Hallo TraurigeSeele,
fühl Dich erstmal ganz doll gedrückt und dann atme mal tiiiief durch.
Es fühlt sich derzeit für Dich so an, als habe Deine Frau über Nacht den Verstand verloren, renne samt Kind mit Siebenmeilenstiefeln von Dir davon und Du spürst nur den Zug, der über Dich drüberrollt und kannst nicht mal mehr von den Gleisen aufstehen.
Es wird besser, versprochen!
Ich erzähl Dir jetzt mal, was ich mir schon nach Deinem ersten Posting gedacht habe, weil für mich alles sonnenklar scheint:
Diese Frau wollte Dich. Mit Haut und Haaren und als Vater ihrer Kinder. Du warst erst zögerlich (hattest nie heiraten wollen) und hast Dich dann doch auf sie eingelassen und Dich langsam geöffnet.
Dann kam aber die Kinderphase. Ein Neugeborenes wirft alles um. Deine Frau muss aus ihrem Job raus und plötzlich ganz allein, ohne Kollegen oder Fachabteilungen, auf die man zurückgreifen kann, einen neuen Job annehmen, den sie nie gelernt hat, nämlich den als Mama. Das wuppt sie ganz gut, nur bleibt im Haushalt was liegen.
Du bist plötzlich Alleinverdiener. Denkst natürlich, die Frau ist doch den ganzen Tag zu Hause und das Baby schläft auch mal. Warum steht das Frühstückgeschirr denn noch abends in der Spüle? Erst nachdem Du (ein ja schon älteres und in die Kita gehendes?) Kleinkind selbst betreut hast, konntest Du nachvollziehen, wie zerfleddert und anstrengend und einsam solche Tage mit Kleinkind sind. Klar, ist es auch schön. Aber eben 24/7 und ohne jede ungestörte Kaffeepause und jeder Tagesplan ist spätestens um 9 Uhr schon wieder umgeworfen.
Was Deiner Frau in den 2 Jahren seit der Geburt (wie war es denn während der Schwangerschaft?) gefehlt hat, war Wärme, Verständnis und das Liebevolle. Ein Freund, ein echter Partner, der auf ihrer Seite steht und an Stellen Kraft und Verständnis zeigt, an denen ihr die Puste ausgeht.
Das warst Du leider nicht für sie.
Stell Dir vor, Du sitzt in Deinem Büro, Deiner Filiale, Deiner Werkstatt den ganzen Tag ohne Rückzugsmöglichkeit. Du bist ganz allein und bekommst eine neue Aufgabe, bei der von vorne herein klar ist, dass sie Dich überfordern wird und Du im Grunde rund um die Uhr erschöpft bist. Diese Aufgabe machst Du ab heute mindestens ein Jahr, eventuell auch die nächsten 10 Jahre. Und ein Mal am Tag kommt Dein Chef rein, sieht nicht die tolle Arbeit, die Du gemacht hast, sondern motzt sofort rum, warum der Boden im Büro so dreckig ist.
Du möchtest es Deinem Chef Recht machen und sagst nichts, sondern versuchst, den Boden am nächsten Tag neben der Arbeit sauber zu kriegen. Klappt aber nicht. Abends kommt der Chef rein und das höchste, was Du von ihm erwarten kannst ist, dass er mal nicht rummotzt, was Du nun wieder alles (neben Deiner Hauptaufgabe) nicht geschafft hast, sondern vielleicht Dich nur anschweigt.
Deine Frau abends liebevoll in den Arm nehmen. Über das dreckige Geschirr lachen. Ihr sagen, wie hübsch Du sie findest. Und dass Du die größte Hochachtung dafür hast, dass sie die zahnende Tochter nicht zwischendurch zur Adoption freigegeben hat. Ihr mal einen ganzen Sonntag wirklich frei zu geben, indem Du ihr die Sicherheit gibst, dass sie sorglos und entspannt einen Wellness- oder Schlafnachholtag machen kann, während Du die Tochter nimmst, ohne Dich nachher zu beklagen. All das wird es bei euch während ihres Elternjahrs wohl nicht gegeben haben.
Und während Deiner Elternzeit haben sich die Rollen getauscht und sie kam abends nach Hause und erwartete ein sauberes Haus und Essen auf dem Tisch? Hat sie etwa genau das getan, was Du getan hast? Und es war Dir nicht recht? Galten für sie als Arbeitende und Dich als Erziehenden etwa plötzlich andere Regeln?
Sie hat Dich in den 2 Jahren also als unzufriedenen, kritisierenden, später dann selbstgerechten und sie ständig zu noch mehr Leistung auffordernden Mann kennen gelernt, der ihr nicht mal Liebe und Wärme (von Verständnis und Entlastung ganz zu schweigen) schenken konnte. Warum, bitte schön, sollte sie mit so einem Mann weiter leben wollen?
Sie hat sich in den 2 Jahren jeden Tag ein Stück weiter von Dir entliebt und Du hast es nichtmal gemerkt.
Klingt hart, aber Du musst wissen, wie Frau ticken, um zu verstehen, warum Deine Frau jetzt erstmal weg ist, was sie weiter weg treiben wird und wie Du sie vielleicht wieder für Dich gewinnen kannst.
Erst als sie alle Tricks, Dich aus Deiner Rolle rauszuholen, ausprobiert hatte und gescheitert war, ist sie gegangen. Und erst als die Tür ins Schloss fiel, ist Dir aufgefallen, dass da was massiv schief läuft.
Bei ihr hingegen sind nach diesem Befreiungsschlag ihre Energien, die sie 2 Jahre lang dazu verwendet hat, neben ihrem Hauptjob als Mama und später auch noch Erwerbsarbeitende, Deinen Ansprüchen zu genügen und von Dir Liebe und Wärme zu bekommen, ohne Erfolg, zu ihr zurück gekommen und sie packt ihr Leben an, regelt die Ämter, leitet die Scheidung ein, kümmert sich weiter ums Kind, geht vermutlich arbeiten und organisiert sogar noch Wochenendausflüge, an denen Du teilnehmen kannst.
Während über Dich gerade der Zug rollt, der seit 2 Jahren auf Dich zusteuerte.
Und natürlich schlägst Du um Dich und sagst Dinge, die komplett kontraproduktiv sind:
Sie habe die Familie zerstört. Hat sie aus ihrer Sicht nicht, sondern nur eine schon längst gescheiterte Ehe und disfunktionale Familie räumlich so sortiert, wie sie es schon lange, lange fühlt, nämlich in 2 verschiedenen Lagern.
Für Dich ist eine Freundschaft nicht vorstellbar. Aus ihrer Sicht ist eine Freundschaft das, was ihr in der Ehe neben vielen anderen Dingen auch nicht mehr hattet. Und was sie sich aber weiterhin mit Dir wünscht. Und Du zeigst ihr gerade, dass sie Dir nicht mal mehr eine Freundschaft wert ist, nachdem Du sie zuvor schon als Mutter, Hausfrau, Ernährerin und Ehefrau entwertest hattest. Wie soll sie denn jemals zu Dir zurück kommen, wenn Du nicht mal mit ihr befreundet sein möchtest und Dich die Sorge um das gemeinsame Kind mehr schmerzt als es Dir ein Grundbedürfnis ist?
Du bist gerade ganz am Boden und tief verletzt und verunsichert und völlig hilflos.
Deshalb: lass Dir helfen, von so vielen Menschen wie möglich.
Und wenn Du wütend und hoffnungslos bist, dann meide den Kontakt zu Deiner Noch-Frau, denn Du könntest den letzten Rest an Verbundenheit, den sie zu Dir spürt, damit auch zerstören.
Wenn Du Dich wieder stärker fühlst, dann kannst Du an Deiner Beziehung zu Deiner Noch-Frau arbeiten. Zeig ihr, dass Du Deiner Tochter ein guter Vater sein möchtest. Zeig ihr auch, dass es dabei nicht nur um Dich und die Tochter geht, sondern stimm die Zeiten, die Du die Tochter siehst, so ab, dass Deine Noch-Frau dadurch entlastet und auf keinen Fall zusätzlich belastet wird. Sag ihr ganz offen, dass Du jetzt verstanden hast, dass die letzten 2 Jahre für sie nicht schön waren und Du ihr kein guter Ehemann warst. Frag sie, was sie sich für ihre Zukunft wünscht und versuch sie darin zu unterstützen, auch wenn das bedeutet, dass Du sie darin unterstützt, erstmal nicht mit Dir zu wohnen und sich ihr eigenes Leben aufzubauen. Wenn sie sieht, dass Du wieder auf ihrer Seite bist, Dir ihr Wohlergehen am Herzen liegt, Du für sie Liebe und Wärme hast und ihr mehr Unterstützung bietest als sie kritisierst und mit Vorwürfen belastest, kann sie ihre Liebe zu Dir wiederfinden und empfindet Dich nicht mehr als Hindernis in ihrem Leben sondern als Bereicherung.
Ich wünsche Dir erstmal so viel Kraft, dass Du aus dem Selbstmitleid heraus kommst und Deine Energie darauf verwendest, Dich selbst aus dem Sumpf rauszuziehen. Dann kommt alles andere, was Du Dir wünschst, auch in greifbare Nähe.
Alles Gute
Bekannte
16.11.2016 11:44 •
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