Liebe Nadja,
ich hab jetzt ewig mitgelesen und möchte mittlerweile dann doch etwas dazu sagen. Unpopulärerweise hau ich jetzt mal einen raus: Ich denke, da läuft nichts und du tust gut daran, davon erst einmal auszugehen.
Ich persönlich bin ein Mensch, der gern ein bisschen flirtet, auch innerhalb einer Beziehung (wobei ich mit flirten kein forciertes Baggern meine, sondern eher gern Interesse an meinen Mitmenschen zeige und ihnen gern offen kommuniziere, wenn ich sie toll finde). Wenn meine bisherigen Partner damit ein Problem hatten, hab ich offen kommuniziert, dass ich das lasse, wenn mein Partner das nicht packt, dass es aber keinen Grund zur Sorge gibt. Je mehr mir mein Partner diese Freiheiten gelassen hat, desto mehr Mühe hab ich mir gegeben, ihm zu zeigen, wie sehr ich ihn liebe und dass er außerhalb jeder Konkurrenz läuft. Je mehr Vertrauen von meinem Freund, desto weniger Grund hatte er, sich Sorgen zu machen.
Die Kollegin deines Mannes könnte auch so sein. Oder sie ist es eben nicht. Dein Mann ist völlig anders und erinnert mich eher an meinen Freund - eher verschlossen, ruhig, kein Freunde-Typ. Und mein Freund würde die Welt nicht mehr verstehen, wenn er mir noch nie einen Grund zum Misstrauen gegeben hätte und ich ihm plötzlich nicht mehr vertrauen würde. Bitte versteh mich nicht falsch, ich verstehe dich! Ich denke nur, du hast zwei Möglichkeiten:
Entweder, es ist der Startschuss einer emotionalen Affäre - dann kannst du nichts tun, um es aufzuhalten. Also, seriously, nichts. Wer Unfug machen will, der macht ihn. Vor diesem Hintergrund lassen sich natürlich alle Indizien sehen, die du bisher erzählt hast.
Oder, und auch das passt: Die neue Kollegin ist ein bisschen wie ich und meint alles, was sie sagt, ganz genau so, wie sie es sagt. Dann ist das kein vorsichtiges Grenzen ausloten, sondern offene Zuneigung. Und viel wichtiger: Dein Mann, dessen Hey, wir treffen uns jetzt auch privat ihm bisher als mangelnde Empathie dir gegenüber ausgelegt wurde. Ich sehe da das Gegenteil. Er hat deine Bedenken gehört, versteht nicht, wieso er eine endlich mal aufkeimende Freundschaft gleich wieder bleiben lassen soll, und sucht nach einer Lösung. Du hast gesagt, man könnte ja mal zusammen essen. Und er sagt: Das, so früh, ist übertrieben. Ich taste mich langsam heran. Wir treffen uns mal zu zweit privat. Und wenn das passt, wenn das lohnt, wenn wir wirklich Freunde werden könnten, dann kannst du sie gern mal kennenlernen, ich hab dir zugehört, du möchtest das, ich kann dir zeigen, dass du keine Angst haben musst.
Sei vertrauensvoll, dafür habt ihr geheiratet, und bleibe, so schwer das ist, pragmatisch. Behalte das Ziel im Auge und was du an ihm liebst. Nicht schlecht finde ich die Ansage, die schonmal vorgeschlagen wurde: Ich bohre nicht mehr nach, und ich freu mich für dich. Aber wenn ihr was miteinander anfangt, bin ich weg. Ich vertrau dir, dass du das verhinderst.
Ich hab nie nen Partner betrogen. Aber in die, die mir ihr Vertrauen geschenkt haben, hab ich mich immer wieder neu verliebt und jede noch so kleine Faszination für irgendwen anders wurde im Keim erstickt. Und das hat für mich nichts mit Taktik zu tun, sondern mit dem simplen Gedanken, dass es viele tolle Menschen auf der Welt gibt, und der Partner ist eben der Beste
Ich wünsch dir viel Besonnenheit und Vertrauen. Ich glaube, wenn du ihm diesen Vorschuss noch einmal geben kannst, wird er dich noch mehr anhimmeln als vorher.