Es ist Maries Geschichte... sie hofft, dass ihr ihr helfen könnt. (Auch wenn die Geschichte sehr lang ist)
DER ANFANG
Um Maries Geschichte zu verstehen, um zu verstehen was mit ihr passiert ist, warum sie sich selbst verloren hat ist es wichtig, ihre ganze Geschichte zu kennen, auch wenn manches Unwichtig ernscheint, so ist jedes Detail wichtig, denn deshalb wurde sie zu dem Menschen der sie heute ist, deshalb kam alles so, wie es gekommen ist.
Marie erblickte als kleiner Wassermann im Februar die Welt. Auf dem Land geboren erlebte Sie eine Kindheit, von der sicher manch einer träumt. Ihre Eltern lebten zusammen, die Großeltern wohnten direkt neben an, sie hatte eine große Schwester, bekam mit 5 noch einen Bruder geschenkt und konnte die Vorzüge des Landlebens genießen. Eine normale Kindheit, eine normale Jugend mit all Ihren Höhen und Tiefen, mit Liebesgeschichten und Liebeskummer, mit Streitereien, dem ein oder anderen Gefühlschaos, Siegen und Niederlagen, mit Festen und Feiern, dem Schulstress… eben mit allem was dazu gehört.
Marie war eine aufgeweckte, lebensfrohe junge Dame. Sie war kreativ, mutig, zielstrebig und aufgeschlossen und durchaus auf Ihrer Schule beliebt. Mit 17 lernte Sie auf einer Skifreizeit der Schule „ihre Jungs“ kennen, wurde Sängerin in deren Band und genoss das Leben in vollen Zügen. Unter den „Jungs“ war auch Glen. Er war unscheinbar, ein kleiner Junge eben – aber er wurde wie auch die anderen ein guter Freund von Marie. Bis in das darauf folgende Jahr. Es passierte wieder auf Skifreizeit. Es war ein Abend wie jeder andere; nach dem „offiziellen Teil“ traf man sich bei den Mädels im Zimmer, es wurde getrunken, gespielt und gelacht – aber auch gestritten – vor allem Marie und Glen gerieten in einen Disput – worum es genau ging weiß niemand mehr so genau – wahrscheinlich ist es auch unwichtig, denn so groß die Diskussion auch war, plötzlich waren die beiden sich ganz nah und küssten sich. Wie das in jungen Jahren so ist – die Hormone spielten bei beiden völlig verrückt, plötzlich waren da Schmetterlinge im Bauch und Marie begann ab diesem Zeitpunkt Glen mit ganz anderen Augen zu sehen.
Über die restlichen Tage hinweg suchte Marie immer wieder die Nähe von Glen – was sich durchaus als schwierig erwies, denn im Gegensatz zu ihr war Glen sehr unerfahren, was Mädchen und Beziehungen usw. anging und demnach auch sehr schüchtern. Aber immer wieder wurde wild geknutscht und ein bisschen Zweisamkeit genossen.
Wieder zu Hause in der Heimat angekommen wusste keiner von beiden so genau, was das nun zwischen ihnen war. Aber sie verabredeten sich zum Musik-DVD schauen. Die Musik war es nämlich, die beide miteinander verband. Glen war mittlerweile 18 und hatte seinen Führerschein. Er holte Marie an einem Sonntagmittag von einem Tanzauftritt ab und sie fuhren zu ihr. Maries Eltern kannten Glen natürlich schon, immerhin waren die beiden schon seit einem Jahr miteinander befreundet. In Ihrem Zimmer legten sie die Musik-DVD ein. So richtig daran erinnern konnten sich beide daran am Ende nicht mehr – denn wie man es ebenso als verliebter Teenager macht, wurde die ganze Zeit nur wild geknutscht.
Die Schule fing wieder an – und beide begannen sich Gedanken zu machen, wie es nun weiter geht, was genau das zwischen ihnen auf einmal war. Vor allem Marie war unsicher. Hatte sie bisher doch nur ältere Freunde gehabt. Glen war genauso alt wie sie, und wie schon gesagt – noch total der Jungspunt, vom Kopf her wie auch vom äußerlichen. Sie wusste nicht, ob es richtig war, ob das funktionieren würde, ob er zu ihr passt und etwas Ernstes daraus werden könnte. Aber was hatte sie zu verlieren? Nichts! Die beiden schrieben sich Briefe. Sie waren im gleichen Jahrgang, aber nicht in der gleichen Klasse. Glen stellte in einem dieser Briefe die Frage, aller Fragen. Marie antwortet mit einem Kuss. Sie entschied sich für Glen.
Es folgten eineinhalb wundervolle und spannende Jahre. Glen erlebte mit Marie z. B. sein erstes Mal und die beiden liebten sich über alles – auch ihr Liebesleben. Sie lebten durch den anderen, experimentierten und genossen ihr Leben. Sie lernten zusammen, schließlich stand das Abitur vor der Tür, gingen gemeinsam feiern, planten ihre Zukunft und verbrachten jegliche freie Minute zusammen. Und doch war auch diese Anfangszeit von Schwierigkeiten geprägt. Glen war einer von drei Kindern in seiner Familie. Er hatte noch eine jüngere Schwester und einen jüngeren Bruder. Glen hatte immer viel mit den beiden unternommen. Durch Marie änderte sich das. Vor allem seine Schwester und seine Mutter akzeptierten Marie nicht wirklich, sodass Marie sich in der Familie nicht wohlfühlte und beide nur noch weniger bei ihm zu Hause waren. Die Situation war für alle nicht leicht. Glens Schwester feuerte immer wieder gegen die Freundin ihres Bruders und auch die Mutter gab Marie immer wieder das Gefühl, ihr den Sohn weggenommen zu haben. Glen stand aber jeder Zeit hinter ihr und versuchte das Beste aus der Situation zu machen. Für Marie war der Spagat schwierig… Sie wollte Glen und seine Familie nicht auseinander bringen, aber ihre Lust dort zu sein schwand mit jedem Mal. Eine Situation die es beiden nicht einfacher machte, aber sie hielten zusammen. (Auch heute noch, fast neun Jahre später – hat sich die Situation noch nicht vollständig entspannt.)
Im Herbst des Jahres in dem sich die beiden kennengelernt haben begannen sie sich um einen Ausbildungsplatz zu bewerben. Bei Glen lief das alles ziemlich reibungslos. Er hatte kaum Bewerbungen geschrieben, schon hatte er einen tollen Ausbildungsplatz. Bei Marie lief es leider nicht ganz so gut. Obwohl sie eine gute Schülerin war und eine Bewerbung nach der anderen rausschickte, bekam sie einfach kein Ausbildungsangebot. Und auch mit dem erfolgreich bestandenen Abitur stand Marie immer noch ohne Lehrstelle da. Glens Ausbildung war 100km von ihrer Heimatstadt entfernt und beide mussten sich nun überlegen, wie es weiter gehen sollte. Marie konnte jedoch noch ein Praktikumsplatz in der Nähe von Glens neuem Arbeitsort ergattern und so lag auf der Hand, dass die beiden zusammen in die Stadt ziehen würden – gemeinsam in ihre erste Wohnung. Es war eine aufregende Zeit, denn die Wohnung musste irgendwie schnell her. Aber sie fanden ihr gemeinsam zu Hause und begannen ihr neues Leben zu zweit.
Hätten die beiden gewusst, was einmal passieren sollte, so hätten sie sicher zum damaligen Zeitpunkt einiges anders gemacht. Aber es schien perfekt. Denn auch wenn sie weg waren von ihrer Familie und ihren Freunden, so hatten die beiden sich und es schien, dass die Liebe für immer und für jede Zeit reichen sollte.
Während es für Glen in der Ausbildung super lief und er neue Freunde fand war Maries weg immer noch verdammt holprig. Ihre Praktikumsstelle entsprach in vollen Zügen dem Klischee. Sie wurde regelrecht ausgebeutet, lernte nicht und auch wenn sie sich durchboxen wollte hatte sie schon bald keine Kraft mehr. Sie ließ sich Krankschreiben und kündigte unter Bauchschmerzen den Vertrag. Glen und Marie wussten, dass eine harte Zeit auf sie zukommen wird, denn mit Harz IV und einem Ausbildungsgehalt musste man gut mit dem Geld wirtschaften. Doch auch diese schwierige Zeit meisterten die beiden und wuchsen noch mehr zusammen. Marie fand im darauffolgenden Jahr auch einen Ausbildungsplatz und gemeinsam zogen sie in eine neue Wohnung. Für beide Landeier war das Großstadtleben einfach nichts, sodass ihr neues Zuhause etwas weiter draußen war.
Marie und Glen waren einfach das perfekte Paar, Freunde sagen heute – ein vorzeige Paar, von dem sich alle gewünscht haben, dass ihre Beziehung mal ähnlich laufen wird. Marie und Glen gab es in der Regel nur im Doppelpack und sie wuchsen immer weiter zusammen. Auch als es nach der Ausbildung von Marie wieder sehr holprig wurde so gab Glen ihr immer die Kraft und stärkte sie und dadurch ihr gemeinsames wir.
Als beide ausgelernt hatten und arbeitstechnisch unter Dach und Fach waren beschlossen sie innerhalb des Ortes in dem sie lebten in eine größere Wohnung zu ziehen. Marie und Glen fanden gemeinsame Freunde und waren einfach glücklich. Sie stritten sich so gut wie nie und liebten sich mehr als alles andere auf der Welt. Sie waren einfach perfekt zusammen. Sie konnten gemeinsam reisen, gemeinsam faulenzen, arbeiten immer an ihrer Beziehung, redeten miteinander und nichts und niemand hätte ihr Glück zerstören können. Sie kannten einander besser als jeder anderer, sie hatten den gleichen Geschmack, die gleichen Träume, Wünsche, Vorstellungen und Einstellungen. Sie trugen einander durch jegliches Tal und wussten zu jedem Zeitpunkt, dass sie zusammen alt werden möchten.
Nach sechseinhalb Jahren war es dann auch soweit. Glen überraschte Marie mit einem so wundervollen Städtetrip, dass ihr bei jeder auch noch so kleinen Überraschung die Spucke wegblieb. In der letzten Nacht dieses Wochenendes hielt Glen dann um ihre Hand an. Wie oft hatten sie schon darüber gesprochen, davon geträumt – und jetzt war es so weit. Er hielt einen Ring in der Hand, er wollte Sie heiraten, ihren gemeinsam Weg besiegeln. Und sie wollte das auch. Es gab nichts auf der Welt, was sie mehr wollte. Weinend lag sie in seinen Armen, weinend vor Glück. Ja, sie wollte ihn heiraten, mit ihm für immer zusammen sein. Glen war einfach so wundervoll und perfekt. Er hatte das alles so lange im Voraus geplant. Heimlich bei Maries Eltern um ihre Hand angehalten und alles in Bewegung gesetzt um diesen einen perfekten Moment zu bekommen. Sie bekamen ihn beide.
Die Frage wann geheiratet wird war auch schnell geklärt – es sollte ihr Jahrestag werden, eine Winterhochzeit die unterstreicht, was sie zusammengebracht hat. Die 5 Monate Vorbereitungszeit schienen auf den ersten Blick viel zu knapp, aber an dieser Stelle soll gesagt sein. Eine Winterhochzeit lässt sich viel einfach planen als eine im Sommer, an dem 5 Monate vorher schon alle Termine ausgebucht sind.
Die Planungsphase war für beide eine aufregende aber wundervolle Zeit – es gab kaum einen Punkt in dem es Diskussionsbedarf gab – höchstens bei der Gästeliste, aber auch hier fanden sie gemeinsam eine Lösung. Und plötzlich war er da, nach genau sieben Jahren wollten sie ihr gemeinsames Ja füreinander festigen und sagten Ja zu sich, zueinander, für ein gemeinsames Für Immer. Es war eine Traumhochzeit, es war einfach alles perfekt. Es lag Schnee, ihre Liebsten waren um sie herum um mit Ihnen zu feiern und das taten alle bis früh in den Morgen hinein. Und immer wieder sagte Marie: „ Ich will das genauso noch mal machen, ich will dich noch mal heiraten, genauso, wie es heute war!“, auch über ein Jahr später war sich Marie sicher, dass es immer noch so ist und für immer so bleiben wird.
VERÄNDERUNG
Als sich Marie und Glen kennenlernten, war Marie relativ schlank. Sicher nicht DIE schlankste, aber einfach „normal“. Im Laufe der Jahre hatte sie jedoch ganz schön zugelegt. Wobei das noch nett ausgedrückt ist. Sie war definitiv übergewichtig, wenn man es genau nimmt: fett. Warum das so kam? Dafür gibt es sicher viele Gründe – aber vielleicht hatte sie sich auch einfach gehen lassen. Trotzdem war sie für Glen immer die einzige. Er begehrte sie zu jeder Zeit und ihr S. war gut – auch wenn es von Jahr zu Jahr weniger wurde. Manchmal sprachen die beiden darüber, weil eigentlich beide wollten, aber oft lag es an Marie, die einfach nicht mehr so viel Lust verspürte und schnell ausreden fand. Aber auch das akzeptierte Glen. Und wenn sie miteinander schliefen, so war es immer wundervoll, manchmal auch lustig, spannen, einzigartig, frech …
Marie nahm im Jahr vor der Hochzeit schon einiges ab, und kurz vor der Hochzeit dann noch einmal stark – sie hatte fast wieder Normalgewicht und sie hörte sogar mit dem Rauchen auf. Ein Jahr nach der Hochzeit kam dann der dritte große „Brocken“ und im Frühjahr hatte sie fast 40kg abgenommen. Sie hatte sich gemausert und fühlte sich endlich wieder in ihrem Körper wohl. Glen war so furchtbar stolz auf seine Frau und er begehrte sie mehr denn je, aber sie konnte das nicht erwidern. Nein, Glen war nicht dick oder hässlich. Im Gegenteil, er war ein hübscher, junger Mann, er war vom Bub zum Mann geworden, der sich toll kleidete, intelligent war und Marie auf Händen trug und doch konnte sie nicht mehr „an ihn ran“. Trotzdem waren die beiden Glücklich, zumindest glaubten sie das, aber in Marie begann etwas zu wachsen, ein Gefühl, dass ihr ganzes Leben verändern würde, ein Gedanke, der so viel zerstören würde… Hätte sie es gewusst, vielleicht hätte sie noch was ändern können, vielleicht wäre sie zu diesem Zeitpunkt noch stark genug gewesen. Aber sie wusste es nicht und gab sich dem hin was kam.
Marie hatte plötzlich wieder den Drang etwas zu erleben, feiern und tanzen zu gehen, all das was sie in den letzten Jahren nicht gemacht hat. Warum nicht? Ja diese Frage stelle sich Marie auch. Es gab wohl zwei Gründe dafür: Marie hat schon immer gerne getanzt, war es im Ballett, als HipHop-Trainerin oder auf Festen, sie war früher eine Rampensau, die wusste wie man sich bewegt. Als sie und Glen noch in Ihrer Heimat lebten machte sie das auch alles noch, wenn sie gemeinsam mit Freunden weg gingen fand es Marie zwar doof, dass Glen nie tanzen wollte, aber es war nicht weiter schlimm. Er stand eben mit Freunden und unterhielt sich, während Marie die Tanzfläche einnahm. Als die beiden dann aber wegzogen, gab es keine Freunde mit denen man wegging. Man hatte nur noch sich und wenn man mal in die Heimat fuhr waren es „gemütliche“ Partyabende mit allen, um sich zu unterhalten und auszutauschen. Marie hat sich wohl irgendwann einfach damit abgefunden, sich keine Gedanken darüber gemacht und es dadurch auch nicht vermisst – was sicher auch mit Ihrem zunehmenden Gewicht zu tun hatte.
Aber jetzt verspürte sie dieses Verlangen – sie wollte wieder raus, raus unter Menschen. Weg von den Pärchenabenden, an denen immer nur gekocht wird, oder man mal zum Bowling geht. Sie wollte Tanzen, frei sein, neue Menschen kennenlernen und begehrt werden. Sie wollte nicht mit jemand anderen in die Kiste, sie wollte einfach nur ein bisschen Bestätigung, ein Lächeln, ein Augenzwinkern.
Marie und Glen sprachen über ihr Bedürfnis (dabei ließ sie anfangs die Thematik über das begehrt werden weg, wahrscheinlich ein Fehler, aber wenn man alles vorher wüsste, …). Glen hatte kein Problem damit, er freute sich für seine Frau, dass sie mehr raus ging und sich so wohl fühlte, dass sie wieder tanzen ging. Aber ihr Gefühl, irgendetwas in den letzten Jahren verpasst zu haben wollte einfach nicht weichen. Sie fühlte sich zu Hause immer unwohler und ihr wurde bewusst, dass irgendetwas nicht stimmt. Und dann passierte etwas, was nie hätte passieren dürfen - im Nachhinein fragte sich Marie immer wieder, wieso sie so schwach war, wieso sie sich auf all das was nun folgt eingelassen hat obwohl sie weiß wie der Mensch funktioniert, wie sie funktioniert…
ES NIMMT SEINEN LAUF
Marie war eine begeisterte Reiterin und hatte eine Reitbeteiligung. Im Sommer, Mitte Juli, war sie auf dem Reitplatz als ein junger Mann mit seinem Firmenwagen (Wagen einer Zimmerei) an ihr vorbeifuhr. Sie schaute ihn an und er gefiel ihr so gut, dass sie ihn anlächelte. Sie wollte einfach nur wissen, wie er reagiert, was zurückkommt. Der erste Blick des hübschen Unbekannten war ein „Ehm wer ist das? Kenn ich die?“ – der Zweite ein Lächeln. Marie war aus dem Häuschen, das hat sich so gut angefühlt. Sie war beflügelt. Und wie es der Zufall will, nächster Tag gleiches Spiel – sie auf dem Pferd, er im Auto, sie lächelt ihn an, er lächelt zurück. „Wow sieht der gut aus, und sein Lächeln ist der Hammer“. Marie fühlte sich wie ein Kind, so sehr war sie im Rausch.
Sie hätte ihn einfach vergessen sollen, sie wusste doch was passieren würde. Sie hatte doch schon mal so eine Situation. Als sie nach ihrer Ausbildung in ihrem neuen Job anfing, verliebte sie sich Hals über Kopf in Ihren Vorgesetzen – aber es kam nie zu etwas, auch wenn sie es getan hätte. Aber die Verliebtheit verschwand einfach irgendwann wieder und sie war sich danach mit ihrem Mann, ihrem Glen, der Liebe ihres Lebens so sicher wie nie zuvor. Aber sie bekam diesen Unbekannten nicht aus dem Kopf und vertraute sich einer Arbeitskollegin und Freundin an. Man wird sagen, es ist eine schlechte Freundin gewesen, weil sie Marie noch motiviert hat. Aber so war es nun mal und Marie schrieb die Firma an, bei der der junge Mann arbeitete. Im Betreff der E-Mail stand: „Eine außergewöhnliche Anfrage“. Sie beschrieb die Situation, wo und wann sie ihn gesehen hatte und fragte nach seinem Namen. Als nur 1 Stunde später die Antwort aufpoppte fing ihr Herz an zu rasen. Es war so aufregend. In der Mail antwortete der Chef der Firma – und neben seinem Namen fand sie dort auch seine Handynummer und die Info das er Solo sei. Und jetzt? Ja sie tat es … sie schrieb ihm eine SMS ohne auch nur einmal kurz darüber nachzudenken warum und auf was sie sich da einließ. Den ganzen Tag über starrte sie auf ihr Handy, sie kam sich vor wie ein Teenager und als sie am Abend die Hoffnung schon fast aufgegeben hatte antwortet er ihr. Nach so einer mutigen Aktion mit der Mail an die Firma musste er ihr einfach antworten – er hieß übrigens Joe. Sie schrieben sich den ganzen Abend. Glen war, wie soll es auch anders sein, an diesem Abend nicht zu Hause. Marie war voll mit Hormonen und die SMS die sich die beiden schrieben beflügelten immer mehr. Dann stellte er die eine Frage: „Bist du spontan?“. Marie wusste natürlich sofort was er wollte, aber anstatt einfach NEIN zu sagen, schrieb sie Joe, dass sie verheiratet ist und es nicht am Spontansein mangelt, sondern eher am Verrückt sein. Seine Antwort: „Ich bin verrückt genug und in 15 bei dir.“ Sie wusste in jeder Minute, dass es nicht gut war, was sie hier tat und doch war sie zu schwach. Ihr war kalt und sie zitterte an ganzem Körper, so viel Adrenalin, so viel Spannung, so viel Aufregung.
Sie trafen sich an diesem Abend zum ersten Mal. Nicht in ihrer Wohnung, das wäre einfach zu krass gewesen. Sie waren draußen, es war Sommer. Sie unterhielten sich, sie sagte ihm, dass sie glücklich verheiratet ist, aber auf der Suche nach Bestätigung. An diesem Abend passierte nichts! Sie schrieben sich noch ein paar SMS,… der Anfang von etwas nie Geglaubtem, von etwas nie Gewolltem.
Auch wenn man es vielleicht nicht so macht, sie schrieb ihm am nächsten Tag. Aber sie erhielt keine Antwort. Sie war verwundert und enttäuscht, bis sie sah, dass sie eine Nachricht auf ihre Mailbox hatte – allerdings von einer Unbekannten Nummer. Aber er war es. Sein Handy hatte den Geist aufgegeben (Marie ahnte damals schon, dass es etwas anders ist) und er würde sich freuen, sie wieder zu sehen. Und sie sahen sich wieder. Noch am gleichen Tag verbrachten sie den Nachmittag zusammen. Sie lagen auf einer Wiese und unterhielten sich über Gott und die Welt. So wie das eben ist…
Marie wusste nicht wo ihr der Kopf stand, ihre Welt drehte sich plötzlich so schnell, dass sie nicht mehr nachdenken konnte. Sie war so glücklich und fühlte sich so lebendig. Am liebsten hätte sie Glen von all dem erzählt. Er war nicht nur ihr Mann sondern auch ihr bester Freund, der mit ihr durch dick und dünn ging, der mir ihr lachte und weinte, mit ihr immer alle Freude und jedes Leid geteilt hatte. Aber sie erzählte es ihm natürlich nicht.
Schon am nächsten Tag (es war Sonntag) trafen sich Marie und Joe wieder. – auf der Wiese lagen sie und genossen die Sonne, sie lachten und redeten, sie sahen sich in die Augen. Beide wussten, was jetzt passieren würde, beide wussten, dass es nicht richtig ist, beide wussten, dass sie einen Fehler machen – aber beide ignorierten die Stimmen ihrer Vernunft, die Stimmen von außerhalb, die wie, wenn sie einen Horrorfilm schrien: „Öffne nicht diese Tür“. Sie küssten sich.
Marie wollte doch nur ein Abenteuer, zumindest dachte sie das immer wieder. Sie redete sich ein, dass es einfach von alleine im Sand verlaufen würde. Das beide das Interesse aneinander verlieren würde, das sie sich irgendwann nichts mehr zu sagen hätten und sich auf die Nerven gingen. Sie hätten beide damals die Notbremse ziehen sollen, damals als er ihr sagte, dass er kein Mann für ein Abenteuer ist. Dabei wusste sie doch, was da grade passierte, weshalb sonst sagte sie zu ihm, dass sie es genießen sollten, so lange es noch einfach ist.
Aber keiner von beiden konnte die Hände vom anderen lassen. Und alles nahm seinen Lauf – wahrscheinlich wie in einer klassischen Affäre – nur das diese von so viel junger Liebe getragen wurde, dass man es schon bald nicht mehr als Affäre bezeichnen kann.
Marie begann Glen anzulügen um Joe zu sehen. Oft nutze sie die Pferde als Ausrede. Später sagte sie, dass sie mit einer Freundin feiern geht – um die Nacht mit ihrem „hübschen Unbekannten“ verbringen zu können. Mit der Zeit wurde es aber immer schlimmer. Sie erzählte Glen von Joe und dessen Freunden – aber immer nur, dass er ein guter Kumpel ist und sie gerne mit ihm und seiner Clique feiern geht. Ebenso, dass sie sich verdammt gut mit Joes Mutter versteht, da diese auch Pferde hat und immer ein offenes Ohr.
Glen unterstütze Marie in jedem Augenblick, er wusste, dass Marie sich selbst verloren hatte und wollte ihr jegliche Freiheit lassen, die sie braucht um wieder zu sich selbst zu finden.
JOES ZAUBER
Joe ist ein Jahr jünger als Marie – und wie soll es anders sein, er ist so anders als Glen. Er liebt Tiere, mag Pferde und kann sogar gut reiten. Seine Eltern hatten früher sogar einen richtigen Reiterhof. Er ist Zimmermannmeister und liebt seinen Beruf. Er ist jung, oft ein richtiger Lausbub der einiges in seinem Leben erlebt hat, auf dem Weg ist alles in den Griff zu bekommen und erwachsen zu werden. Marie ist immer wieder fasziniert von seiner Lebendig- und Begeisterungsfähigkeit. Sie liebt es mit ihm tanzen zu gehen, mit ihm in seinem Garten zu arbeiten und sich um seine Hühner zu kümmern. Sie mag es, ihm für die Arbeit Frühstück zu machen und ihn Abends zu bekochen, mit ihm Zukunftspläne zu schmieden, mit ihm zu lachen, zu träumen, zu reden und zu schweigen. Joe ist unheimlich aktiv, er spielt Fußball, arbeitet viel (auch nebenher) und eines seiner größten Hobbies sind die Kerbeburschen aus seinem Dorf. Irgendwie war das nie etwas, was Marie interessiert hat oder gut fand, aber sie mochte Joe so sehr und all das machte ihn eben aus. Es gab aber auch etwas, was Marie von Anfang an abschreckte: er hatte Schulden, und davon nicht zu wenige. [...wie es dazu kam, kann hier leider nicht beschrieben werden...] Er lieh sich Geld bei Freunden und der Familie bis er irgendwann die Notbremse gezogen hat. Seither hat er nur noch ein Ziel – bis Mitte 2016 will er daraus sein, auf null stehen um sich eine Zukunft aufzubauen. Mit ein Grund, warum er manchmal 12 Stunden und mehr am Tag arbeitet.
Joe hat aber auch Gemeinsamkeiten mit Glen. Beide sind Familienmenschen, bodenständig und haben ihr Herz am richtigen Fleck.
Joe hat Marie einfach mit seiner lebensfrohen Art voll in seinen Bann gezogen, sie ist süchtig nach ihm, seinem Lachen, seiner Verrückten Art, seinem Körper, seinem Lebensmut.
MARIES UNGLÜCK
Es dauerte nicht lange, bis Marie sich vollkommen in Joe verliebt hatte – und ihren Mann Glen immer noch liebte. Es dauerte nicht lange bis es kompliziert war, sie in dem Dilemma steckt das sie hätten kommen sehen müssen. Marie weiß eigentlich so viel über Menschen und wie diese ticken, sie weiß, dass jenes Verliebtsein ein Biochemischer Prozess ist, in dem ca. die ersten 9 Monate spezielle Hormone im Körper aufgebaut und ausgeschüttet werden und das es bis zu 7 Jahren dauert, bis sich diese wieder abgebaut haben. Aber obwohl sie alles das wusste, konnte sie nicht von Joe lassen, aber noch weniger von ihrem geliebten Glen. Marie veränderte sich, all die Lügen und ihr Doppelleben machten ihr so zu schaffen. Sie mochte sich selbst nicht mehr, immer wieder fragte sie sich, was sie hier nur tat und wohin das alles führen sollte. Sie weinte oft, sehr oft. Da war diese eine Frage in ihrem Kopf: „Was ist richtig? Mit wem will ich leben? Wie will ich leben? Für wen soll ich mich entscheiden?“… Aber sie fand einfach keine Antwort. Es gab immer wieder diese Momente, in denen sie glaubte, dass nur Glen der eine ist, der Richtige. In diesem Momenten fuhr sie in ihre gemeinsame Wohnung. Fest entschlossen Joe zu vergessen und mit all der Motivation, Euphorie und Liebe die sie für Glen empfand wieder alles in ihre Beziehung zu investieren. Dieses Gefühl hielt aber meist nur so lange, bis sie in ihrer Wohnung stand und alles in sich zusammen fiel. Während der ganzen Zeit fühlte es sich mit Glen komisch und schwierig an – ist ja auch kein Wunder. Aber es war auch schön, seine Hand zu halten, in seinem Arm zu liegen, ihm ein Küsschen zu geben, es war vertraut und voller Liebe. Und die beiden funktionierten auch immer noch so gut zusammen. Wie sollte es auch anders sein, bei zwei Menschen die eine so lange Zeit jeden Schritt, jede Entwicklung, jedes Tal und jeden Lebensabschnitt gemeinsam gegangen sind? Aber Marie entfernte sich von Glen, obwohl sie sich wünschte, dass einfach alles so sei wie früher. Einen leidenschaftlichen Kuss mit Zunge gab es schon lange nicht mehr und an S. mit ihm war nicht zu denken, nicht mal mit ihm rumtollen und sich kitzeln lassen fühlte sich gut und richtig an. Immer wenn Marie sich so etwas bewusst wurde, rückte Joe mehr in den Mittelpunkt. Ihr ganzes Umfeld begann sich zu ändern, weil sie öfter bei ihm war als irgendwo anders, auch ihre Freunde vernachlässigte sie – denn es waren ja die gemeinsamen Freunde von ihr und Glen. Marie ging es mit jedem Tag schlechter, denn jeder Tag machte es schlimmer, dabei wollte sie doch einfach nur aufwachen und wissen was zu tun ist. Irgendwann buchte sie dann einen Termin bei einem Theologen, der sich mit solchen und anderen Themen auseinander setzte. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es nur 3 Menschen die mehr oder weniger gut über ihre Situation Bescheid wussten. Das waren ihre Arbeitskollegin, ihre Schwester und Joe. Bei dem Theologen konnte sie sich aber das erste Mal richtig ausweinen und bekam wieder einen Ansatz ihren Blickwinkel zu ändern. Sie war nach dem Gespräch auch unheimlich motiviert und glaubte fest daran, dass sie es schafft bald eine gut überlegte Entscheidung zu treffen. Sie begann direkt am nächsten Tag mit dem Tipp den sie bekommen hatte und fertigte ein großes Plakat an. In der Mitte stand sie und die Frage: „Was will ich?“, weiter unten stand Joe, weiter oben stand Glen und drum herum standen Fragen, Pro’s und Contra’s zu beiden. Doch Marie wurde bewusst, dass das alles Dinge waren, die sie schon wusste und sie nicht auf dem Weg war bald eine Entscheidung treffen zu können. Einige Zeit später ging Marie zu einer richtigen Psychologin. Glen hatte sie darum gebeten. Aber auch hier kam Marie nicht weiter. Die Psychologin sprach von einer Kurzzeittherapie in der man sich um die kleine Marie kümmern wollte. Marie war aber klar im Kopf und wusste, dass es nichts helfen würde. Außerdem setzte sie ihr Gedanken in den Kopf, die vielleicht alles noch schlimmer machten, noch verwirrender, noch undurchdringlicher. Und sie war nicht sehr freundlich. Marie ging mit keinem guten Gefühl aus der Situation raus. Außer einem großen Schmerz, einem Loch in ihrer Seele.
Die Kluft zwischen ihr und Glen wurde immer größer und auch zwischen ihrem „alten“ und „neuen“ Leben. Glück sah anders aus.
RÄUMLICHE TRENNUNG
Irgendwann drehten sich Marie und Glen im Kreis. Sie sagte ihm immer wieder, dass sie ihn liebte, was auch nicht gelogen war, er war ihre große Liebe, aber sie fühlte sich bei ihm nicht mehr 100%ig wohl. Beide weinten viel und oft zusammen. Suchten verzweifelt nach einer Lösung. Irgendwann schlug Glen eine räumliche Trennung über mindestens drei Wochen vor. Für Marie war klar wo sie in der Zeit sein würde, für Glen war es auch ok, weil er dachte, dass sie bei Joe und seiner Mutter gut aufgehoben wäre mit ihrem eigenen Zimmer (von dem sie ihm erzählt hatte). Drei Wochen war ein Minimum, so hatte es Glen in Foren im Internet gelesen. Die beiden stellten Regeln für diese Zeit auf. Kontakt per Telefon, SMS und E-Mail waren gestattet, sollten aber nicht übermäßig eingesetzt werden. Sie treffen sich jede Woche einmal und unternehmen was zusammen. Und wenn etwas mit wem anderen passiert, ist das ok und sie erzählen es sich.
Was tat Marie da nur? Sie belog und betrog ihren Mann so sehr. Sie hasste sich selbst, sie kannte sich selbst nicht mehr und doch tat sie nichts um es zu ändern. So hart der Abschied von Glen für sie war, so sehr freute sie sich auf die Zeit mit Joe.
Es waren drei sehr krasse Wochen. Joe lebte mit seiner Mutter zusammen, mit einem Lebensstil der für Marie nicht so einfach war. Aber der Mensch ist anpassungsfähig und sie verstand sich ja auch sehr gut mit seiner Mutter. Aber Joe war oft nicht da und kam spät heim und es war einfach nicht Maries zu Hause. Oft dachte sie daran ihre Sachen zu packen und zurück zu gehen. Aber sobald Joe wieder da war, war sie glücklich. Sie hatte eben nichts. Sie konnte nicht einfach Fernsehen, an ihren Computer gehen oder den Haushalt machen, so wie sie es in ihrer Wohnung machen würde. Sie konnte nicht zu ihren Freunden gehen, denn niemand wusste von der Trennung. Sie konnte einfach nur auf ihn warten. Marie war und ist sich sicher, dass wenn sie und Joe ein gemeinsames Zuhause hätten, es an diesen Abenden nicht so schlimm gewesen wäre oder sein würde. Aber sie fragte sich auch, ob sie sich das nur einredete. Glen und sie waren ein so eingespieltes Paar, die viel Zeit miteinander verbrachten, die sich auf die gemeinsamen Abende freuten, aufeinander warteten. Mit Joe würde das anders sein. Würde Marie das so wollen?
Die Treffen mit Glen in dieser Zeit waren spannend, aufregend – weil geheim – vertraut und schön. Sie waren Frühstücken, Shoppen und einmal haben sie bei sich zu Hause gekocht. Aber alles war auch fremd, vorsichtig und unsicher. Die drei Wochen haben im Endeffekt nichts gebracht, außer, dass sie vielleicht alles noch schlimmer machten.
KONTRAST
Am Ende dieser Zeit stand ein komplettes Kontrastprogramm an: der Jahresurlaub von Marie und Glen. Sie hatten Maries Eltern versprochen in dieser Zeit auf den Hund aufzupassen. Die ersten Tage hatten sie das Hundesitting in ihre Wohnung verlegt. Auch hier konnte Marie nicht lange von Joe getrennt sein und besuchte ihn und seine Mutter und war froh ihm mal etwas von ihr (ihren Hund) zeigen zu können. Ursprünglich dachten sie nicht, dass sie sich in der Zeit überhaupt sehen werden. Dann traten Glen und Marie ihre Reise mit Hund in die Berge an. Der Kurztrip war schon lange gebucht und geplant. Kurz vor ihrem Ziel hielten sie zum Tanken. Marie nutzte die Gelegenheit um mit dem Hund eine kleine Runde zu drehen. Als sie zurückkam sah sie sofort in Glens Gesicht, was los war. Sie hatte ihr Handy im Auto vergessen und er hatte es geahnt und das einzig logische getan und in ihr Handy geschaut. Er las die Whatsapp-Nachrichten von Marie und Joe. Er las wie sie ihm geschrieben hat, dass sie in will (nicht körperlich) und er antwortet, dass sie ihn immer wieder verzauberte. Glen drückte Marie den Autoschlüssel in die Hand: „Du fährst die letzten 100km“. Für Glen brach eine Welt zusammen. Mit einem Mal war ihm bewusst, wie ernst es um seine Ehe und seine große Liebe stand. Marie hatte nicht den Mut für die Wahrheit, sie war feige und redete sich wieder raus. Sie sagte Glen, dass sie sich geküsst haben, dass sie sich irgendwie verknallt hat, dass aber nicht mehr passiert ist und sie ihm auch gesagt hat, dass das nicht wieder sein kann und sie ihn nicht als Freund verlieren will.
Da waren sie nun – in einem schönen Hotel, umgeben von einer wundervollen Landschaft mit dem Hund den sie beide liebten. Sie lagen auf dem Bett, sie redeten, sie weinten, sie lagen sich in den Armen. Glen war so wütend, wütend weil sie es ihm nicht gesagt hatte, auch wenn sie nichts verbotenes getan hatte, wütend auf sich selbst, weil er bei der Regel, die es ihnen erlaubt hatte, nicht darüber nachgedacht hatte, dass so etwas passieren könnte – aber vor allem war er traurig, er war gebrochen und hatte so große Angst.
Das Abendessen war grausam. Beide bekamen keinen Bissen runter. Glen ging irgendwann auf Toilette. Marie trank die Flasche Wein fast alleine. Sie wusste, dass er ihr beim Einschlafen helfen wird.
Sie lagen im Bett. Glen will sie berühren und will es doch nicht. Sie weinen gemeinsam, schlafen kaum und wachen unter Tränen auf.
Irgendwie schaffen sie es, einen schönen Tag in den Bergen zu verbringen. Sie verdrängen es, funktionieren zusammen. Aber es kommt immer wieder. Keiner der beiden weiß, wie es weiter gehen soll. Sie schlafen Arm in Arm ein.
Auf der Heimfahrt sprechen sie wieder viel miteinander. Versuchen eine Lösung zu finden. Glen macht ihr klar, dass der Vertrauensbruch das ist, was ihn so fertig macht und die Angst sie zu verlieren. Sie sprechen über Lösungen. Marie verspricht Glen, dass sie Joe ganz klar sagt, dass da nichts geht. Sie sagt ihm, dass sie das mit ihr und ihm, also Glen wieder hinbekommen will – und das wollte sie ja auch wirklich. Sie sagt ihm aber auch, dass sie Joe als Freund und all die anderen nicht verlieren will. Dass die Grundproblematik nicht ausgestanden ist, dass sie immer noch ihren Freiraum braucht.
Am nächsten Tag ging sie auf die Grillfeier – eine Grillfeier die keine war, eine Grillfeier, bei der sie zwar mit Joe sprach, aber sich nicht von ihm trennte.
Glen und Marie fuhren zu ihren Eltern in die Heimat um die restlichen Tage dort auf den Hund aufzupassen. Sie erzählte Glen, dass sie mit Joe gesprochen hatte, dass sie die Finger von einander lassen, dass Joe die Entscheidung gut fand, respektierte und es ihm leid tat. Er glaubte ihr, was blieb ihm anderes übrig…! Die Tage bei Maries Eltern waren durchwachsen. Es gab Momente, die sich so gut anfühlten, vertraut. Aber dann war es wieder da, die Unsicherheit, die Wut, die Traurigkeit, die Verzweiflung. Vor allem wenn die beiden nicht in dem Haus waren, sondern draußen, unterwegs. Glen und Marie beschlossen am Ende der Woche zu einer Eheberatung zu gehen. Sie nahmen für diese Sitzung viel Geld in die Hand. Auch hier sagte Marie nicht die ganze Wahrheit. Sie sagte immer wieder, dass sie sich nicht mehr Zuhause fühlte, das sie nicht weiß wo sie hingehörte, dass sie sich so sehr wünscht, dass es mit ihr und ihrem Mann wieder wird, dass sie die Motivation auch über die Türschwelle tragen kann, dass sie ihn wieder will, ihn wieder anziehend findet, all ihre Kraft und Liebe in die Beziehung investieren kann. Der nette Herr Doktor riet ihnen sich zu trennen. Keiner von beiden wollte es. Sie liebten sich doch, sie waren doch Töpfchen und Deckelchen. Was nur hat Marie gemacht? Sie trennten sich an diesem Tag nicht.
Zwei Tage später, es war der Sonntag, der letzte Tag ihres Urlaubes. Sie nutzen einen Verkaufsoffenen Sonntag um Shoppen zu gehen. Sie kauften einen Badmintonschläger für Marie, damit sie wieder zusammen spielen konnten. Sie kauften Weihnachtsdekoration für die Adventszeit, für Ihre Wohnung, für gemütliche Abende zu zweit. Auf dem Weg zu Hause, bat Glen Marie immer ehrlich zu ihm zu sein, ihm zu sagen, was sie denkt und fühlt. Und wieder redeten sie, sie weinten. Marie sagte ihm, dass sie ihm nicht noch mehr wehtun möchte, sie sagte ihm, dass es ihr schwer fällt zu sagen, dass sie über Trennung nachdenkt. Sie redeten lange. Keiner kann mehr sagen, wer es als erstes über die Lippen brachte, Marie glaubt, dass es Glen war, der sagte, dass es vielleicht besser ist, wenn sie sich trennen. Marie weiß noch, wie ihr der Atem stehen blieb. Aber sie wiedersprach nicht. Sie lagen lange gemeinsam auf der Couch. Irgendwann packte sie das nötigste. Sie fuhr zu Joe.
ALLES EIN SCHLECHTER TRAUM
Joe hat die SMS sicher mehrmals lesen müssen, in der stand, dass sie ihre Sachen packt. Sie saß am Kofferraum, rauchte eine Zig.. Marie sagte nicht, sie zitterte und weinte. Er nahm sie einfach in den Arm. Sie hatte ihm gesagt, dass wenn sie zu ihm kommt, es nicht einfach werden würde, dass sie Liebeskummer haben würde, dass es kein normaler Start sein würde. Aber das wussten beide. Denn nichts bei ihnen war normal. Alles war verrückt. Marie schlief in seinen Armen ein und wachte auf. Sie konnte nicht an die Arbeit gehen und meldete sich krank. Joe nahm sich einen Tag Urlaub. Er wollte für sie da sein, ihr zeigen, dass sie sich auf ihn verlassen kann. Die Tage die folgten waren neblig und undurchsichtig. Der Mensch funktioniert, wenn er funktionieren muss. Es war schön bei Joe zu sein. Aber er war nur so selten da. Marie hatte immer wieder Kontakt mit Ihrem Mann, vor allem per E-Mail. Es gab einiges zu klären. Sie haben ein gemeinsames Auto, ein gemeinsames Konto, eine gemeinsame Wohnung. Marie begann währenddessen auch zu begreifen und zu formulieren, wie es soweit kommen konnte. Immer noch ohne ihre Beziehung zu Joe zu erwähnen. Aber sie glaubt, dass Joe nur das „I-Tüpfelchen“ war, nicht der Auslöser. Marie wurde bewusst, dass die Beziehung zu Glen zu perfekt war. Zu langweilig. Die beiden hatten in den letzten Jahren immer gemeinsame Ziele und Projekte die von ihnen alles gefordert haben. Da waren die Umzüge, die schwierigen Situationen im Jon, die Hochzeit, der Plan vom Eigenheim (den sie aber nicht weiterverfolgen konnten). Und dann war da nichts mehr. Sicher, andere wünschen sich genau das. Angekommen zu sein, friedlich. Aber für Marie war es der Punkt als sie die gemeinsame Zukunft mit Glen aus den Augen verlor. Sie sah nicht mehr ihre gemeinsame kleine Familie in ihrem Neubau im Heimatort. Und ihr wurde bewusst, dass sie kaum Gemeinsamkeiten hatten, die sie zusammen leben konnten. Und die wenigen die sie hatten, konnten sie nicht im Alltag benutzen. Glen spielte Tischtennis, Computer und fuhr gerne Fahrrad. Marie konnte damit nichts anfangen. Ihre Interessen lagen bei den Pferden, dem Tanzen und der Fotografie. Nichts wofür sich ihr Mann interessierte. Aber sie hatten Gemeinsamkeiten. Sie liebten den Winter, fuhren beide Snowboard, sie verband die Musik, er spielt Schlagzeug, Posaune und Klavier, sie ist begeisterte Sängerin, sie schauten gerne ihre Serien zusammen, gingen gerne gemeinsam Bummeln, konnten sich gut unterhalten. Aber da war nichts, was sie durch den Alltag tragen kann. Schließlich können sie nicht jede Woche Snowboarden, oder dauernd Shoppen gehen…
Aber all diese Erkenntnisse waren nur ein Strohhalm an den sich Marie klammerte, denn eigentlich wusste sie, dass das Problem nun ein ganz anderes war. Sie liebte zwei Menschen.
Sie vertraute sich in der ersten Woche der Trennung von Ihrem Mann nur ihrer Schwester an – die ihr aber auch nicht weiterhelfen konnte. Sie sagte nur: „Denk daran, was du für einen tollen Mann hast!“. Am Ende der Woche telefonierten die sie mit ihr. Glen ihr Mann war bei ihren Eltern gewesen, schließlich gehörte er nach fast 9 Jahren zur Familie. Er erzählte ihnen alles, aber das mit Joe ließ er weg. Trotzdem war der Gedanke ihrer Mutter, dass es da einen anderen gibt. Ihre Schwester riet ihr, sich eine Auszeit von beiden zu nehmen. Glen würde schon was finden wo er unterkommt und Marie soll alleine in die Wohnung gehen. Weg von beiden. Für Marie war die Vorstellung grausam. Sie sprach aber noch am gleichen Abend unter Tränen der Verzweiflung mit Joe darüber. Sie wusste selbst, dass es so nicht weiter gehen konnte. Sie verhielt sich nicht nur feige und unfair sondern auch egoistisch – gegenüber Glen, Joe und ihren Mitmenschen.
Glen machte sich auf die Suche nach einer Wohngelegenheit. Marie blieb noch eine Woche bei Joe.
Seit Montag ist Marie nun alleine. Der Abschied am Montagmorgen von Joe war furchtbar. Er wollte sie nicht gehen lassen. Aber er verstand, dass es die einzige Möglichkeit war. Sie muss sich entscheiden. Zu 100% erst dann kann sie ganz ihm gehören. Erst dann können die beiden glücklich werden. Er hat Angst, dass sie sich für ihren Mann entscheidet. Er liebt sie, vielleicht so sehr, wie er noch nie geliebt hat.
Sie hatte Angst vor dem alleine sein in der Wohnung. Aber der erste Abend war nicht so schlimm wie sie erwartet hatte. Sie hat zu beiden keinen Kontakt mehr, trotzdem starrt sie immer wieder auf ihr Handy. Vor allem hofft sie von Joe zu hören. Immer wieder sieht sie sich Bilder an. Von Glen. Von Joe. Sie hat gestern auch endlich ihrer Mutter die Wahrheit gesagt. Keiner kann ihr helfen.
PINGPONG
Marie hat immer noch die Hoffnung, dass sie einfach aufwachen wird und sie weiß, wie sie sich entscheiden muss. Sie weiß, dass die Entscheidung ihr ganzes Leben verändern kann, dass es der größte Fehler ihres Lebens sein kann. Sie hat so unglaubliche Angst. Aber viel schlimmer ist, dass sie nicht weiter kommt. Sie dreht sich im Kreis, sie steht auf der Stelle, es ist dunkel, sie kann nichts erkennen. Es sind immer wieder die gleichen Gedanken. Sie weiß, dass es nie einen Mann geben wird, der sie so liebt wie es Glen macht, einen Mann der sie so gut versteht, der mit ihr gemeinsam durchs Leben geht, sie auf Händen trägt, sie besser kennt und immer hinter ihr steht. Sie weiß, dass er und sie perfekt zueinander passen. Sie sind in den letzten Jahren zusammengewachsen, haben sich in entscheidenden Phasen zusammen weiterentwickelt, sie haben sich etwas aufgebaut, auch finanziell und materiell. Mit ihm hat sie eine sichere Zukunft. All das spricht für ihren geliebten Mann. Er würde sie nie alleine lassen, sie würden wie in der Vergangenheit zusammen leben und lieben, die Abende mit einander verbringen die Zeit zusammen planen und genießen. Sie würden reisen und ihr Leben leben, irgendwann ihr Häuslein bauen, Kinder bekommen, glücklich sein. Aber Marie ist sich nicht sicher. Sie weiß, dass wenn sie Joe vergessen würde, es funktionieren könnte. Aber sie hat Angst, dass es nur eine „Kopfentscheidung“ wäre, dass sie sich aus den falschen Gründen für Glen entscheidet. Weil es einfacher wäre. Eine Trennung wäre nicht einfach. Es würde so verdammt wehtun, sie müssten beide eine neue Wohnung finden, sie müssten das Auto verkaufen (Marie ist auf ein Auto angewiesen, kann sich ihr aktuelles Auto, was finanziert wird, aber nicht alleine leisten; und wie verkauft man ein Auto was finanziert wird?), sie müsste sich ein neues Kaufen. Irgendwann müsste sie sich scheiden lassen. Und dann ist da auch noch das Thema körperliche Liebe, Marie ist sich sicher, dass es ein Indiz dafür ist, dass etwas falsch lief. Sie würde so gerne wieder mit Ihrem Mann schlagen können, die Leidenschaft spüren.
Sie vermisst ihn so selten und das verunsichert sie, aber sie fragt sich auch gleichzeitig, ob das nur die Gewohnheit ist und das wissen, dass sie ihn immer noch haben kann.
Sie will sich für Glen entscheiden, aber sie will sich für ihn entscheiden, weil sie nichts anderes will. Weil sie ihn will, weil sie ihn liebt, sie will zu 100% hinter ihm und ihrem wir stehen. Sie weiß, dass es funktionieren würde. Sie wünscht es sich so sehr.
Aber sie will nicht ohne Joe, sie will Joe – es fühlt sich an wie die Liebe ihres Lebens. Sie will sich etwas mit ihm aufbauen. Mit ihm träumt sie von dem Hof den sie renovieren würden, den Pferden, den Kindern. Marie kann sich sogar vorstellen jetzt sofort mit Joe ein Kind zu bekommen, auch wenn sie das zum aktuellen Zeitpunkt, denn solange Joe noch Schulden hat, wäre es eh kein Thema. Aber Marie ist selbst verwundert, dass sie es sich jetzt vorstellen könnte. Sie will mit Joe ein zu Hause aufbauen. Für ihn da sein, ihn unterstützen. Mit ihm abends auf der Couch liegen, rumalbern, Pläne schmieden, tanzen gehen. Sie glaubt, dass sie es schaffen würden. Sie will ihn endlich ihren Eltern vorstellen, ihren Freunden. Sie will hinter ihm und ihrer Beziehung stehen. Aber sie hat Angst. Angst davor den größten Fehler ihres Lebens zu begehen. Angst das er sie nicht glücklich machen kann. Angst vor den Abenden an denen sie alleine sein wird, Angst davor, dass die Beziehung so anders sein wird, so anders wie sie es nicht will und kann. Sie hat Angst, dass er sie verlassen wird, Angst davor, dass die Schulden alles kaputt machen werden. Sie hat Angst, dass sie sich nicht für ihn entscheidet, weil es zu schwierig werden würde. Sie will mit ihm glücklich sein, ihn lieben und endlich zu ihm stehen. Sie vermisst ihn. Sie schläft mit einem T-Shirt von ihm ein.
Marie weiß nicht mehr weiter. Es sind immer wieder dieselben Fragen in ihrem Kopf, immer dieselben Antworten.
In manchen Momenten ist sie sich sicher, dass Glen und Sie wieder zusammenkommen, dass sie Joe vergessen kann. Das sie und Glen wieder so glücklich werden, wie sie es noch im Frühjahr waren. Im nächsten Moment würde sie am liebsten Nägel mit Köpfen machen und einen Schlussstrich ziehen um mit Joe ein neues Leben zu beginnen. Sie will sich entscheiden, weil sie nicht mehr so weiter machen kann. Sie ist müde, sie hat keine Kraft mehr. Sie liebt zwei Menschen – mit voller Hingabe. Nie hätte sie gedacht, dass ihr so etwas passiert. Dass sie sich verliert. Sie wünscht sich, dass ihr jemand hilft, ihr jemand sagt, was zu tun ist oder zumindest ihre Hand nimmt und sie wieder ins Licht führt. Sie will niemanden mehr verletzten. Sie will doch einfach wieder glücklich sein.
DIE ANDEREN
Marie weiß, dass sie selbst schuld ist an allem. Sie hasst sich für das was passiert ist. Sie mag sich selbst nicht mehr. Sie weiß was alle anderen sagen und sagen werden. Jeder wird ihr sagen, dass sie zu Glen gehen soll, bei Glen bleiben soll. Keiner fühlt, was sie fühlt. Manche werden sie sogar verurteilen, dafür dass sie so schwach war und ist. Alle sagen, sie werden für sie da sein. Aber sie tun es dann doch nicht. Sie wird Menschen verlieren, die sie liebt. Sie bittet um Verzeihung.
ENDE
Marie weiß nicht wie all das Enden wird. Sie weiß nicht, was richtig ist und was falsch ist. Sie hofft weiter. Sie hofft, dass sie die Kraft besitzt, für das was kommen mag. Sie hofft, dass sie wieder lachen kann. Dass sie wieder strahlt, sich selbst findet und wieder ein guter Mensch wird.
MARIES LEBEN - EIN TAGEBUCH
21. November 2013
Der Tag begann schon merkwürdig. Sie stand früher auf als gewöhnlich. Um Ihrer Freundin einen Brief für Glen mit zu geben. Danach fuhr sie einen kurzen Umweg über Joes zu Hause um ihm seinen Brief zu geben. Hier Herz klopfte wie wild, sie hoffte, dass sie sich zufällig über den Weg laufen würden. Aber er war schon auf Arbeit. Sie schrieb ihm eine kurze SMS: „Sie haben Post“. Er antwortete ihr, dass er doch grade erst losgefahren sei. Sie standen im gleichen Stau. Nur wenige 100m getrennt voneinander. Sie sahen sich nicht. Am Abend fuhr sie wieder zu ihm. Noch ein Brief. Sie wartete im Auto – 20 Minuten. Vielleicht kam er ja doch noch. Er kam nicht. Sie fuhr los, dachte sie könne ihn bei seinen Tieren sehen. Fuhr weiter zu den Baustellen, die er abends oft in Angriff nahm, fuhr wieder zurück. Sie schrieb ihm. Er antwortete nicht. Sie saß im Auto, vor seiner Wohnung. Sie machte sich sorgen und rief ihn nach einer halben Stunde an. Er war noch in der Firma, las ihren Brief, ihre Geschichte. Sie sagte ihm, dass sie nun fahren würde und fuhr. Sie hatten ihre Regeln gebrochen. Sie brauchte ihn, sie vermisste ihn. Zuhause legte sie sich in ihr Bett. Sie weinte. Was tat sie hier nur? Sie tat das was sie immer machte, wenn es ihr schlecht ging, wenn sie Hilfe und Rat brauchte. Sie rief ihren besten Freund an, ihren Mann, Glen. Seine Stimme beruhigte sie. Er baute sie auf. Er war so voller Hoffnung. Sie wartete weiter auf Nachricht von Joe. Er rief sie irgendwann an. Es war schon spät. Sie sagte ihm, dass sie ihn gerne gesehen hätte, dass sie es sich immer noch wünschte. Nach über einer Stunde rief er noch mal an: „Willst du mich immer noch sehen?“ – sie sagte nur: „ Komm hoch!“. Sie standen lange im Flur. Umarmten sich. Er hielt sie ganz fest. Ihre Herzen rasten. Er war erst zwei Mal in Ihrer Wohnung gewesen. Nie lange. Es fühlte sich für beide komisch an, falsch. Dies Mal war es anders. Marie fühlte sich so wohl wie schon lange nicht mehr. Sie lächelte. Sie war glücklich. Sie bat ihn zu bleiben. Er blieb. Sie redeten. Sie genossen einander. Er war einfach da und für die ganze Nacht und den ganzen Morgen war sie sich sicher. Ihr Herz gehörte ihm. Daran würde keiner mehr etwas ändern können. Seither überlegt sie was sie tut. Wie kann sie es Glen erklären? Wie kann sie sich von ihm trennen? Und schon schaltet sich wieder ihr Verstand ein, ihr rationales Ich, der wieder Zweifel in ihr hervorruft. Aber in ihr beginnt etwas zu wachsen, ein Gedanke, ein Wunsch, ein Traum – sie will dafür kämpfen. Sie hofft, dass sie es schafft! Sie hat Herzklopfen.
22. November 2013
Gestern hat Marie sich endlich mit ihrer besten Freundin getroffen. Lange Zeit hatte sie geschwiegen, sich zurückgezogen. Dabei war es gut sich zu öffnen. Aber June hat auch keinen Mastertipp, so gerne sie ihrer Freundin helfen würde. June jedoch sagte, so wie sie es aus Maries Worten heraushörte, liegt die Zukunft bei Joe und Marie. Eine Aussage, die Maries Gefühle und Gedanken vom Morgen her bestätigen. Aber Marie liebt beide so sehr. Und sie hat Angst, dass sie sich in Bezug auf Joe nur etwas einredet. Und sie dadurch ihre Kommunikation natürlich wählt, dass diese für Joe spricht. Sie hat für Glen schon ein Geburtstags- und Weihnachtsgeschenk gekauft. Der Gedanke an die Adventszeit bringt sie um, es schmerz so sehr.
Auch einem Freund an der Arbeit hat sie sich anvertraut – und auch er sagte, er würde sich für das entscheiden, was man Herz sagt und er glaubt, dass es bei Joe ist.
Joe kam gestern wieder zu ihr. Sie redeten. Es ist auf einmal anders. Er hört ihr zu. Er fragt. Er öffnet sich. Er träumt von einer gemeinsamen Zukunft. Sie träumen von einer gemeinsamen Zukunft. Heute Morgen hat Marie das erste Mal Glen richtig vermisst. Wieso? Sie weiß es nicht. Sie weint, sie kann nicht mehr. Sie ist verzweifelt. Sie stellt sich vor, wie sie gemeinsam mit Glen über den Weihnachtsmarkt läuft, es schneit, die bunten Lichter, viele Menschen, beide strahlen. Sie kommen verfroren heim, in ihr schönes Zuhause. Sie machen Kerzen an, kochen sich einen Tee, kuscheln sich zusammen auf die Couch, sie küssen sich. Er trägt sie ins Schlafzimmer. Sie lieben sich. Glück. Ja das wünscht sie sich. Sie will es wieder haben, die Liebe, das Vertrauen, die Leidenschaft, die Sicherheit, den halt, sich selbst, ihr Leben. Aber sie will auch eine Zukunft mit Joe, sie will dass es funktioniert. Sie will Glen nicht verlieren. Sie will Joe nicht verlieren. Sie zittert am ganzen Körper. Ihr ist schlecht. Sie betet.
25. November 2013
Marie hat am Freitag das Reiten abgesagt. Sie konnte einfach nicht, sie war und ist so demotiviert. Sie hat an diesem Tag so eine Sehnsucht nach Glen entwickelt. Wie schon so oft. Sie hat ihm erneut einen Brief geschrieben, und gehofft, auch einen von ihm zu bekommen. So war es aber leider nicht.
Joe kam am späten Abend wieder zu ihr. Sobald er bei ihr ist, ist sie unbeschwert.
Am Samstag hat Marie erst mal Schlaf nachgeholt, das war bitter nötig. Und sie war mit einer Freundin ausreiten, auch das hat sehr gut getan. Die beiden haben sich dann noch über die Situation, das Leben und die Männer unterhalten. Sie sagte, etwas, was Marie nicht mehr aus den Kopf geht: Alleine macht man sich kein schönes Frühstück, keine Abendessen, es lohnt sich nicht, es ist einfach keiner da, man ist alleine. Und ja, sie hat damit völlig recht und Marie glaubt, dass es wohl der Sinn des Lebens ist, jemanden zu finden der einen vollendet. Sie hoffte an diesem Tag wieder auf einen Brief von Glen, aber vergebens. Joe und sie hatten einen wundervollen Abend: lustig, redlich, spannend, aufregend. Joe musste am Sonntag wieder recht früh weg. Marie war wieder alleine. Sie begann ihren Koffer auszupacken, in dem sie alle Briefe und ähnliches sammelte. Darin befand sich ein Schuhkarton, ausschließlich mit den Briefen und Zettelchen von Glen – so dachte sie zumindest. Als sie mit sortieren fertig war, waren es gar nicht so viele wie sie dachte. Aber jeder einzelne brachte sie zum Weinen. Sie liebt Glen und will wieder mit ihm zusammen sein. Aber glücklich! Sie wusste, dass Glen das Auto holen würde und schrieb ihm, ob sie sich sehen würden. Er antwortete nur mit einem Vielleicht. Sie nahm zwei Lieder für ihn auf. Stand am Fenster und wartete auf ihn. Er drehte sich nicht mal zum Fenster um. Er kam nicht hoch. Er fuhr einfach weg. Sie weinte. Aber es ist sein recht. Sie schrieb ihm noch einen Brief, zog ihm die für ihn gesungenen Lieder auf einen Stick und brachte es an seinem Fahrrad an. Sie wollte spazieren gehen, wenn er kommt, sie wollte ihn nicht sehen. Aber dann war er einfach da. Er machte im Schlafzimmer Kerzen an. Im ersten Moment war Marie geschockt, er wollte doch jetzt nichts ernsthaft…? Nein wollte er nicht. Er machte Musik an und wollte einfach nur mit ihr sein. Sie weinte in seinen Armen. Sie redeten nicht. Sie wollte nicht traurig sein, nicht verzweifelt, sie wollte sich wohlfühlen, lachen,… Aber sie konnte nicht. Wieso nicht? Sie wünscht sich doch nichts mehr, sie stellt es sich doch immer vor. Sie machte für Glen noch etwas zu Essen warm. Sie tranken gemeinsam einen Tee. Er fuhr. Sie hasste sich. Sie rief Joe an. Er kam vorbei. Sie redeten viel. Sie lachten, machten Faxen. Sie Schliefen Arm in Arm ein. Als sie aufwachte, spürte sie die Liebe. Sie war glücklich, für einen kurzen Moment.
Marie dreht sich immer noch im Kreis. Sie will mit Glen zusammen sein, glücklich sein – warum kann sie es nicht? Sie hat Angst, dass das mit Joe falsch ist, aber heute Morgen war da wieder das Gefühl, dass sie es mit ihm auch schaffen kann. Was ist nur los mit ihr? Warum ist bald Weihnachten? Auf ihr lastet ein so großer Druck, sie weiß nicht mehr weiter. Sie wird Glen heute noch einen Brief schreiben. Sie will mit ihm was unternehmen. Sie kann ihn nicht einfach so aufgeben. Aber was ist mit Joe? Sie liebt beide. Sie will beide… Sie weiß, dass sie Joe eigentlich auch nicht sehen sollte. Aber sie schafft es einfach nicht. Er tut ihr so gut! Sie wieder sich selbst an. Sie missbraucht Glens Vertrauen, sie betrügt sich selbst.
Heute fällt der erste Schnee, - ein Tag an dem Glen und sie immer aus dem Häusschen waren. Sich gefreut haben, sich angerufen haben. Sie rief ihn heute auch an. Es reißt ihr das Herz heraus. Warum kann ihr keiner sagen, was richtig ist?
25.-28. November 2013
Marie verliert komplett ihren Halt. Dieses Auf und Ab, dieses Hin und Her. Am Montag war es sicher Glen, gestern sicher Joe, heute waren es beide schon 500 Mal. Marie will noch heute eine neue „Pro- und Kontraliste“ machen. Es ist viel Zeit seit der Letzten vergangen und sie will sich noch mal alle Details veranschaulichen. Ob das was bringt? Sie hat am Samstag einen Termin bei Ihrem Hausarzt und hofft so sehr, dass er ihr weiterhelfen kann.
Die Mindmaps haben einige Sachen zum Vorschein gebracht: Das was bei Glen steht, ist etwas was die Zeit geschrieben hat, eine Basis, die über neun Jahre hinweg aufgebaut wurde. Alles was bei Joe steht ist die Verliebtheit und die Unwissenheit über die Zukunft. Alle raten ihr mittlerweile sich für Glen zu entscheiden. Ein Freund und Arbeitskollege sagte ihr gestern: Du bist ohne Glen nur die halbe Marie. Damit hatte er natürlich Recht und doch gibt es da einfach ein ABER. Es gibt zwei große Knackpunkte bei Glen. 1. das Thema der körperlichen Liebe und Anziehung. Marie erzählte gestern ihrer Arbeitskollegin, wie oft sie sich doch vorstellte, wie sie gemeinsam über den Weihnachtsmarkt liefen, strahlten, zu Hause Kerzen anmachten, sich Tee kochten und auf der Couch kuschelten, aber das was sie sich dann so sehr wünscht, kann sie sich einfach nicht vorstellen, mit Glen zu schlafen oder überhaupt in der Richtung in zu berühren ist nicht vorstellbar. Ihre Arbeitskollegin sagte daraufhin nur, er ist dein bester Freund. Hat sie damit Recht? Hat sie damit Recht, dass sie sagt, dass es noch eine lange Zeit wehtun wird, aber eine Freundschaft, auch wenn es die beste ist, für eine Ehe nicht reicht. Sie sagt, ich soll es einfach probieren, mich dazu zwingen, wenn es nicht geht habe ich eine Antwort, wenn es geht ebenso…
Glen wäre eine Vernunftsentscheidung mit Hoffnung auf Glück, was nicht heißt, dass ihr Herz nicht an ihm hängt! Joe wäre eine Herzensentscheidung mit Risiko, in vielerlei Hinsicht. Es ist einfach unmöglich eine richtige Entscheidung zu treffen und jedes Mal wenn ihr jemand einen Rat ans Herz legt, fühlt sie sich zu dem „Schwächeren“ hingezogen. Außerdem ist Marie aufgefallen, dass es im Laufe eines Tages oft einen Prozess gibt. Am Morgen ist es meist Joe, für den sie sich entscheiden will, bei dem sie sich ganz sicher ist. Sie glaubt, sie könnte dann zu Glen fahren und es einfach für immer beenden. Sie glaubt sie wäre stark genug dafür. Aber je später der Tag umso mehr scheint ihr diese Vorstellung unmöglich und sie ist wieder in ihrem Gedankenkarusell gefangen. Am Abend, bevor sie dann Joe meist wiedersieht macht sie sich Gedanken, wie sie sich am besten von ihm trennt.
Aber sie kann es nicht, von keinem kann sie sich trennen, sie würde nicht nur sich selbst wahnsinnig verletzten, sondern auch Glen oder Joe brechen. Glen ist erwachsen genug, er würde alles wieder auf die Reihe bekommen, bei Joe ist sie sich da nicht so sicher, wobei es für ihn vielleicht einfacher wäre, weil nicht so lang. Aber Joe macht sich so Hoffnung. Er will unbedingt Maries Eltern kennenlernen, er freut sich so sehr darauf, er erzählte ihr ganz stolz, dass er seit zwei Tagen nicht mehr an seinen Fingernägeln gekaut hat, damit er einen vernünftigen Eindruck machen wird. Und er sagte gestern was zu Marie, was sie so sehr berührt hat: „Ich bin ein Familienmensch und du bist meine Familie…“ - diese Familie hatte sie aber mit Glen auch. Der Kopf sagt Glen, das Herz sagt Joe… wie gerne würde sie mit Joe auf seine Weihnachtsfeier gehen. Ihn Ihren Eltern vorstellen. Mit ihm etwas aufbauen. Seine Begleitung sein wenn er offiziell seinen Meister bekommt. Mit ihm die Kerbzeit überstehen, ihn an der Kerb anhimmeln, danach mit ihm in Urlaub fahren. Sich Hühner holen, mit ihm den Garten machen, mit ihm tanzen gehen,… mit ihm eine Familie gründen, einen Hof sanieren, Pferde halten…!
Aber kann und will sie das wirklich? Wenn sie sich z. B. vorstellt mit ihm in Skiurlaub zu fahren, geht das irgendwie nicht. Mit Glen schon. Vor allem aber hat sie Angst, dass sie sich durch die Verliebtheit etwas einredet. Einredet, dass es passt, dass sie glücklich werden können, dass es ihr nichts ausmacht, ihm das restliche Leben lang in den hintern zu treten, ihm hinterher zu räumen…, dass sie damit zurechtkommen wird auf ihn warten zu müssen. Sie hat Angst, ihr Leben lang zu zweifeln, zu vergleichen. Aber vor allem Angst, den größten Fehler ihres Lebens zu machen. Sie glaubt daran, dass sie mit Glen wieder glücklich werden könnte, aber dazu müsste sie Joe vergessen, nur sie kann Joe nicht vergessen, solange sie mit Glen unglücklich ist. Sie muss sich entscheiden.
28.11.2013 12:18 •
#1