Liebe Schreiberin,
Ja es gibt Hoffnung!
Als erstes solltest du die Positiven Dinge sehen:
1. Er hat es selbst aus eigenem Antrieb gebeichtet.
Es macht es natürlich erstmal nicht besser, aber es hat es obendrein noch recht schnell gebeichtet und die Affäre nicht über Monate oder gar Jahre gezogen. Er hat es gebeichtet, weil er es nicht ausgehalten hat und auch wenn das in Anbetracht der Vorkommnisse absurd klingen mag, spricht das eigentlich dafür, dass er im Grundkern seiner Persönlichkeit ein sehr loyaler Mensch ist. Andernfalls hätte ihm dieses Zweigleisige und der begangene Betrug nicht so zu schaffen gemacht.
2. Er entzieht sich nicht der Verantwortung und ist bereit gemeinsam mit dir eine Paartherapie zu besuchen. Das ist verdammt viel wert!
Generell:
Seine ambivalenten Gefühle sind völlig normal. Deine im Übrigen auch. Die Situation ist für beide Seiten höchst verwirrend. Ihr befindet euch beide an einem emotionalen Tiefpunkt.
Ich lege dir folgendes ans Herz:
Kann ich dir jemals wieder vertrauen? von Andrew G. Marshall
Nach dem Seitensprung von Janis A. Spring
Die Psychologie der Untreue von Shirley Glass
Ließ dir die Bücher durch. Im besten Fall sollte auch dein Partner die Bücher lesen.
Beginne mit dem ersten, die anderen beiden ist egal in welcher Reihenfolge.
Alle Bücher sind gute Wegbegleiter in einer akuten Situation wie eurer.
Es beschreibt die verschiedenen Phasen die eine Beziehung und die beiden Partner nach der Aufdeckung der Untreue erleben. Es hilft euch, euch gegenseitig und die Gefühle des anderen besser verstehen zu können.
Es klärt über potenzielle Risiken jeder Phase auf, die den Heilungsprozess stören könnten und bietet Lösungen und Übungen.
Eine vorübergehende räumliche Trennung ist gut, allerdings würde ich diese zeitlich begrenzen.
Es schmerzt im Augenblick sehr, die Gefühle sind überwältigend, aber letztendlich müsst ihr lernen diese Krise als Team zu bewältigen und gemeinsam zu heilen. Das geht mit getrennten Wohnorten eher nicht. Ein Kompromiss könnte sein, dass er z. B. nach 2 Wochen zurück kommt, aber ihr in getrennten Räumen schläft.
In den Büchern steht alles wissenswerte. Wie mit der Situation umgegangen werden kann, welche Gründe es hat das diese Situation überhaupt zustande kommen konnte.
Hör zu, du hast alles Recht wütend und verletzt zu sein. Du darfst auch angeekelt von der Tatsache sein, dass er mit dieser anderen Frau bei euch daheim intim war. Ich finde das auch mies. Es stimmt, dass die Entdeckung der Untreue eines Partners Trauma Symptome auslösen kann. Dennoch musst du nach der ersten Schock Phase aus der Opferrolle raus kommen.
Ich möchte nicht, dass das zu hart klingt.
Aus der Opferrolle heraus zu kommen bedeutet der Situation nicht ausgeliefert zu sein. Es bedeutet Eigenverantwortung zu übernehmen und handlungsfähig zu sein. Du darfst dich trotzdem hundselend fühlen, aber sorge dafür daß dich die Emotionen nicht überrollen und in die Knie zwingen. Achte auch dich! Nimm dir Auszeiten und tue Dinge bewusst nur für dich. Dinge die dir gut tun und dir Helfen deine Kräfte in der schwerem Zeit aufzuladen.
Für die Untreue muss allein dein Partner die Verantwortung übernehmen. Es war seine Entscheidung.
Trotzdem kommt Untreue selten aus dem Nichts. Es sollte also - zumindest mit der Zeit- ein Bewusstsein dafür entstehen, dass sich die Beziehung vorher in einer Schieflage befand.
Für diese Schieflage in der Beziehung sind BEIDE Partner verantwortlich. Jeder Partner trägt seinen Anteil daran und muss die Verantwortung dafür übernehmen.
Oft starten Affären nicht aus dem Bedürfnis heraus S. zu haben.
Folgende Gründe gibt es noch, warum Menschen anfällig für äußere Reize werden:
- man fühlt sich nicht mehr als Mann/Frau gesehen
- fehlende Wertschätzung oder einfach nur das Gefühl nicht wertgeschätzt zu werden
- fehlender Respekt oder das Gefühl davon
- geringe bis keine Aufmerksamkeit
- fehlender Austausch, Verbundenheit oder Tiefe in der Beziehung
- das Gefühl mit der Beziehung in einer Sackgasse zu sein
Etc.
Ich denke nicht, dass sich ausschließlich dein Mann in einer Krise befindet und du die Leidtragende in einer Art männlicher Midlife Crisis bist. Ich denke eure Beziehung befand sich schon vor der Untreue in einer Krise/Schieflage. Die Affäre ist demnach nur das Produkt daraus, der Gipfel eines Eisbergs sozusagen. Es ist natürlich immer einfach mit dem Finger auf den untreuen Partner zu zeigen, aber so einfach ist es in den meisten Fällen dann doch nicht. Ja, es gibt die reulosen, gewissenlosen notorischen Fremdgänger (Männer und Frauen), denen die Gefühle der Partner tatsächlich völlig egal sind und die einfach nicht treu sein können und auch gar nicht wollen. Dazu zähle ich deinen Partner nicht.
Auch Menschen für die Treue einen hohen Stellenwert hat, können unter bestimmten Voraussetzungen untreu werden. Mal mehr mal weniger bewusst, bis es dann zu spät ist und man sich mitten in einer Affäre wieder findet. Auch das ist in den Büchern zu lesen.
Dir/Euch sollte bewusst sein, dass ein harter Weg auf euch wartet. Mach dir auch klar, dass es nicht unmöglich ist diese Krise zu bewältigen und gemeinsam als Paar gestärkt hervor zu gehen. Eine Paartherapie ist der erste Schritt und ich halte es für essentiell notwendig professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen, denn ich glaube alleine kommt man da nur schwer raus. Dafür ist Untreue einfach zu komplex.
Also ich sehe das so, das in der Paartherapie bei der Erforschung der Ursachen eure Kommunikation in den Vordergrund gerückt werden muss. Du schreibst dein Partner redet wenig und wenn er etwas sagst, schenkst du dem nicht unbedingt die nötige Achtsamkeit.
Grundsätzlich müssen beide Partner ein gutes Kommunikationsverhalten üben. Dein Partner sollte lernen kommunikativer in seinen Wünschen und Bedürfnissen zu sein und du solltest dich im Zuhören, Aufmerksamkeit und Rücksichtnahme üben. Wie sieht es mit Paarzeit aus? Habt ihr z.b einmal die Woche einen Abend und einige Stunden in denen ihr Liebespaar sein könnt? Nein? - Dann würde ich das in den Neuaufbau eurer Beziehung integrieren.
Du bist gerade ganz am Anfang und es tut mir Leid, wenn einiges für dich hart oder sogar unpassend klingt. Du hast mein Mitgefühl und ich wünsche dir viel Kraft. Aber wenn du positive Veränderungen in der Situation anstreben willst, wenn du der Beziehung einen Rettungs Versuch zugestehst und das Risiko einer erneuten Untreue drastisch oder gar gegen Null reduzieren möchtest, dann musst du selbst die positive Veränderung sein. Du bist nicht handlungsfähig! Du darfst trauern und du darfst dich erstmal zurecht im Selbstmitleid baden, aber dann musst du aktiv werden. Die Dinge realistisch sehen und dir Fachwissen aneignen das dir dabei hilft die Dinge richtig einzuordnen (Bücher lesen).
Es ist okay in seinem Gefühlen und Wünschen (Beziehung retten oder beenden) hin und her zu schwanken. Das ist normal. Auf beiden Seiten!
Ich schlage vor, ob ihr das wollt müsst ihr entscheiden, dass ihr euch auf einen Rettungsversuch einigt und dem ganzen Zeit gebt. Soll heißen ihr einigt euch auf einen Zeitraum von ca. 6-12 Monate. In dieser Zeit lenkt ihr eure ganze Aufmerksamkeit auf die Aufarbeitung der Untreue. In dieser Zeit wird sich nicht getrennt. Das schafft eine gewisse Sicherheit und verringert die Angst, dass die ganze Mühe nach 2 Monaten umsonst war. Der Zeitraum mag lange erscheinen, aber Paartherapeuten sagen eher das mit einer abgeschlossenen Heilung der Beziehung nicht vor dem ersten Jahrestag der Entdeckung der Untreue zu rechnen ist. 6-12 Monate ist also ein realistischer Zeitraum um die Untreue + deren Ursachen aufzuarbeiten, herauszufinden was jeder Partner tatsächlich will (ohne vorschnelle Entscheidungen aus einer emotionalen Überforderung) zu treffen und zu schauen wie der Wiederaufbau der Beziehung aussehen kann. Der Heilungsprozess ist auch dann wichtig wenn ihr nach 6-12 Monaten feststellt das ihr die Beziehung zu eurem Partner nicht weiterführen möchtet. Dann habt ihr das Geschehen wenigstens aufarbeiten können und schleppt nicht so viel Vorbelastung in eine neue Beziehung.
Und ja, auch ein Punkt der in den Büchern gut beschreiben wird und der für Betrogene schwer zu akzeptieren ist, ist der Umgang mit dem Liebeskummer des untreuen Partners. Denn egal was diese Gefühle ausgelöst hat, er ist eine Verbindung eingegangen und diese ist nun beendet. Auch das kann schmerzvoll sein.
Tut mir Leid ich hab so viel und wirr geschrieben. Lies die Bücher, es wird dir helfen. Mach die Paartherapie zusammen! Gibt euch nicht auf und übernimmt gemeinsam Verantwortung für eure Beziehung und die Bedürfnisse des Partners.
Viel Erfolg und Kraft!
07.11.2023 04:23 •
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