie sei eine verworfene Dirne und es könne deswegen nicht länger seine Absicht sein, sich durch eine Heirat mit ihr zu entehren, und er forderte für die ihm widerfahrenen Beleidigungen Satisfaktion.
Nicht der Vater nahm diese Herausforderung an, sondern der Verlobte. Das Duell fand an einem Spätsommertag morgens um sieben statt, in einem kleinen Wäldchen bei Genf. Man hatte vereinbart, so lange zu schießen, bis einer der Gegner fiel. Für jeden Schuss hatten die Duellanten 20 Sekunden Zeit. Nach nur zwei Schüssen war das Duell beendet. Er war von seinem Gegner, der unverletzt blieb, zwischen den Beinen getroffen worden. An dieser Wunde starb er drei Tage später, noch nicht vierzig Jahre alt.
Wer war's?
29.08.2015 14:32 •
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