Liebe Foris,
ich bin sehr glücklich, dass ich meinen Weg zu euch gefunden habe. Was ihr hier habt, haben unsere Ex-Partner nicht: einander. Für mich ist es der erste Foreneintrag überhaupt, doch ich bin überwältigt, wie zahlreich ihr euch hier zusammenfindet und gegenseitig unterstützt. Das ist genau das, woran ich nahezu den Glauben verloren habe: Menschlichkeit.
Wie alle von euch entweder bereits durchgemacht haben oder immer noch aktiv durchmachen, hat mich die Trennung völlig aus der Bahn geworfen. Bis heute, und das bedeutet vier Monate nach der Trennung, fühlt es sich noch immer an wie ein furchtbar realistischer, grauenhafter und Todesangst-einflößender Albtraum an. Wisst ihr, einer dieser Träume, nach denen man aufwacht und glaubt, dass sie tatsächlich passiert wären und erst allmählich zur befreienden Erkenntnis gelangt, dass es nur ein abartiger Albtraum war. Das sind diese wundervollen Momente, in denen man voller dankbarer Erleichterung feststellt, dass so etwas Grauenvolles niemals im wahren Leben passieren könne. Doch diesmal ist es anders: Ich wache nicht auf, ich habe keine erlösende Erleuchtung, nein, ich leide. und leide. und leide. und. naja, ihr ahnt es schon, leide.
Da es ein längerer Beitrag wird (*um Himmels Willen, noch länger?*), möchte ich mich kurz vorstellen: Ich bin 29 Jahre alt und lebe im turbulenten Berlin. Ja genau, man mag es kaum glauben, aber selbst dort gibt es Menschen in Beziehungen, die lieben und lachen. und trauern. Reicht.
Bevor ich die Geschichte erzähle, so möchte ich euch doch wenigstens erzählen, wie es mir jetzt geht: Nach nun gut vier Monaten weiß ich immer noch nicht wer ich bin, was ich will, wohin ich gehen soll, wem ich vertrauen kann und vor allem wie ich loslassen soll. denn ich habe geliebt, mehr als ich in meinem kurzen Leben je in der Lage war. Ich werde regelmäßig in ein tiefes Loch gezogen, ja schon bei kleinsten Erinnerungen an sie. Es ist ein ständiger Kampf zwischen dem ehrgeizigen, neugierigen, humorvollen und optimistischen Ich und dem der Ex nachtrauernden, verletzten und verwahrlosten, hoffnungslosen Ich. Ich habe das Gefühl schizophren zu werden, oder bipolar, oder sagen wir einfach: verdammt launisch, um das mal nicht gleich ins Krankhafte zu schieben. Kennt ihr nicht auch dieses Gefühl, warum es einem in Gottes Namen so schlecht geht, wenn doch eigentlich plötzlich die große weite Welt für einen mit offenen Armen dasteht und sagt: Hier bin ich, frei zu deiner Verfügung, nimm mich, umarm mich, benutz mich, ja du darfst, du durftest schon immer, aber jetzt erst recht!. Hach. Wenn es so einfach wäre, dann schriebe ich nicht diesen Roman und ihr würdet ihn nicht lesen.
Es war einmal ein unerfahrener Junge, der sich Hals über Kopf in eine Sirene verliebte. Nein nein, keine Märchenstunde, kein Roman, sondern die kurze harte Wahrheit: Sie war meine erste Freundin. Wir verliebten uns, als ich 26 war und sie 23. Das war also vor drei Jahren, 2016. Wir zogen nach vier Monaten zusammen in eine Einraumwohnung. Ja genau, ihr ahnt es: Es war eng, aber wunderschön. Wir verschmolzen im wahrsten und übertragenden Sinne. Wir wurden zu einem Kugelmenschen, wie sie es zu bezeichnen pflegte. Nach fast zwei weiteren Jahr in der Wohnung zogen wir sogar wieder um, nun sogar in eine Neubauwohnung mit drei Zimmern, das war Anfang 2019. Ja genau, ihr ahnt es: langfristige Kinderplanung, wir waren noch immer ein Kugelmensch, unzertrennlich, verspielt, verliebt. Bereits vor dem Umzug läutete es hin und wieder im Haus: Tic Tac, Tic Tac, hieß es immer wieder von ihr. Die Antwort auf meine verblüffte Frage, was das bedeuten solle: Na du weißt schooon. Tic Tac halt!, während sie nebenher Hochzeitskleider im Internet als Inspiration durchstöberte. Es war soweit, Anfang 2019, sie hat Pläne für Hochzeit und Kinder, nur ich bin mir bei all dem noch immer unsicher. mein ganzes Leben mit dieser einen Person, die leider seit zwei Jahren bereits Probleme mit ihrer S. hat und wir nur ein mal pro Monat intimer wurden? Ich hatte Zweifel, ich hatte Ängste und ich hatte innige Liebe, Aufopferung, Kompromissbereitschaft, Hingabe und Vertrauen. Was verdiene ich, was darf ich vom Leben erwarten, wie viele Kompromisse darf ich schließen, wann ist es zu viel, wie viel halte ich überhaupt aus? Ich war zutiefst verunsichert.
Dann kam unser beider größtes Abenteuer unseres Lebens. Wir nahmen uns zwei Monate Urlaub am Stück, ab nach Neuseeland, Australien, Fiji, Singapur. im Campervan durch die Wildnis. Es war so schön, wie es sich anhört. Zwei atemberaubende Monate, bei denen der Kugelmensch noch runder wurde und noch enger zusammengeschweißt war als je zuvor. Auch die warmen intimen Momenten wurden intensiver, häufiger, wir waren uns näher. Meine Zweifel schwanden, meine Zuversicht wuchs, ich sah nun die Zukunft vor meinem geistigen Auge, die sie schon vor mir gesehen hat.
Sie erhielt vor Abreise statt zwei sogar vier Monate Auszeit, was sie dazu verleitete, ihren Aufenthalt im Ausland nach unseren zwei Monaten zu verlängern und zwei Wochen in Bali anzuhängen (Bali. diese Insel hat für mich von nun an einen ewig bitteren Beigeschmack, einen Fluch. Eine verfluchte Insel, wohl wissend, dass es nicht Bali ist, welches verflucht ist, sondern diese unaussprechliche Person, wegen der ich euch hier gerade behellige). Ich hatte nur zwei Monate Urlaub bekommen, so musste ich im Anschluss an Australien zurück zur Heimat Berlin und sie alleine nach Bali lassen. Doch ich hatte tiefstes Vertrauen, ich hatte Gewissheit, Liebe, nennt es wie es euch gefallen würde, aber ich hatte keine Zweifel, dass ihr das gut tun würde.
Am Tag unseres Abschiedes in Sydney tanzten wir im Hotelzimmer weinend zu unserem gemeinsamen Liebeslied, hoffnungslos romantisch, und flüsterten uns liebevolle Worte ins Ohr. Ich erinnere mich an alle Details, daran, wie sie so untröstlich traurig war, alleine nach Bali zu müssen. Erinnerungen daran, wie sie sich nicht vorstellen konnte, ohne mich Zeit auf Bali zu verbringen. Ihr und mir war in diesem Moment, Ende April 2019, klarer als jemals zuvor: Wir haben uns gefunden, wir sind der Topf und der Deckel, unsere Bestimmung, unsere Seelenverwandte, unsere Zukunft. Und mir schoss endlich durch den Kopf: Ich werde sie heiraten, und wie ich das tun werde, sobald sie zurück ist. doch dazu sollte es nie kommen.
Jetzt beginnt der schwierigste Teil meiner schmerzvollsten Erfahrung meines Lebens. Der Teil, bei dem ich rastlos beginne durch all die wundervollen Erinnerungen zu blättern, völlig paralysiert feststelle, dass das alles nicht mehr ist und nie wieder sein wird und ich schlussendlich ratlos und völlig entkräftet resigniere.
Die erste Woche nach dem Abschied in Sydney schrieben wir uns wunderschöne Dinge. Es war unverkennbar, dass es ihr dort wundervoll erging. Sie schwebte dort im siebten Himmel, teilte sie mir bei jeder Gelegenheit mit. doch diese Gelegenheiten wurden seltener. Nach dieser ersten Woche meldete sie sich immer weniger. Wenn sie sich meldete, dann kurz und kurz angebunden. Meine erste schmerzhafte Erinnerung begann am Tag 8 ihres Bali-Aufenthaltes, als sie von einer Bierpong-Feier im Surfcamp mit all diesen wundervollen Menschen erzählte, die alle so sind wie sie und gleiche Schicksale mit ihr teilten (unglücklich auf Arbeit, unsicher über ihre berufliche Zukunft). Ein Teil von mir war sehr traurig, dass er nicht dabei sein konnte und diese wunderschönen Erfahrungen mit ihr teilen konnte. Der andere Teil war verängstigt, verunsichert und in Sorge. Verlustangst stellte sich ein. Und sie wuchs, denn an dem Abend hörte ich nichts mehr von ihr. Auch die darauffolgenden Tage keine vibrierendes Handy.
Doch dann ein kurzes Lebenszeichen, matt, steril, karg, emotionslos. Heute weiß ich: Das war nicht kurz angebunden, das war wahrhaftig emotionslos. Doch damals versuchte ich mir einzureden: Es sind erst 10 Tage, mensch, so schnell passiert nichts Verrücktes, ihr seid so ein unfassbar glückliches Paar. Denk keinen Unsinn, eure Liebe ist stärker als das. Und Gottverdammt, es sind erst 10 Tage. Hab Vertrauen, hab Vertrauen auch darauf, dass sie die Dinge anspricht, die sie verunsichern, die sie zweifeln lassen, wenn es denn überhaupt welche gibt. Alles wird gut, du wirst sehen.. Doch meine Ängste wuchsen exponentiell an, ich war rastlos, verloren. Ich suchte verzweifelt nach Bestätigung, ich fragte sie, ob sie etwas bekümmert, schrieb ihr, dass ich sie vermisse und liebe. Doch alles was ich erhielt waren fortan nur kurze Statusberichte, keine Erwiderungen meiner Zeichen der Zuneigung und Fürsorge. Ich wurde ignoriert, wurde zur Seite geschoben, und das spürte ich mit voller brachialer Gewalt in meiner Brust. Panikattacken machten sich breit. Ich war hilflos verunsichert, ich wusste nicht, wie mir geschieht.
Oh Gott Foris, es ist bereits so eine lange Geschichte, und doch habe ich noch so viel vor mir. Bitte verzeiht meine ausschweifende Erzählweise, bitte habt Geduld mit mir. für mich ist das hier gerade ein sehr reinigender Prozess, der mir sehr viel bedeutet. und der mich sehr berührt. Diese Geschichte in einem derartigen Detailgrad wieder zu durchleben tut sehr weh. ja, nach vier Monaten spüre ich noch immer die volle Wucht des Schmerzes und der Enttäuschung, des Schocks, des Realitätsverlustes, als wäre es gestern gewesen.
Zwei Tage vor ihrer Rückreise: Meine Angst hat ein unerträgliches Level erreicht. Ich brauche Gewissheit, ich verdiene Gewissheit. Ich bitte sie, sich bitte endlich zu erklären. Sie erklärte sich. Sie glaubt, sie wird Abstand von mir brauchen. Sie fühle sich in Bali wohler als jemals irgendwo oder irgendwann in ihrem Leben zuvor. Sie wisse nicht, was der Ort mit ihr gemacht hat, doch sie müsse dorthin zurück. ohne mich. Sie wolle mit mir persönlich darüber reden, sobald sie zurück sei, deshalb hätte sie die letzten Tage geschwiegen.
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Sie kam zwei Tage später zurück. Doch das war nicht meine Partnerin, die ich heiraten wollte. Sie hielt Distanz, ertrug meine Umarmung nicht, ertrug meinen Versuch sie zu streicheln nicht. Für mich saß auf der Couch die Person, mit der ich vor zwei Wochen noch weinend tanzte. die ich über alles liebte. Doch diese Person empfand nicht annähernd das Gleiche in diesem Moment. Für sie war ich ein Fremder auf der Couch. Es wirkt noch heute absurd, grotesk, obskur, widerwärtig, kafkaesk. Es gibt nicht genügend Worte, um meine Gefühle in jenem Moment wahrheitsgetreu wiederzugeben. Ist das real? Ist das echt? Bitte wach auf, lass das nur ein furchtbarer Albtraum sein.
Ich fragte sie vieles, vor allem, wie das sein kann. so schnell, so unfassbar schnell, so grundlos, so unverständlich, so unmenschlich. Waren all die drei Jahre intimste Zweisamkeit und Kugelmensch nicht genug? War ich nicht genug? Was habe ich falsch gemacht? Woran liegt es? Wie kann Bali dich so verändern? Bitte erklär dich, bitte lass es mich verstehen. Ihr kennt das alle, diese komplette Hilflosigkeit. Sie sagte mir etwas: Sie sei fremdgegangen (#Tag8Bierpong. ). Sie wisse nicht, wie das passieren konnte, sie war wie verwandelt, ein anderer Mensch. Sie erkenne sich selbst nicht wieder. Dann begann sie zu weinen, fürchterlich zu weinen. Sie sagte so furchtbare Dinge wie: Sie würde in die Hölle kommen, dafür dass sie dem wundervollsten Menschen ihrer Welt so etwas antun konnte. Sie wisse nicht mehr, wer sie sei. Was habe sie nur getan, fragte sie. Sie weinte bitterlich. Und dennoch: Sie fühle nicht mehr das gleiche für mich. Sie brauche eine Auszeit. Sie könne sich vorstellen, eventuell, irgendwann wieder mit mir zusammen zu kommen, wenn sie sich selber gefunden hat.
Für mich war zu diesem Zeitpunkt bereits sofort klar: Das hier ist nicht die Frau, die ich liebe. Das ist nicht die Frau, für die ich alles hinschmeißen würde, mit der ich ans andere Ende der Welt gehen würde. Das hier ist. es ist. eine andere Person. Ich weinte täglich, morgens, abends, tagsüber. ich habe noch nie so unheimlich viel salzige Flüssigkeit über meine Augen verloren. Sofort zog ich noch am selben Tag aus, denn ich ertrug ihre Präsenz nicht und all diese Möbel, die wir vor der Reise für diese neue Wohnung voller Vorfreude und Aufregung besorgt hatten, ja die konnte ich auch nicht mehr sehen. Alles wirkte falsch, wertlos. Die farbigen Wände, die wir uns aufwändig zusammen ausgedacht hatten. Es ist so schmerzhaft in Angesicht der Trennung.
Ich wollte weg, weit weg, raus aus Deutschland, rein in den australischen Busch. Ich wollte von allem weg, fliehen, dieser unfassbar traurigen Welt, die derartige Menschen hervorbringen kann, den Rücken kehren. Notfalls als Eremit in der Wüste Australiens den Rest meines Lebens verbringen. Ein Impuls, ein Schockzustand, ein Affektgedanke.
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Diesen Text schreibe ich nun nicht aus der Wüste Australiens, sondern immer noch aus dem schönen Berlin. Ich habe mich sehr wohl für ein Stipendium in Australien beworben und ich werde dort definitv zurückkehren, sei es über das Stipendium oder über einen anderen spannenden Weg. Ich habe viele wunderschöne Dinge erlebt, ohne meine ehemalige Partnerin. Und dennoch: Kaum vergeht ein Tag ohne Schmerz, ohne Trauer, ohne Niedergeschlagenheit. Mir fehlt es seit jenem unaussprechlichen Ereignis (nun ist es ausgesprochen) an Vertrauen in andere Menschen. Ich sehe überall nur noch Enttäuschungen. Ich sehe in Frauen nur noch unberechenbare Sirenen, die ihre Beute jederzeit töten können, im übertragenden Sinne. Ich wünsche mir ein Weg aus der Dunkelheit. Ein Weg zurück ins Licht, voller Hoffnung, voller Vorfreude, voller Humor und voller Tatendrang und Lebensfreude. Doch mir fehlt die Liebe, mir fehlt die Zuneigung, mir fehlt die Nähe zu einer Frau so sehr.
Ich weiß, dass ich viel Liebe zu geben habe. aber ich habe den Glauben verloren, dass es jemals eine Frau geben wird, die diese Liebe auch für mich empfinden kann, bedingungslos, unerschütterlich, aufrichtig. Ich bete dafür, dass es sie gibt, aber ich habe Angst, große Angst vor der Zukunft. .
18.09.2019 15:26 •
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