Das hört sich alles ziemlich traurig an finde ich und ich kann sehr gut mit dir mitfühlen, dass du da extrem leidest und dass es eine schlimme Situation für dich bzw. für euch ist. Das was ich jetzt schreibe ist vielleicht hart und ich weiß nicht, ob du es schaffst, das umzusetzen, aber für mich als Außenstehender ist die Sache eigentlich ziemlich eindeutig.
Wenn ich so etwas lese
Zitat von Sonnenschein70:mein erwachsener Mann steht in der Küche und weint, weil es ihn überfordert, ein Spiegelei zu machen - weil sein Gedankenkreisen ihn gerade in das depressive Gefühl zieht
- und das ist ja wie ich es verstanden habe lediglich ein Beispiel für etliche ähnliche Vorkommnisse - dann ist das furchtbar. Zuerst für ihn, dann aber auch für dich. Eine Depression ist eine furchtbare und potentiell tödliche Krankheit. Da ist dein Mann nicht der einzige, sondern es gibt Unmengen an Leuten, denen es genauso geht. Wenn du so etwas siehst, dass dein Mann in der Küche weint, dann bekommst du Mitleid mit ihm, weil du ihn liebst und es ihm so schlecht geht. Du möchtest alles tun, um ihm zu helfen. Das ist absolut verständlich und sehr gut nachvollziehbar. Wenn es ihm schlecht geht, geht es dir schlecht; wenn es ihm gut geht, geht es dir gut. Du würdest alles dafür tun, damit es ihm - und damit dir und euch - besser geht.
Der Haken an der Sache ist nur, dass man keine anderen Menschen ändern kann. Jeder Mensch ist für sich selbst verantwortlich. Du hast lediglich begrenzten Einfluss von außen, durch den du anhand deines Verhaltens jemandem einen Anstoß geben kannst, sich selbst zu helfen. Das versuchst du, indem du für ihn da bist und ihn so gut es geht zu unterstützen versuchst. Du bist sein Sicherheitsnetz, auf das er sich verlassen kann, das immer für ihn da ist.
Es kann aber sein, dass du ihm dadurch die Möglichkeit zur Veränderung nimmst. Dass er nicht genug Leidensdruck erfährt und nicht erkennt, dass er (wie alle Menschen) im Endeffekt auf sich alleine gestellt ist im Leben und nur aus eigener Kraft, mit eigenem Antrieb und Willen da raus kommen kann. Weil andere zwar beratend und unterstützend zur Seite stehen können, aber niemals die Verantwortung für das eigene Wohlergehen übernehmen können.
Meiner Meinung nach müsstest du dich diesen Situationen wie dem Weinen in der Küche entziehen, weil du ansonsten keine Chance hast, da emotional unbeschadet herauszukommen und immer tiefern in den Strudel hineingezogen wirst. Das heißt, du müsstest dich von ihm trennen und keinen Kontakt mehr mit ihm haben. Ihr habt kein gemeinsames Kind, es gibt also keine Berührungspunkte für die Zukunft, das ist ein großer Pluspunkt in diesem Fall. Du hast somit die Möglichkeit, solche Situationen in denen er depressiv ist oder sich anderweitig gehen lässt nicht mehr miterleben zu müssen. Du wirst dich dann wie eine Versagerin fühlen, wie eine Frau, die ihren Mann im Stich lässt, obwohl sie ihm bei der Hochzeit vor gerade mal fünf Jahren ewige Liebe und Treue geschworen hat, und er sie gerade jetzt so sehr braucht. Du wirst dich wie eine Egoistin fühlen, die nicht mal in der Lage ist, Menschen, denen es so schlecht geht, beizustehen. Das sind ganz normale menschliche Gedanken und Gefühle, die in so einer Situation hochkommen. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Die andere Seite der Medaille ist, dass dein Mann seinen Beitrag eben auch nicht leistet: nämlich dass er sein Leben im Griff hat, dass er dich gut behandelt und dir eine Stütze ist. All das lässt er nämlich vermissen. Ob er einfach nicht anders kann und ob seine Krankheit ihn gar nicht anders lässt, steht auf einem anderen Blatt,
ist aber nicht dein Problem, so gemein das jetzt klingt. Du bist für
dich verantwortlich, genauso wie er für
sich verantwortlich ist. Manche Menschen werden mit guten Genen geboren (psychisch und physisch), manche mit schlechten. Manche kommen als Kinder reicher, emotional gesunder und angesehener Eltern in Deutschland auf die Welt, andere als Kinder einer aidskranken im Sterben liegenden Mutter in Somalia, werden bei der Geburt mit HIV infiziert und fristen dann ein kurzes liebloses Dasein in einem Waisenhaus, ehe sie nach ein paar Jahren elendig verhungern. Das Leben ist verdammt ungerecht und es gibt äußere Umstände, mit denen kein Mensch zurecht kommen kann, weil sie zu schmerzhaft und zu langwierig sind. Eine Depression kann da dazugehören, auch in Deutschland, auch bei sonstiger Gesundheit, genug Nahrung, Einkommen und Dach über dem Kopf.
Aber das ist nicht dein Problem. Du bist für DICH verantwortlich und du kannst es auch nicht ändern, dass es bei ihm so ist. Das versuchst du nun schon lange genug und siehst jetzt, wohin das führt. Es wird immer schlechter statt besser.
Zitat von Sonnenschein70:Ich mag nicht mehr. Ich biete ihm meine Hilfe nicht mehr an.
Da täuschst du dich, denke ich. Du magst noch, sonst wärst du nicht mehr mit ihm zusammen. Man tut immer das, was man will. Würde man es nicht wollen, würde man etwas anderes tun. (Es gibt Ausnahmen, zB wenn jemand im Gefängnis sitzt. Dann würde er vermutlich lieber außerhalb sein, aber das geht nicht.) Und dadurch, dass du noch mit ihm zusammen bist, bietest du ihm mehr als genug Hilfe an. Es muss einen Grund geben, warum du dir dieses Verhalten so lange gefallen lässt. Hast du andere soziale Kontakte? Könntest du einen anderen Mann kennenlernen? Hast du Angst, sonst alleine zu sein? Ich denke, dass du dir auch etwas davon erhoffst und auch davon profitierst, wenn du weiterhin mit ihm zusammen bist. Zum Beispiel fühlst du dich wertvoll, weil du eine wichtige Aufgabe in seinem Leben innehast. Oder es beruhigt dein Gewissen, weil du dir sagen kannst, dass du dich an dein Eheversprechen hältst und eine gute Frau bist. Oder dass es nicht richtig ist, eine kranke Person einfach so sich selbst zu überlassen. Mit diesen Fragen würde ich mich auseinandersetzen und mir überlegen, warum du in dieser Art von Abhängigkeit steckst, wo bei dir da Baustellen und Themen sind, die näher betrachtet werden wollen.
Wenn du dich trennst, kann es sein, dass er daran zerbricht und sein Leben völlig vor die Hunde geht und er da gar nicht mehr rauskommt. Aber das musst du einkalkulieren und vor allem erkennen, dass es nicht deine Verantwortung ist, ihn zu retten. Genauso gut kann es aber sein, dass er dadurch erkennt, dass er selbst die Verantwortung trägt, sein Leben in Ordnung zu bringen, und du könntest ihm durch eine Trennung eine große Hilfestellung leisten. Was passieren wird weiß du aber vorher leider nicht. Ich vermute eher das letztere (also der positive Effekt auf sein Leben).
Um das alles zusammenzufassen: Ich denke, du musst dich trennen und erkennen, dass du nicht für ihn verantwortlich bist und du selbst musst mehr Verantwortung in deinem Leben übernehmen, denn was du dir zumutest (weiterhin mit ihm zusammen zu sein) ist DIR gegenüber nicht in Ordnung.
Wenn du jetzt sagst, das geht aber nicht, was der da schreibt und eine Trennung halte ich nicht aus, dann lies dir mal diesen Satz durch:
Zitat von Sonnenschein70:Für mich sei immer alles so einfach. Meine Vorschläge seien nicht umzusetzen. usw.
Dieser Satz gilt nämlich aus anderer Sicht betrachtet genauso für dich. Du hast nämlich auch noch Möglichkeiten nach oben, was Selbstdisziplin und Verantwortung für das eigenen Leben übernehmen angeht.