Zitat von Melydia:Aber warum sollte er dann überhaupt mir sagen,dass er liebt,vermisst,Angst hat....er bräucchte es nicht zu tun!Er bräuchte nichts von all dem zu tun..nichts...und doch kommt er regelmäßig,sagt,dass ich wichtig bin,usw.er bräuchte es nicht...könnte einfach seine Sachen holen und weg....andererseits projeziere ich das alles vielleicht viel zu sehr auf mich?Ich als Ausgangspunkt?Vielleicht gibt es einfach einen oder mehrere Hintergedanken?
Hallo Melydia,
Er hält mit seinen Hintergedanken doch überhaupt nicht hinter dem Berg, sondern äussert sie sehr deutlich. Neutral formuliert hat auch er einen Traum, wie es mit Euch weitergeht.
Ich versuche, es jetzt mal bewusst nicht wertend zu formulieren. Sein Traum sieht in etwa so aus: Er darf zwei Leben leben.
Das eine Leben dient seiner neuen Männlichkeit. Dort ist er ungebunden, hat Partys und ist s.uell engagiert.
Das andere Leben beruhigt seine Ängste. Es erfüllt sein Bedürfnis nach einem sicheren Hafen und danach, ein ehrenwertes Mitglied der Gesellschaft zu sein. Wer könnte dieses Bedürfnis besser erfüllen, als seine langjährige, vertraute Verbündete ? Er ist auch bereit, ein paar Dinge dafür zu tun, damit ihm dieses erhalten bleibt. Er finanziert den Alltag und erbringt gelegentlich kleine Dienstleistungen. Er wünscht sich, dass Du ihn dafür wertschätzt.
Da er nicht dumm ist, sieht er, dass dies nicht funktioniert. Aber er hält an seiner Vorstellung fest, genauso wie Du an Deiner. Weil ihm seine ebenso elementar wichtig ist, wie Deine Dir. So schräg und unmöglich sein Traum auch ist.
Warum er Dir sagen sollte, dass er Dich liebt, vermisst und Angst hat ? Nun, weil es so ist. Nur, dass er unter dem Wort Liebe etwas ganz anderes versteht als Du. Offensichtlich meint er damit eine
Liebe ohne Begehren.
Vermutlich verspürt er sogar noch immer den Wunsch, er könnte Dich glücklich machen. Nur gibt es in seinem Leben inzwischen noch größere Wünsche, die in krassem Gegensatz dazu stehen. Dass ihn dies alles beängstigt und auch er die alten Zeiten vermisst ? Naja, wie könnte es anders sein, nach 22 gemeinsamen Jahren mit einer so tollen Frau wie Dir.
Du meinst, so toll könntest Du nicht sein, wenn er Eure Ehe riskiert. Er dürfte Dich doch weiter haben. Er bräuchte nur, das andere Leben bleiben lassen. Er bräuchte nur Dir eine Chance geben, für ihn beides zu sein. Du machst einen Denkfehler. Für ihn ist dieses nur eben kein nur, sondern er empfindet dies als den Kern seiner Identität als Mann. Und ganz offenbar hat er da in sich selber was vermisst. Sonst würde er nicht so dermassen austicken.
Ich glaube, Partys sind nur die Oberfläche. Der Schlüssel liegt da, wo er sagt, dass er kein Weichei mehr sein will. Mann und Weichei - Das ist ein tiefes Identitätsproblem. Es spielt sicher eine Rolle, dass ihm ein guter Vater, ein gutes männliches Vorbild fehlt. Er weiss nicht, wie das richtig geht. Er weiss im Grunde nur, was er alles nicht will.
Du hoffst, ihr könntet die Probleme gemeinsam lösen. Von aussen betrachtet, weiss ich nicht, ob das geht. Es gibt zwischen Euch eine eingespielte Struktur. Er sagt: Du warst sein Schirm. Du sagst: Du hast die Probleme gelöst. Ich schätze, keiner von Euch beiden hat sich darum gerissen, dass es so gelaufen ist. Doch ihr habt es so gelebt. War ja auch ok. Solange es für beide passte. Und doch hat diese Struktur was von Mutter und Sohn.
Die Prozesse zwischen Euch sind weit fortgeschritten. Man kann die Zeit nicht zurück drehen. Ihr habt es lange beide so gut gemacht wie ihr eben konntet. Wenn er Dir sagt, dass Du eine tolle, begehrenswerte Frau bist, dann sieht er Dich auch so. Du sagst selbst - er setzt seinen neuen Stolz darein, Dich nicht zu belügen. Doch ein Mann kann eine Frau auch attraktiv finden, ohne dass sie sein eigenes Begehren weckt. Vor allem, wenn er dieses bereits auf eine andere richtet.
Wenn es überhaupt noch eine Chance gibt, sein Begehren neu zu entfachen, dann sicher nicht, indem Du quasi darum bettelst. So funktioniert das nicht. Ob es sinnvoll ist, ist nochmal eine andere Geschichte.
Ich habe jetzt sehr vieles über ihn geschrieben. Nichts davon soll sein Verhalten entschuldigen. Es gibt keine Entschuldigung dafür. Maximal ein paar Erklärungen. Wichtiger als das bist jedoch Du. Du hast es ganz richtig gesagt. Du bist die Schlüsselperson. Doch Du schaffst es noch nicht zu tun, was Du im Grunde vermutlich selber als nötig erahnst.
Du schreibst, dass bei Dir tiefe alte Verlustängste hochkochen. Ich wünsche Dir sehr, dass Du es schaffst, diese fest in den Blick zu nehmen und zu hinterfragen. Damals warst Du zu jung, um Dich selber zu schützen. Heute bist Du eine gestandene Frau, die sehr vieles im Leben gewuppt hat.
Heute bist Du in der Lage, Dich zu schützen und für Dich zu sorgen. Du musst nur noch lernen, daran zu glauben und Zutrauen zu Dir selber zu fassen. Du kannst auch ohne ihn ein gutes, erfülltes Leben führen. Er weiss das. Nur Du noch nicht.
Liebe Grüsse