Die Tage scheinen so schnell zu vergehen, dabei sind seit meinem letzten Eintrag nur drei vergangen. Ich war wirklich überrascht, als ich das eben gesehen habe, denn es fühlt sich heute so an, als sei es mindestens eine Woche her, dass ich hier zum letzten Mal geschrieben habe.
Ich habe Meilenstiefel an, die mich gedanklich immer weiter fort tragen und manchmal frage ich mich, ob ich mich wirklich entferne oder doch bloß verdränge.
Ich möchte an dieser Stelle nicht leugnen, dass ich in manchen Momenten noch traurig bin. In diesen Momenten glaube ich, ihn zu vermissen, doch mittlerweile hinterfrage ich dieses Gefühl. Es fällt mir zunehmend schwerer zu unterscheiden, ob ich wirklich ihn vermisse oder einfach nicht so genau weiß, wo ich hingehöre.
Zudem lasse ich ein paar Gedankengänge nicht mehr zu. Ich befasse mich nicht mehr damit, was in den Tagen der akuten Trennung passiert ist und was er wohl mit ihr gemacht hat und immer noch macht. Hin und wieder springt der Film in meinem Kopf noch an, doch ich stoppe ihn zwischen Vorspann und Hauptteil. Und ich höre auf, mich konkret und intensiv zu erinnern, wie er sich angefühlt hat und was wir erlebt haben.
Ist das Verdrängen? Ist es bloß Selbstschutz? Oder einfach die Einsicht, dass diese Gedanken zu nichts führen außer zu Schmerz und Wehmut?
Ich habe in den letzten Wochen schon so oft daran gedacht, so vieles zum hundertsten Mal durchgekaut und immer und immer wieder die Repeat-Taste gedrückt. Vielleicht ist es jetzt einfach genug. Vielleicht beginnt mich dieser Film zu langweilen, weil er keine Überraschungsmomente mehr in sich birgt und ich ihn auswendig kenne. Und letztlich muss ich zugeben, dass ich gar nicht weiß, was derzeit überhaupt abläuft oder wie es ihm damit geht. Es sind alles nur Spekulationen und Reime, die ich mir selbst zusammenschreibe. Mit Tatsachen hat das nichts zu tun.
Manchmal glaube ich, ihn zu vergessen. Nicht ihn als Ganzes, aber die kleinen Details, die ich so gut kannte. Mein Mann (in Anführungszeichen) wird zu einer Erinnerung in meinem Herzen, zu einem schemenhaften Gefühl, das ich so tief empfunden habe, wohingegen der Mensch, der er jetzt ist, zu einem Fremden wird.
Ich habe mir vorgestern Bilder von ihm angeschaut. Ich wusste gar nicht mehr, dass ich sie habe. Sie sind von unserem letzten Ausflug, bei dem wir uns noch sehr nahe waren. Diesen Ausflug haben wir nur wenige Wochen vor der Trennung gemacht.
Es fällt mir immer noch schwer, diese beiden Welten unter einen Hut zu kriegen. Im einen Moment sind da Wir, die Zärtlichkeiten, das Lachen und das Kribbeln, im nächsten Moment Er und sie und diese komische, plötzliche Distanz. Merkwürdig, wie schnell das ging.
Nun, ich habe mir also diese Bilder angeschaut. Im ersten Moment schlug mein Herz ein wenig schneller und ich habe mich gefragt, ob es gut ist, mir diese Bilder anzusehen. Doch dann habe ich Minute um Minute darauf gestarrt. Ich habe sein Gesicht herangezoomt und jedes Fältchen darin studiert. Ich habe mir sein Lächeln angesehen und seine Augen. Nichts davon wirkt falsch. Es passt so. Das ist der Mann, den ich liebte.
Sein Anblick berührt noch etwas in mir. Er sorgt für kleine Momentaufnahmen: Die weiche Stelle an seinem Hals, meine Hand in seiner, die Wärme, die von ihm ausging, sein Geruch.
Doch dieser Anblick haut mich nicht um. Viel mehr seziere ich ihn, nehme mich und meine Stimmung dabei wahr und beäuge neugierig, wie dieser Mann auf mich als Fremde wirkt. Er sieht müde aus, ganz anders als zu dem Zeitpunkt, als ich ihn kennenlernte, aber immer noch vertraut. Ein netter Mann, der nett schaut. Wie ein guter Freund, ein guter Partner, dem ich vertrauen konnte, auch wenn ich es jetzt nicht mehr tue.
Ich denke weniger nach, habe jedoch nicht aufgehört zu reflektieren. Vielleicht betrete ich eine neue Stufe in diesem ganzen Prozess des Lösens und Verarbeitens, denn ich beginne nicht nur ihn und sein Handeln zu durchleuchten, sondern auch mich und das, was ich in der Beziehung nicht so gut hinbekommen habe.
Dabei geht es nicht um Schuld, sondern viel mehr darum, was ich besser gekonnt hätte, es aber aufgrund eingefahrener Muster und meiner Bequemlichkeit nicht gemacht habe.
Ich weiß nicht, ob ich diese Muster so einfach loswerde. Vielleicht haben sie sich in all den Jahren meines Lebens schon so sehr in meinem Wesen verankert, dass sie ein Teil von mir geworden sind. Doch allein die Tatsache, dass ich darüber nachdenke und glaube, manches zu erkennen, fühlt sich richtig an, denn dadurch finde ich zu mir - ganz ohne Trauer und ohne Vorwürfe an mich oder ihn.
Es ist noch nicht vorbei. Ich habe noch nicht alles überwunden und ich kann noch nicht verzeihen. Ich werde immer mal wieder traurig und manchmal auch noch ein bisschen wütend. Aber wenn ich das neue Gefühl, was derzeit hinzukommt, benennen müsste, dann hieße es versöhnlich.
Mir selbst gegenüber. Nicht ihm.