Hallo @Aleex ,
Du kannst nur verlieren und zwar nicht nur die Beziehung und sie, sondern vor allem Dich selbst.
Süchtige sind ein Volk für sich und ihr Suchtverhalten springt einem beim Lesen direkt ins Gesicht.
Mein Vater ist (trockener) A. In seiner Hochzeit war ich Teenager und habe alles live mitbekommen. Ich verstehe bis heute nicht, warum eine 14 Jährige ihren Vater kontrollieren muss, wenn er von der Sauftour nach Hause kam um zu schauen, ob er mit brennender Ziggarette eingeschlafen ist (und das ist er auch). Ich konnte ihn aus dem Garten fischen wenn er dort einpennte oder habe ihn schnell reinholen, wenn er die Tür nicht öffnen konnte und die Nachbarschaft deswegen zusammenbrüllte. War er nüchtern machte er einen auf normal inkl. Erziehung und forderte Respekt ein.
Aktuell unterstütze ich einen Bekannten der seit Jahren trocken ist, aber auf Grund von Stresseinschlägen und akuten psychischen Problemen in keiner guten Verfassung ist. Auch hier ist es eine Gradwanderung, denn letzten Endes kann er nur für sich selbst beschließen die Finger von dem Zeug zu lassen.
Ich selbst bin (fast) jahrzente magersüchtig gewesen. Mit etwa 13 ging es los und mit 40 konnte ich es erst überstehen. Ich war eine a-typische magersüchtige. Ich habe nicht gegessen, weil ich mich zu dick fühlte. . .ich habe nicht gegessen, weil Nahrungsentzug eine Bestrafung für mich war, wenn ich in meinen Augen nicht funktionierte.
Ich kenne quasi aus allen Blickwinkeln was es heißt einen Süchtigen in seinem Leben zu haben. Als Tochter, Schwester (mein jüngerer Bruder musste ja auch von mir beschützt werden, zumindest in meinem damaligen Denken), als Freundin, als selbst-Süchtige und auch beruflich habe ich oft Kontakt mit Menschen, die ein Suchtproblem haben. Ich sehe sie dann, wenn der Suizid droht oder bereits geschehen ist, wenn sie absolut am Nullpunkt angekommen sind oder auf dem Weg dahin, wenn sie zum x.Mal eine Therapie abgebrochen haben und dem Leben nicht mehr standhalten können.
Allen ist etwas gemeinsam (wenn die Erkenntnis des Betroffenen NICHT besteht): man kann zuhören, aber nicht aktiv helfen. Ratschläge, Tipps, Verbote, Drohungen (Erpressung). . .bringen. . .nichts. Aber man kann aus dem Spiel aussteigen. Kein Decken, kein Hinterwischen-/räumen, keine Entschuldigungen für andere parat haben, kein Kümmern um Therapieplätze, keine Fahrten zum Arzt. . .kein gar nix! Und erst Recht keine Versprechen abgeben (ich bleibe bei Dir, ich helfe Dir, wir schaffen das zusammen). Einzig: zuhören, die Tür quasi offen halten. Grenzen zeigen und wahren ist das Wichtigste für alle Helfer / Zuhörer . Solange Süchtige nicht selbst und vor allem freiwillig wollen UND eigenständig aktiv werden, steht man auf verlorenem Posten. Ich gehe soweit, dass ich sage, dass alles andere das Problem bzw. die Genesung des Betroffenen nur noch hinauszögert, denn die Verantwortung zu übernehmen, nimmt dem Betroffenen die eigene Verantwortung für sich ab. Ein Teufelskreis.
Ja, es hört sich horrend an. Und das ist es auch! Denn Selbstschutz ist wichtig. Aber sich den Mund fusselig sabbeln: vergebene Müh. Erpressung: wenn Du nicht, dann xyz. . .auch vergebene Mühe. Freundliches , vielleicht auch liebevolles, Fallenlassen/Loslassen ist da angesagt. Nicht aus dem Leben streichen oder Kontakt verweigern, aber klare Spielregeln : kein aktives Helfen wie lügen, decken, Haare beim Kotzen halten, aufräumen, A.mitbringen, Flaschen wegbringen ect., denn das ist Unterstützen des eigentlichen Problems. Selbst wenn die Betroffenen dass auf einmal stationär eine Therapie machen. . .das heißt nur, dass IN EINEM Moment eine Grenze des Süchtigen erreicht war, nicht aber, dass der Wille zum endgültigen Ausstieg wirklich da ist. Meistens jedenfalls nicht. Das kann man mit gesunder Skepsis begleiten, darin verlieren sollte man sich da dann auch nicht. Das heißt noch gar nichts.
Bis Du Dich gesammelt hast, such Dir eine Gruppe in Deiner Gegend. Eine Selbsthilfegruppe für Angehörige wird Dir Unterstützung geben und Dir Möglichkeiten vermitteln. Sie kann Dich vorbereiten, sie kann Dir aufzeigen, dass Du bereits auf dem Weg in die Co Abhängigkeit bist bzw. schon drinnen steckst. Sie kann Dir vermtteln wie Du Deine Grenzen aufzeigst und bewahrst. Und sie kann Dir aufzeigen, dass Deine Liebe zu ihr verlieren wird, denn gegen A. kommt selbst Liebe in den allermeisten Fällen nicht an.
Pass auf Dich auf!
Liebe Grüße
Kerstin
P.s.: Aufrechnungen über A.gehalt sind in meinen Augen primär irrelevant, denn egal in welchen Mengen mit Gewohnheitsgebrauch: es ist immer gefährlich. Und die Berechnungen geben keinen Schlüssel über den Zustand. Ich habe beruflich mit Menschen zu tun, die mit 3,9 Promille weder gelallt haben, noch Koordinationsprobleme hatten. Die Menge sagt nichts über den Suchtgrad auf. Zudem ist Wein oftmals nur der Einstieg. Die harten Sachen kommen ins Spiel, wenn das Schleppen von Weinflschen / Bierflaschen zu auffällig / mühsam wird. Dann wird kombiniert (Wein/B. und Kurzen ect.) oder gleich auf Wodk. oder ähnliches umgestiegen.
29.09.2022 08:49 •
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