Er ist weg.
Vor 3 Wochen einfach zur gemeinsamen Haustür hinausgegangen, mit seiner Tochter und ihrem Schulranzen an der Hand. So ist er nach 6 Jahren aus unserem gemeinsamen Leben verschwunden. Wir haben uns nie wieder gesehen und nie wieder miteinander gesprochen.
6 Jahre komplizierte Patchwork-Beziehung, mit seiner Tochter und meinen beiden Söhnen. Davon haben wir die letzten 3 Jahre zusammengewohnt.
Begonnen hatte es mit einer großartigen Affäre. Dann Beziehung, Nähe, engere Partnerschaft (vermutlich wollte ich das eher als er) und mit unseren Kindern dann Familienalltag.
Im Wechsel grandiose Phasen mit viel Hoffnung, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Den wir verbal beide wollten, im Nachgang war’s dann vielleicht doch nur ich .. Im Wechsel mit Krisen, Krisen, Krisen. Meist von mir ausgelöst, weil ich verstehen wollte, woran ich bin und wo ich stehe. Das mochte er nicht. Das einzige, was er mir versprochen hat, ist – dass er mir nichts versprechen kann. Niemand wisse, was morgen sei …
Auf die Krise folgte enormer Aufschwung. Bis zum nächstenmal…
Vor einem Jahr sind wir in das neue Haus gezogen. Erst war es so schön wie niemals zuvor, nach kurzer Zeit folgte die Ernüchterung.
Beide selbstständig berufstätig, ich recht gut mit eigenem Unternehmen und finanziell eher sorglos. Er seit Jahren in unbefriedigender Freiberuflichkeit (Vollakademiker mit Wunsch nach hohem Image, wobei er das bestreiten würde), finanziell immer knapp oder zu wenig, das alles ohne ernste Zukunftsvision. Enorme Unzufriedenheit bei ihm. Wachsende Unzufriedenheit bei mir, über sein Ausharren seit Jahren und nichts daran ändern.
Ich stemme meinen Job in Teilzeitanwesenheit in der Firma, um mittags bei den Kindern zuhause zu sein, auch seine Tochter eingeschlossen. Abends und wochenends hole ich das Liegengebliebene nach. Er arbeitete eher *hmmm* entsprechend seiner Motivation, stand oft auf, wenn wir schon weg waren, kam nachmittags spontan heim, ging dann wieder oder blieb ..
Teilung der Aufgaben: hätte mir gutgetan und ja, hatte auch den Anspruch dazu. Verbale Bereitschaft seinerseits groß – in der Praxis, wenn er mal nachmittags zuhause blieb und ich beim Arbeiten, kam ich heim, räumte erst mal vom Mittagessen auf, kümmerte mich um nicht gemachte Hausaufgaben usw. Dann habe ich das wieder gelassen. Ähnlich so generell im Haushalt. Teilung der Aufgaben …. Nein, oder nach seinem Lustprinzip.
Zuständig für seine Tochter im Alltag ja. Letztlich zu sagen hatte ich wenig. Meine Regeln (bin da eher konsequent) galten für sie, wenn nützlich. Ansonsten eher nach dem Lustprinzip.
Finanzielle Ausgewogenheit … eher nein.
Gemeinsame Unternehmungen …. Immer weniger. Wenn, dann war ich eher in den letzten Monate alleine unterwegs.
Es kam wie es kommen musste. Das Rad drehte sich, auf Krise folgte Euphorie und dann noch größere Krise.
Ich liebe ihn wie ich noch nie einen Menschen geliebt habe. Auf seine Art liebt er mich auch, das glaube ich noch immer. Auch heute. . … Aber ich musste mir eingestehen, dass das einfach keine Zukunft hat. „Mama, so kann das nicht weitergehen“, so meine Söhne. Im Juli habe ich final die Trennung ausgesprochen. Mich in folgenden Gesprächen nicht auf „du hast/ich habe... usw“ eingelassen. Ganz ruhig und nüchtern – getrennt.
… und dann hat er sich gewandelt. Er flehte mich und uns an, ihm noch eine Chance zu geben. Ich würde sehen, dass ich es nicht bereuen würde. Jetzt – in diesem schweren Moment – würde er sehen, dass das Leben mit mir das einzige Leben ist, das er führen möchte. ….. Ich zauderte, wollte ihm so gerne glauben, konnte es aber innerlich nicht ….. und schaffte es nicht, beim Nein zu bleiben. Gab ihm diese Chance.
Es folgten große Taten, er hat seinen Beruf solide auf die Beine gestellt. Er hat sich im Haus eingebracht, bei den Kids. Es folgten großartige Ferien, lange Sommerferien. Vergessen wurde dabei nur .. ich. Und wieder kamen die ersten Streits.
Am Ende der Sommerferien hat er mit dem Rauchen gehört. Ab da war er nur noch mit dem Rauchen aufhören beschäftigt. Arbeiten … Familie …. Ich …. Alles war unbedeutend. Ungeschickterweise kam dann noch eine Erkrankung hinzu. Er suhlte sich im Opferstatus. …. Nur Er, Er, Er …..
Die Streits wurden verbal immer schlimmer. Viel Alk. im Spiel.
Vor 4 ½ Wochen dann im Streit, spätnachts, dann die größte verbale Eskalation „… wenn Du jetzt nicht ruhig bis, dann knall ich Dir eine…“ Ich habe ihn noch in derselben Nacht um Auszug gebeten. Und blieb auch am nächsten Tag dabei.
Sein Selbsthass ist so groß geworden und ich diene ihm als Ventil. Niemals mehr wäre das etwas geworden. Nicht ohne Hilfe von außen.
Und dann …. Binnen 48 Stunden hatte er eine Wohnung zum Sofortbezug –am anderen Ende der Straße!/wir leben in einer kleinen Gemeinde – gefunden. An sich eine Unmöglichkeit ….? Er wollte bei Beginn der Herbstferien umziehen und wir wollten das – für uns und für die Kinder – gut und anständig durchziehen.
Er kokettiert gern mit dem Status „alleinerziehender Vater“, das bringt Männern unglaubliche Anerkennung in unserer Gesellschaft. Dennoch: wir wohnen seit 3 Jahren als 5-köpfige Patchwork-Familie zusammen. In diesen Tagen habe ich von meinem Hausarzt erfahren, dass er sich im August dort als alleinerziehender Vater vorgestellt hatte (ich war beim Hausarzt wegen Beruhigungsmitteln und erzählte meine Geschichte, erwähnte dabei seinen Namen). Boah, und wieder … Ernüchterung.
Abends dieser Tage dann Provokationen. Ich wollte auf keinen Fall weiteren Streit und bin dem aus dem Weg gegangen. Bis zum Tag vor 3 Wochen. Die Provokation war so unterste Schublade und so schlimm, dass ich innerlich zerplatzt bin. Wollte mich dennoch nicht dazu äußern, ging ins Arbeitszimmer und habe meine Freundin angerufen. Alles erzählt und sie gebeten, mich jetzt unbedingt zu beruhigen. Das klappte und wir konnten auch schon darüber lachen …. Ich war im hintersten Zimmer.
Was ich nicht wusste: Er stand tatsächlich lauschend vor der Tür (mein Sohn erzählte es mir hinterher), so richtig mit Hand um Ohr an der Türe. Und es war ihm irre peinlich, dass ich die (sehr prekäre) Provokation meiner Freundin erzählt habe.
Während meines Telefonates nahm er seine Tochter und ihren Schulranzen an die Hand und ging.
Nach meinem Telefonat kam ich ins Wohnzimmer, meine Jungs waren auf dem Sofa und sagten, die beiden wären gegangen. Wohin? Sie wussten es nicht, er hätte nichts gesagt. Vielleicht Sachen in die neue Wohnung bringen. Es war halb acht abends. Um halb neun dachte ich mir, jetzt könnten sie eigentlich kommen, sie muss ja ins Bett. Und dann habe ich gesehen – Schulranzen weg.
Ich habe ihn angerufen, er ging nicht ran. Auf meine SMS-Nachfrage, ob sie heute nimmer kommen, habe ich die Antwort bekommen, … nein, sie kommen nie mehr.
Und dabei blieb es. …. Ich habe in den folgenden Tagen alleine seinen Auszug getätigt und alles in seine Wohnung bringen lassen. Habe komplett alleine unser gemeinsames Leben aufgelöst. Er hat so getan, als ob ihn das nichts angeht.
Wir haben nicht mehr miteinander gesprochen, uns nicht mehr gesehen.
Ich stehe noch immer unter Schock und kann es tatsächlich nicht glauben. Meine Kinder sind völlig durch den Wind, er hatte eine echte Vaterrolle für sie inne (darin war er großartig). Sie konnten tageweise nicht in die Schule, wollen nicht mal mit zum Einkaufen. Trauten sich nicht mehr allein ins Dorf, um eine Zufallsbegegnung zu vermeiden. Seine Tochter war meine Tochter. Meine Tochter geht zur Tür hinaus – und kommt nie wieder …..
Vor einer Woche habe ich einen großen Schritt auf ihn zu gemacht und ihn kontaktiert. Mit der Bitte, dass wir das besser hinbekommen mit dem Auseinandergehen. Insbesondere wegen den Kindern. Ein Tag lang innige SMS-Kommunikation mit frustrierendem Ausgang. Letztlich brachte er zum Ausdruck, das juckt ihn alles nicht. Wenn ich meine Sicht der Wahrheit ändern würde, könne man ja weiterreden. Ich habe das dann dabei belassen.
Nachträglich habe ich keine Ahnung, wie ich die letzten Wochen hinbekommen habe – stehe in dichtem Nebel. Bin stark, habe alles getan, was man nun so tun kann. Nichts hier erinnert mehr an ihn, das ganze Haus ist verändert (wurde wunderschön), der lang geplante Hund ist auch schon da. Alle beruflichen Verbindungen gekappt, social-network-Freundschaften beendet. Keine Kontakt mehr, es gibt nichts mehr zu regeln. Die Jungs finden das neue Leben jetzt schon großartiger, als die ganzen letzten Jahre. Sie wollten nichts mehr mit ihm zu tun haben. Jeden Tag fahre ich an seiner Wohnung und seinem Auto vorbei, weil er ausgerechnet dahin gezogen ist. Am Anfang habe ich mir starke Medikament verschreiben lassen, hat irgendwie über den Tag und über die Nacht geholfen. Auf Dauer geht das natürlich nicht, die „Karenzzeit“ ist um und ich lasse das jetzt wieder. Der Hund hilft – ich bin nur noch am Spazieren, schon morgens um halb sechs und spätabends um elf.
So ist meine Geschichte.
Ich würde das alles so auf keinen Fall zurückhaben wollen. Und trotzdem fehlt er mir so sehr, er der Mensch, den ich liebe und tief zu kennen glaubte.
Übrig bliebt die Frage: Wie schaffe ich es bloß durch die nächste Stunde. Durch den restlichen Tag. Wie soll morgen gehen.
Habe ich mich wirklich so in diesem Menschen irren können.
11.11.2015 16:22 •
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