Hi Roselin,
du hast mich gebeten dein Thema anzusehen und dir dazu etwas zu schreiben. Alles habe ich aufmerksam gelesen. Ich bin ehrlich: es ist mir nicht möglich meine Gedanken und Gefühle hier zu kommunizieren ohne dich (vermutlich) zu verletzen. Allerdings glaube ich, dass du das jetzt am wenigsten brauchst.
Weder bin ich hier, noch im echten Leben für meine diplomatische Art bekannt. Wofür ich aber bekannt bin, ist meine sehr klare und sehr direkte Kommunikation, da ich ein Mensch bin, der unmissverständlich kommuniziert. Wir mir zumindest oft gesagt.
Ich bin Profi beim Thema Angst, ich habe eine Depression erfolgreich absolviert (so sehe ich das heute) und ich kenne massiven Liebeskummer - dummerweise all diese drei Dinge gleichzeitig.
Wie oben beschrieben, möchte ich nicht auf deine Situation oder auf deinen Ex eingehen.
Eher möchte ich dir sagen, was mir geholfen hat in einer Zeit, die wirklich übel war und weswegen ich deine derzeitige Welt sehr gut verstehen kann: vertraue auf die Zeit.
Nein, das wird kein Zeit heilt alle Wunden-Gesabbel. Mir hat es geholfen, mir vorzustellen, wo ich in einem Jahr sein werde, wie ich mich fühlen werde und was bis dahin alles passiert bzw. passieren kann.
Ich habe meine Erkrankung als Projekt gesehen. Etwas, was ich ändern möchte und ich habe sie nicht bekämpft- das war rückblickend sehr wichtig für mich. Heute sage ich sogar, sie war ein Geschenk. Warum? Weil ich so viel über mich, Zwischenmenschlichkeit, Persönlichkeitsentwicklung, Emotionen und Ratio gelernt habe, wie ich hätte wohl nie ohne erlernen können.
Dein großes Problem derzeit ist vermutlich, deine Ratio mit deinen Emotionen zu synchronisieren. Du weißt was richtig und was falsch in deiner Situation ist, aber dein Bauch sagt etwas anderes.
Versuche mal folgendes, auch wenn es etwas Eso klingt. Probiere es bitte einfach aus - klappt selten beim ersten Mal, also nicht entmutigen lassen: setze dich hin, ohne Ablenkungen und versuche einen inneren Dialog zwischen Kopf und Bauch zu führen bzw. ihn zu moderieren. Was sagen deine Gedanken zu deiner Situation? Danach fragst du, was dein Bauch dazu sagt. Frag deinen Bauch, also deine Gefühle, was sie brauchen und nimm sie an. Bekämpfe sie nicht. Wenn Panik und Angst da sind, erlebe sie sehr bewusst und spüre, was sie mit deinem Körper machen. Du wirst beim bewussten Erleben merken, dass die Angst vor der Angst eher schlimmer ist, als das was du wirklich in diesem Moment empfindest. Spüre, wie die Welle über dich hereinbricht aber auch wie sie abklingt - das wird sie, das garantiere ich dir, denn der Körper kann nur kurz diesen Zustand wirklich aushalten. Schau auch dann auf das nachfolgende Gefühl, diese Erleichterung, das Gefühl des Erfolges und der Beruhigung, dass du es geschafft hast.
Vermeide nicht - das nährt die Angst nur und macht sie stärker.
Was mir als Ventil auch gut geholfen hat wenn die Gedanken sehr dunkel waren: singen! Nicht irgendwas trauriges. Sondern schöne Lieder, oft waren es Volkslieder bzw. Volkslieder anderer Kulturen.
Eines hat mir eine Patientin damals gesagt, als ich grade in der stationären Therapie angekommen bin. Ich war nur ein paar Stunden dort und sie war zwei Tage vor der Entlassung: sieh deine Erkrankung wie einen Hund an. Ihr könnt voneinander lernen, wenn ihr euch annehmt und respektiert. Wenn du aber deinem Hund, der dich bei Gefahr beschützt und dein Begleiter ist, keine Aufmerksamkeit schenkst, ihn nicht fütterst und pflegst, wird er dich beißen. Bist du aber eben gut zu ihm, wird er für dich da sein, dich schützen und dich mit Energie erfüllen.
Dein Projekt, liebe Roselin, das bist du - nicht dein Ex. Du erwartest etwas von einem anderen Menschen, was du selbst nicht kannst: dich selbst zu lieben.
Es gibt hundertprozentig genug Dinge an dir, die liebenswert sind. Vertrau auf diese Seiten. Wisse um die Seiten, die nicht so schön an dir sind, aber die dich trotzdem zu dem Menschen machen, der du bist.
Und denke immer an Epiktet: wer ein besserer Mensch werden will, muss bereit sein, für dumm und närrisch gehalten zu werden.
Also, probiere dich aus, probiere mal meine Tipps aus, ob das was für dich ist und verstehe, dass du nicht alleine bist. Es gibt mehr Menschen wie dich und mich. Allerdings zeigen es viele nicht, sondern nur, wenn du dich selbst zeigst.
02.02.2021 22:39 •
x 11 #129